Das Interesse an den kontinuierlichen Versammlungen des rechtsoffenen „Bürgerbündnis Havelland“ bzw. „Bürgerbündnis Deutschland“ lässt langsam nach. An der Veranstaltung beteiligten sich zwar noch bis zu 400 Teilnehmer_innen, aber immerhin mindestens 150 weniger als beim letzten Aufzug vor zwei Wochen. Nach wie vor wenig Menschen nahmen allerdings auch auf der zivilgesellschaftlichen Versammlung mit dem Motto: „Mein Rathenow: Mit Herz statt Hetze“ teil. Dafür sorgte eine anonyme Künstler_innengruppe wieder für eine spektakuläre Aktion.
Bürgerbündnis zieht weniger Bürger_innen
Die nunmehr im Zwei-Wochen-Rhythmus stattfindenden Hetzkundgebungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ bzw. „Deutschland“ zieht, nach dem immer offener werden rechtsradikalen Geist der Veranstaltung, anscheinend immer weniger Bürger_innen, insbesondere aus der Stadt Rathenow. Dafür sind immer öfter mit den Bündler_innen engvernetzte Vertreter_innen von ähnlich gesinnten Initiativen aus Stendal, Genthin, Nauen, Ketzin/Havel und Schönwalde-Glien anwesend. Viele dieser Gruppen haben Kontakte zu organisierten Neonazis bzw. derartige Personen in ihre Zusammenkunft integriert. Bekannte Gesichter der „Bürgerbewegung Genthin / Genthin wach auf“ zeigten heute beispielsweise mehrere Plakate der neonazistischen Partei „Der dritte Weg“. Des Weiteren war die Initiative „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken 2.0“, hinter der sich Teile der Vereinigung „Freie Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ verbergen, wieder mit einem Banner präsent. Weitere bekannte Neonazis konnte den Szenen aus Rathenow, Premnitz und Potsdam zugeordnet werden. Aus Potsdam war darüber hinaus auch der Chef der örtlichen PEGIDA-Bewegung „POGIDA“ angereist. Gemeinsam mit einer Sympathisantin zeigte er ein Banner des PI-News-Blogs, einer PEGIDA-nahen, flüchtlings- und islamfeindlichen Internetpräsenz.
Eine Änderung in der Veranstaltungsgestaltung gab es hingegen nicht. Lediglich das Redner_innenprogramm wurde ein wenig aufgestockt. U.a. ein in sächsischem Dialekt sprechender Redner für die so genannte 1,00 % Kampagne, mit der Protagonisten der extremen Rechten u.a. einen professionellen Propagandafeldzug gegen die derzeitige Flüchtlingspolitik planen.
Ansonsten blieben die Reden weitgehend auf Stammtischniveau. Auch die Eingangsrede von Christian Kaiser, presserechtlich Verantwortlicher des „Bürgerbündnisses“, blieb banal. Bemerkenswert an seinem Auftreten war lediglich ein billig wirkender Anzug, der anscheinend Seriösität ausstrahlen sollte. Eine Eingebung nach dem letzten Besuch bei AfD-rechtsaußen Björn Höcke?
Überforderte Zivilgesellschaft
Während die Rathenower Zivilgesellschaft bei der Unterstützung von Flüchtlingen durch Willkommensinitiativen und privatem Engagement, aus deren Blickwinkel, durchaus positive Akzente setzt, wird die Frage des richtigen Umgangs mit den regelmäßigen Stammtisch-Eskapaden auf dem Märkischen Platz noch immer kontrovers diskutiert. Die offensichtliche Uneinigkeit über den richtigen Kurs in der Debatte innerhalb der Stadt schwächt anscheinend immer noch die Proteste, insofern die regelmäßigen Versammlungen auf dem August-Bebel-Platz überhaupt als angemessene Gegenveranstaltung bezeichnet werden dürfen.
Auch heute fanden sich lediglich 120 Menschen zusammen, um im „Stillen“ zumindest Präsenz zu zeigen. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte da nur eine spektakuläre Aktion von Kulturschaffenden, die eine symbolische Mauer aus Pappkartons errichteten, um die Forderung des Bürgerbündnisses nach nationaler Isolierung zu persiflieren.
Das Aktionsbündnis, dass sich in besseren Tagen einmal selbstbewusst „Rathenow zeigt Flagge“ nannte, scheint hingegen ebenfalls zwischen selbst gebauten Mauern gefangen. Manche Menschen, so ist es zu hören, würden dem „Bürgerbündnis“ und seinen Sympathisant_innen aus der extremen Rechten gern deutlicher widersprechen, andere dagegen intensiver den Dialog mit vermeintlichen Mitläufer_innen der Bündler suchen wollen. Einigkeit scheint momentan nur darin zu bestehen, dass die Hetze der führenden Köpfes des „Bürgerbündnisses“ nicht nur von mal zu mal unseriöser und aggressiver wird, sondern das sich diese auch politisch radikalisieren, wie eben deren auswärtige Auftritte am 17. Januar 2016 in Genthin, am 22. Januar 2016 in Potsdam und am 23. Januar 2016 Schönwalde-Glien beweisen.
Fotos:
Presseservice Rathenow
Sören Kohlhuber
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