(Martin Klesmann; Berliner Zeitung) POTSDAM. Brandenburg ist nach wie vor eine Hochburg der Rechtsextremisten: Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten ist 2004 um ein Viertel angestiegen — auf 131 Fälle. Darunter waren auch zwei Tötungsversuche, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Mittwoch mit. So ist einem Kenianer in Brandenburg/Havel eine abgebrochene Bierflasche in den Hals gerammt worden. “Durch das beherzte Eingreifen von zwei Zeuginnen konnte Schlimmeres verhindert werden”, sagte Schönbohm. In einem anderen Fall konnte ein türkischer Imbissbuden-Besitzer in Brück (Potsdam-Mittelmark) einen Molotow-Cocktail, der in seine Gasstätte geschleudert worden war, gerade noch löschen.
Gefahr “brauner Einheitsfront”
Auch insgesamt stieg die Zahl der rechtsextremen Straftaten gegenüber dem Vorjahr um knapp 19 Prozent auf 1 865 Fälle an, 73 Prozent davon waren Propagandadelikte, wie das Tragen von NS-Symbolen. Schönbohm warnte vor einer “braunen Einheitsfront” im Land. “Gerade die NPD wirbt gezielt rechtsextremistische Gewalttäter an und platziert bekannte Köpfe der gewaltbereiten Neonazi-Szene in ihren Führungsgremien”, sagte Schönbohm. Die Kooperation mit der im Landtag vertretenen DVU müsse man “im Auge behalten”.
Konsterniert zeigte sich Schönbohm angesichts der elf Brandanschläge auf Döner- und Asia-Imbissstände im Havelland, die offenbar alle gezielt von einer Gruppe Heranwachsender begangen worden sind. Gegen diese 16- bis 20-Jährigen, die sich selbst als “Freikorps” bezeichnet haben sollen, wird derzeit noch vor dem Oberlandesgericht verhandelt — es ist der erste Prozess wegen des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung in Brandenburg. “Hier hat die Sozialkontrolle im unmittelbaren Lebensbereich der Angeklagten total versagt”, sagte Schönbohm. Dann ließ er seinen Abteilungsleiter Polizei, Hans-Jürgen Hohnen, leicht verfremdete Polizeiprotokolle verlesen, die belegen, dass viele Leute vor Ort vom Treiben der jungen Männer gewusst haben: Ein Lehrer (“Es wurde in der Schule gemunkelt, dass diese Personen Imbisswagen abbrennen”) , ein Förster (“Es gab Schießübungen im Wald”), ein Bürgermeister (“Die haben Märsche in der Kiesgrube veranstaltet”), alle ahnte etwas. Aber niemand griff ein, stellte die jungen Leute zur Rede oder ging zur Polizei. “Beschämend”, sagte Schönbohm.
Er plant nun zusammen mit dem Landespräventionsrat und der Bundesregierung eine wissenschaftliche Studie. Darin soll untersucht werden, wie Eltern und Lehrer, aber auch Lokalpolitiker und die Chefs der Freiwilligen Feuerwehren dem Rechtsradikalismus entgegenwirken können. Zugleich verteidigte Schönbohm Mittelkürzungen bei Organisationen wie der “Opferperspektive”. Man könne dem Rechtsextremismus nicht mit “Staatsknete” begegnen, sondern müsse die Köpfe der Bürger gewinnen.
Der Minister sagte, dass die polizeiliche Repression am Anschlag sei, man die Täter meist kenne.
Immer mehr rechtsextreme Straftaten
(Tagesspiegel) In Brandenburg haben rechtsextrem motivierte Straftaten erheblich zugenommen. Wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Mittwoch mitteilte, wurden im Jahr 2004 landesweit 1051 Delikte mit rechtsextremem Hintergrund registriert – 58 mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig stieg auch die Zahl rechtsextremer Gewalttaten auf 105 Fälle, das sind 18 mehr als im Vorjahr. Diese zunehmende Gewaltbereitschaft bereite ihm “besondere Sorge”, sagte Schönbohm. Er wies aber darauf hin, dass bei rechtsextremen Gewaltdelikten die Aufklärungsquote der Polizei inzwischen bei 91 Prozent (2003: 82 Prozent) liege. “Es gibt praktisch kein Entkommen.” Als bedenklich bezeichnete Schönbohm außerdem den hohen Anteil von Ersttätern, der bei 80 Prozent liegt. Dies zeige, dass die Defizite vor allem in der Gesellschaft liegen.
