Frau Weyrauch, SPD, CDU und auch die PDS suchen derzeit etwas ratlos nach
einem angemessenen Umgang mit der rechtsextremen DVU im Landtag. Können Sie
weiterhelfen?
Ich denke, wir sollten erst einmal innehalten und uns fragen, was wollte uns
der Wähler sagen? Wenn ich mich im Land umgucke, stelle ich eine tiefe
Verunsicherung fest. Sie ist nicht nur Nebenprodukt eines Reformprozesses,
der dringend notwendig ist, sondern auch der internationalen Veränderungen -
in Amerika, im Irak, in den Niederlanden. Auf diese Verunsicherung gibt es
keine schnellen Antworten. Wir müssen signalisieren, dass wir gemeinsam mit
den Menschen auf der Suche sind.
Was bedeutet das praktisch?
Wir müssen eingestehen, dass Demokratie eine ganz, ganz verletzliche Sache
ist. Dass der Grundkonsens dieser Gesellschaft nicht einmal gesetzt wird und
dann für alle Zeiten gilt. Besonders in Ostdeutschland, wo oft der Wohlstand
als Kitt fehlt. Wir müssen alle — das ist das Wichtige besonders im Osten -
mit mehr Eigenverantwortung in diesen Prozess hineingehen, und nicht sagen,
das macht jetzt der Staat.
Und wie sollte man sich zur DVU verhalten?
Ich denke, es gibt Essentials, die wirklich klar sind: Wir müssen
rechtsextreme Parteien auch rechtsextrem nennen …
Diese Definition ist selbst in der PDS nicht unumstritten. CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sagt, die DVU sei allenfalls rechtsradikal …
Nein, die ist rechtsextrem. Dazu müssen wir uns genau die Programmatik
ansehen und benennen, wo sie den im Grundgesetz verankerten Grundrechten
entgegensteht. Vor allem aber müssen die zivilgesellschaftlichen
Aktivitäten — und es gibt eine ganze Menge — weiter gestärkt werden, bei der
Kinderbetreuung, an den Schulen, in der Freizeit. Es gibt ganz viele
Initiativen, die versuchen, demokratisches Bewusstsein zu schaffen. Wenn sie
nicht existiert hätten, würde es wahrscheinlich viel schlimmer aussehen. Da,
wo sich die Zivilgesellschaft zurückzieht, gehen die Rechten rein.
Aber war das nicht das Konzept der vergangenen zehn Jahre, von dem zumindest
die CDU-Fraktion sagt, es sei weitgehend gescheitert?
Ich warne davor, die gesamte Arbeit der Demokraten in diesem Land
kaputtzureden. Der eine fühlt sich durch die Repressionsstrategien des Herrn
Schönbohm angezogen und der andere durch das Aktionsbündnis gegen rechte
Gewalt. Wir müssen diese Vielfalt auch ertragen und nicht sagen: Ich bin der
Gute und weiß, wie es geht. Uns eint doch, dass wir diese Demokratie, dieses
Grundgesetz behalten wollen. Wir müssen das verteidigen.
Dennoch: Ist der Kontakt zu rechten Jugendkulturen verloren gegangen? Sind
Begriffe wie Heimat zu sehr tabuisiert worden?
Was Herr Lunacek sagt, ist auf jeden Fall nachdenkenswert. Es ist aber auch
nicht neu. Ich glaube, wir haben bestimmte identitätsstiftende Begriffe wie
Heimat oder Stolz auf das eigene Land außer Acht gelassen aus Angst, in die
falsche Ecke gerückt zu werden. Aber man muss sie positiv füllen, was nichts
mit “kleiner DDR” zu tun hat. Das können wir. Aber das macht richtig Arbeit,
das kostet auch Geld. Da reicht es nicht zu sagen, wir reißen den Rechten
die Maske vom Gesicht.
Gibt es eine Kooperation zwischen den Landtagsparteien und der
Landeszentrale?
Unsere Dienstleistung könnte vom Parlament auch mehr abgerufen werden.
Erreichen Sie als Landeszentrale überhaupt die Klientel, die anfällig für
den Rechtsextremismus ist?
Unsere Arbeit kann nicht kampagnenhaft erfolgen. Politische Bildung ist ein
sehr mühsames Geschäft. Es geht ja darum, die Menschen innerlich für
Argumente aufzuschließen. Deswegen arbeiten wir mit 120 freien Trägern
zusammen, die auf ganz unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet sind. Bei
allen Angeboten geht es um eine Stärkung der Demokraten. Es ist der Versuch
einer Immunisierung der Menschen gegen den rechten Populismus.
(Das Gespräch führte Andrea Beyerlein.)