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Antifaschismus

Support your local Antifa – don’t move to Berlin!

In den let­zten Wochen wur­den wir auf den Text der „Antifaschis­tis­chen Jugend Bran­den­burg“ mit dem Titel „Antifa in der Krise – Diskus­sions­beitrag der Antifa Jugend Bran­den­burg“ aufmerk­sam. Der Text the­ma­tisierte die Auflö­sung von Großstruk­turen in Berlin, der Regungslosigkeit der radikalen antifaschis­tis­chen Linken in den Großstädten und die Sit­u­a­tio­nen des Berlin­er Speck­gür­tels in Brandenburg.
Ein klein­er Rückblick
Vor ein paar Jahren, bevor sich der ras­sis­tis­che Mob in Gestalt von PEGIDA, AFD, NPD und Freie Kräfte mobil­isierte, lebte es sich gut in Bran­den­burg. Es gab kaum Neon­azidemon­stra­tio­nen, ‑kundge­bun­gen oder ‑mah­nwachen, die nicht von einem bre­it­en antifaschis­tis­chen Bünd­nis und ein­er gut organ­isierten Zivilge­sellschaft ver­hin­dert oder zumin­d­est mas­siv gestört wur­den. Neon­azistruk­turen in Cot­tbus, Frank­furt (Oder), Straus­berg, Pots­dam, Oranien­burg, Bad Belzig, Rathenow, Bran­den­burg an der Hav­el, Witt­stock und Neu­rup­pin hat­ten kaum Chan­cen ihre faschis­tis­chen Inhalte auf die Straßen zu tra­gen und wur­den in vie­len Orten bis aufs Let­zte zurückgedrängt.
Neu­rup­pin als Beispiel: 30.000 Einwohner*innen — eine Stunde mit der Region­al­bahn von Berlin entfernt.
In den Jahren 2007 bis 2012 hat­ten wir es jährlich mit Neon­azi­aufmärschen, organ­isiert von den Freien Kräften Neu­rup­pin / Osthavel­land, zu tun. Durch ein gutes Net­zw­erk aus bran­den­bur­gis­chen Ini­tia­tiv­en, Bran­den­burg­er und Berlin­er Antifa­grup­pen kon­nten die meis­ten der Demon­stra­tio­nen durch Sitzblock­aden ver­hin­dert, beziehungsweise stark verkürzt wer­den, so auch am 01. Mai 2012 in Witt­stock (Dosse) und am 05. April 2014 in Wittenberge.
Zwis­chen 2012 und 2014 trat die Neon­azi­gruppe kaum noch in Neu­rup­pin auf. Bis auf einzelne Kundge­bun­gen von 10 bis 15 Teilnehmer*innen fan­den kaum noch Aktio­nen statt – wenn ja, wur­den sie jedoch von einem großen zivilge­sellschaftlichen Bünd­nis begleit­et und gestört.
Erst mit der Ankündi­gung zum TddZ am 06.06.2015 in Neu­rup­pin, wurde die Gruppe wieder aktiv. Sie grün­de­ten eine „Ini­tia­tive gegen Über­frem­dung“, taucht­en auf allen Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen zu Geflüchteten in den Kreisen Ost­prig­nitz-Rup­pin, Prig­nitz und Ober­hav­el auf und ver­sucht­en die Stim­mung zu bee­in­flussen, Flug­blat­tak­tio­nen und Kundge­bun­gen waren über das ganze Jahr verteilt – doch in ihre eigentliche „Home­base“ traut­en sie sich, über das Kam­pag­nen­jahr hin­weg, kaum. Nach unser­er Ein­schätzung sind sie heute eine der aktivsten Neon­azi­grup­pen in Brandenburg.
Schluss mit der schö­nen Zeit
Die Sit­u­a­tion hat sich in den let­zten Monat­en gewan­delt, Bran­den­burg zeigt sich erneut von sein­er dunkel­sten Seite. PEGIDA, NPD und Freie Kräfte fassen in fast allen größeren Städten in Bran­den­burg Fuß, sie etablieren sich in der bürg­er­lich, ras­sis­tis­chen Mitte, ste­hen und laufen wöchentlich mit mehreren Hun­dert Neon­azis und Rassist_innen durch Rathenow, Straus­berg, Vel­ten, Oranien­burg, Zehdenick und Wittstock.
