Zwei Strafverfahren nach Angriffen auf einen Pressevertreter am Rande von PEGIDA-ähnlichen Versammlungen in Rathenow wurden jetzt durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt. Den Beschuldigten waren die Straftaten zwar im Wesentlichen nachgewiesen, aber aufgrund des geringen Schadens von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen worden. Komplett ohne Konsequenzen schieden die mutmaßlichen Täter jedoch nicht aus dem Strafverfahren aus. Beide müssen dreistellige Geldbeträge zahlen, damit die Einstellung auch tatsächlich rechtswirksam wird.
Strafverfolgungsbehörden ließen Milde walten
In einem Verfahren, welches am Dienstagnachmittag vor dem Amtsgericht Rathenow verhandelt wurde, sah es die Anklagevertretung beispielsweise als erwiesen an, dass der Angeklagte Hans-Joachim T. am 17. November 2015 während einer Auseinandersetzung am Rande einer Versammlung des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“ mutwillig ein Teil des Equipments eines Fotografen zerstört habe. Der „besorgte“ Bürger hatte nach der Kamera des Journalisten gegriffen und den Aufsteckblitz abgebrochen. Während das Kameragehäuse der rohen Gewalt trotzte, war der Blitz irreparabel beschädigt. Da sich der Angeklagte, nach der Eröffnung der Verhandlung und der Verlesung der Anklageschrift geständig zeigte und Schadenswiedergutmachung signalisierte, verfügte der Richter die vorläufige Einstellung des Verfahrens. Dem Angeklagten, ein ehemaliger Prokurist aus Hannover, der eigenen Angaben zufolge von Arbeitslosengeld II leben soll, wurde auferlegt, den entstanden, dreistelligen Schaden dem Geschädigten in fünf Raten zu erstatten. Erst danach sei die Einstellung auch rechtskräftig.
Ein zweites Verfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gegen einen „besorgten“ Bürger aus Rathenow stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam bereits im Dezemberdes vergangenen Jahres gegen eine Geldauflage von 600,00 € ein. In diesem Fall soll der Beschuldigte Jens Harald R. während einer Versammlung des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“am 23. Februar 2016 einen Fotografen mit einem Laserpointer geblendet haben. Das Tatwerkzeug wurde damals bei dem Beschuldigten festgestellt und durch die Polizei beschlagnahmt.
Feindbild „Lügenpresse“
Während sich die Strafverfahren hauptsächlich auf die direkt handelnden Personen, also auf den mutmaßlichen Täter und den Betroffenen, beschränkte und so das Bildnis eins Konfliktes zwischen zwei Einzelpersonen gezeichnet wurde, blieb der Gesamtkontext nur skizzenhaft.
Hinterfragt werden müsste eigentlich das gesamte Veranstaltungskonzept des Rathenower PEGIDA-Ablegers, indem sich die Angeklagten bewegten. Von Anfang an war dieses nämlich auf die Bündelung von Emotionen sowie auf die Fokussierung von bestimmten Feindbilder ausgelegt. Dazu kam die bewusste Entscheidung der Veranstalter für abendliche Versammlungen, mit einer so durch Dunkelheit anonymisierten Menschenansammlung. Dazu kamen verbalaggressive Redner, die durch bewusste Zuspitzung und Polemisierung, die Stimmung des Auditoriums zusätzlich anstachelten und bestehende Konflikte in der Gesellschaft noch weiter zuspitzten. Statt tragfähige Lösungen zu entwickeln wurde vielmehr nach Schuldigen am eigenen Elend gesucht und in bestimmten Feindbildern auch „gefunden“.
Neben dem Islam und Flüchtlingen war die Presse dabei sogar ein Hauptfeindbild der Veranstalter. Bei den aggressiven Redebeiträgen wurde sich auch nicht davor gescheut bewusst falsche Informationen zum Presserecht zu verbreiten oder Pressevertreter, unter dem Anfachen von „Lügenpresse“-Rufen, namentlich zu benennen.
Es war offensichtlich, dass damit indirekt dazu aufgefordert wurde, sich der Presse, diese als Auge der Welt mit Blickrichtung auf die höchst fragwürdigen Machenschaften des Rathenower PEGIDA-Ablegers, mit schlagkräftigen Argumenten zu entledigen. Dass dies in Ansätzen auch gelang, zeigten die beiden Strafverfahren.
Dass sich die Initiatoren des Rathenower PEGIDA-Ablegers für die höchstaggressive Stimmungsmache und die daraus resultierenden Angriffe ebenfalls verantworten müssen, gilt indes eher als unwahrscheinlich.
„Besorgte“ Bürger wegen Volksverhetzung anzuklagen dürfte vermutlich genauso schwierig sein, wie einzeln abgeurteilte Neonazis, die über einen bestimmten Zeitraum aus einer Gruppenstruktur mehrere schwere Straftaten, darunter auch eine Brandstiftung in Millionenhöhe, verübten, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
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