Nach der Bilanz des Innenministeriums hat sich auch die Gesamtzahl politisch motivierter Gewalttaten erhöht, um 19 Prozent auf 1865 Fälle. Die von Schönbohm genannten Zahlen zur rechten Kriminalität übertreffen noch die Angaben, die der Tagesspiegel Anfang Januar aus Sicherheitskreisen erhielt. Der Verein Opferperspektive veröffentlichte eine selbst recherchierte Bilanz, in der von 134 einschlägigen Gewaltdelikten die Rede ist. Die Zahlen des Vereins, der sich seit Jahren um Opfer rechter Gewalt kümmert, nehmen die Sicherheitsbehörden inzwischen ernst. Experten der Polizei haben sich in diesem Jahr, wie früher schon, bei dem Verein nach dessen Fallzahlen erkundigt.
Der ehemalige Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, mahnte gestern, das Problem der rechten Kriminalität lasse sich mit Repression alleine nicht lösen. Wegesin forderte die Landesregierung auf, “die in der Koalitionsvereinbarung erwähnte Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte muss die gleiche Bedeutung erhalten wie die Repression”. Der Verein Opferperspektive befürchtet jedoch, dass genau das Gegenteil passiert und er kein Geld mehr vom Land bekommt. Im Justizministerium hieß es gestern, der Verein werde auch 2005 finanziell unterstützt, aber geringer als bisher. fan/thm
Extremisten immer gewalttätiger
Potsdam (dpa; MOZ) Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Brandenburg hat 2004 stark zugenommen. Sie sei um 18,7 Prozent auf 1865 Fälle gegenüber 1571 im Jahr davor angestiegen, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Mittwoch in Potsdam. Zu besonderer Sorge gebe das deutliche Anwachsen der politisch motivierten Gewalttaten um knapp 26 Prozent auf 131 Fälle Anlass. Im Jahr 2003 waren es 104.
Bei rechtsetremistischen Gewalttaten hat es demnach einen Anstieg um 18 auf 105 Delikte gegeben. Darunter seien auch zwei versuchte Tötungsdelikte gewesen, sagte Schönbohm. Beide seien inzwischen aufgeklärt. Beim Linksextremismus verzeichnete die Polizei eine Zunahme um acht auf 22 Delikte. Zugleich verwies Schönbohm auf eine hohe Aufklärungsrate. Diese habe sich um 13 Punkte auf 55 Prozent erhöht. Bei Gewalttaten sei eine Quote von 88 Prozent (2003: 72 Prozent) erzielt worden.
Für rechtsextremistische Gewalttaten betrage die Aufklärungsquote sogar 91 Prozent. “Die Wahrscheinlichkeit für rechte Gewalttäter, dingfest gemacht zu werden, ist damit außerordentlich hoch”, versicherte Schönbohm.
Trotz aller Anstrengungen sei es jedoch nicht gelungen, die politisch motivierte Kriminalität zurückzudrängen, räumte er ein. Er rief zu einer noch stärkeren Auseinandersetzung besonders mit dem Rechtsextremismus auf. Die polizeilichen Maßnahmen seien ausgereizt. Deshalb sei die gesamte Gesellschaft gefordert.
Starke Zunahme politisch motivierter Gewalt in Brandenburg
(RBB Online) Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Brandenburg ist deutlich gestiegen. Die Polizei habe 2004 fast 1900 derartige Delikte registriert, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Mittwoch in Potsdam mit. Das waren 18,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Propagandadelikte nahmen mit 73 Prozent den größten Anteil ein. 2004 kam es auch zu 97 Straftaten im Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf. 149 Fälle gingen auf die erstmalige Verfolgung des verbotenen Thor-Steinar-Logos zurück. Schönbohm rief zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit Extremismus, insbesondere dem Rechtsextremismus, auf.
Angesichts der Zahlen hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) den von der Landesregierung beschlossenen weiteren Personalabbau bei der Brandenburger Polizei kritisiert. Bis Ende der Legislaturperiode im Jahre 2009 sollen bei der Polizei mehr als 900 Stellen wegfallen.
Das sind nach Angaben des BDK etwa 600 mehr, als ursprünglich im Zuge der Polizeireform bis 2007 gestrichen werden sollten. Landeschef Wolfgang Bauch nannte es kurzsichtig, zudem die Zahl der Einstellungen in den Polizeidienst zurückzufahren. So stelle die Polizei in diesem Jahr gar nicht ein.