Und wir… wir sind in der Real­ität angekom­men und blick­en sehn­süchtig auf den 06.06.2015 zurück, an dem ein­er der größten Neon­azi­aufmärsche deutsch­landweit, der TddZ mit mehren hun­dert Antifaschist*innen in Neu­rup­pin ver­hin­dert wer­den kon­nte – allein aus Berlin kamen 500 Antifaschist*innen. Von dieser gelebten Sol­i­dar­ität ist nichts mehr zu spüren. Anfänglich haben wir es noch ver­sucht, Antifaschist*innen über­re­gion­al zu mobil­isieren, um die wöchentlich stat­tfind­en­den Demon­stra­tio­nen in den Griff zu bekom­men – ohne Erfolg.
Alles was uns bleibt, ist unsere befre­un­de­ten Struk­turen zumin­d­est per­son­ell zu unter­stützen und uns darüber aufzure­gen mit welch­er Igno­ranz unsere Sit­u­a­tion, in Berlin betra­chtet wird.
Naja, was solls – noch ein Aufruf – ankack­en hat noch nie funktioniert.
Unsere Sicht auf die Berlin­er Situation
Für uns begann die Sit­u­a­tion sich zu zus­pitzen, als in Berlin-Marzah­n/ Berlin-Hellers­dorf wöchentlich mehrere 1000 Neon­azis und Rassist*innen aufge­laufen sind. Und obwohl wir kaum einen Bezug oder Kon­takt nach Marzahn pflegten, fuhren wir so gut wie jede Woche dor­thin um die lokalen Struk­turen bei den Protesten und Block­ade­v­er­suchen zu unter­stützen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht gerne Proteste mit unseren Mit­teln unter­stützen, nur fehlt uns ein­fach die Kraft und Energie, um uns dann par­al­lel um Städte wie Witt­stock, Neu­rup­pin, Oranien­burg und Rathenow zu küm­mern, wo wir als Bran­den­burg­er Grup­pen zu 90 % auf uns alleine gestellt sind. Wenn in Witt­stock 300 Neon­azis & Rassist*innen auflaufen, inter­essiert das die ehe­ma­li­gen Groß­grup­pen in und um Berlin wenig. Oft­mals standen wir in den let­zten Monat­en mit 30 bis 50 Leuten, 200 bis 600 Rassist*innen gegenüber. Für uns ist diese Sit­u­a­tion keines­falls trag­bar – während die radikale Linke in Berlin in ihren Stammkneipen hockt und das ras­sis­tis­che All­t­ags­geschehen bei Bier und Kippe gelassen besprechen, ver­bren­nen wir unsere Struk­turen, lei­den unter den Repres­sio­nen und laufen jedes Mal Gefahr, auf die Fresse zu kriegen.
Obwohl wir es auch mal wieder schaf­fen wollen, in unseren Städten eigene Inhalte zu set­zen, bes­timmt der ras­sis­tis­che Mob unsere Arbeit und wir kom­men zu nichts anderem mehr.
Die let­zte Demon­stra­tion in Rathenow hat gezeigt, dass es doch noch gelebte Sol­i­dar­ität in Bran­den­burg und Berlin gibt. So fan­den sich cir­ca 200 Antifas in Rathenow ein und ver­sucht­en mit ein­er Demon­stra­tion, den Neon­azis vor Ort zumin­d­est irgen­det­was ent­ge­gen zu set­zen. Doch dabei kann es nicht bleiben. Es reicht nicht – wir sind trotz­dem immer noch viel zu wenige und es bleibt bei ver­balem Protest.
Die Radikale Linke Berlin rief neulich dazu auf, dass die Zeit der Sitzblock­aden vor­bei wäre – da geben wir ihnen Recht. Wenn man so was sagt, müssen jedoch auch Tat­en fol­gen. Auch wenn Sitzblock­aden in der Prov­inz ein gutes Mit­tel gewe­sen sind, um Neon­azi­aufmärsche zu ver­hin­dern, sehen wir ein, dass das ver­hält­nis­mäßig ger­ade zum Scheit­ern verurteilt ist. Wenn mil­i­tan­ter Protest eine Lösung für das Prob­lem sein kann, obwohl dieser unsere Struk­turen durch Repres­sion stark schwächen kön­nte, sind wir für alle Alter­na­tiv­en offen, doch für uns nicht umset­zbar – wir brauchen euch da draußen und nicht nur kluge Ratschläge.
Wir hof­fen, dass weit­ere Beiträge fol­gen werden!

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