(MAZ, Igor Göldner) POTSDAM Rein formal ist die Härtefallkommission in Brandenburg unstrittig.
Sie ist Willen der rot-schwarzen Koalition, auch wenn die CDU dem Gremium,
das sie noch vor der Wahl bekämpft hat, nur widerwillig zustimmte.
Ungeklärt allerdings ist, wie die Kommission, die sich um von Abschiebung
bedrohte Ausländer kümmern soll, zusammengesetzt ist. Offen ist, welche
Kompetenzen sie hat und welche Ausnahmen es für ein Bleiberecht von
Ausländern geben soll. In allen Punkten gehen die Meinungen von SPD und CDU
auseinander.
Zuständig in der Landesregierung ist das CDU-geführte Innenministerium von
Jörg Schönbohm. Es hat einen Vorschlag für eine “Verordnung” über die
Einrichtung einer Härtefallkommission vorgelegt. Diese soll aus humanitären
Gründen ein Bleiberecht für Ausländer gewähren können — gegebenenfalls auch
am Gesetzgeber vorbei. Das vierseitige Papier mit neun Paragraphen, das der
MAZ vorliegt, stößt bei der SPD auf Skepsis und teilweise auf Ablehnung.
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Britta Stark, sagt, die
Schönbohm-Verordnung sei “nicht liberal genug”. Es gebe “Diskussionsbedarf”.
Stark würde sich lieber am “Berliner Modell” der Härtefallkommission
orientieren, das der rot-rote Senat kürzlich vorgelegt hat.
Nach Vorstellungen Schönbohms soll die Kommission maximal acht Mitglieder
haben. Vorsitzender ist zugleich der Leiter der Geschäftsstelle, die beim
Innenministerium eingerichtet wird. Weitere Mitglieder sind die Vertreter
der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der
Flüchtlingsorganisationen. Zwei Sitze haben die kommunalen Spitzenverbände:
Städte- und Gemeindebund und Landkreistag. Das Sozialministerium kann die
Ausländerbeauftragte benennen. Einen Sitz hat das Innenministerium. Um einen
Einzelfall auf die Tagesordnung zu setzen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit
nötig. Für sonstige Entscheidungen genügt die einfache Mehrheit.
Die SPD sorgt sich bei dieser Zusammensetzung um die Unabhängigkeit. Das hat
im Vorfeld auch schon die PDS befürchtet. Das Gremium dürfe kein “Anhängsel
des Innenministers” werden. Britta Stark (SPD) fragt deshalb: “Warum muss
eigentlich zweimal das Innenministerium vertreten sein?” In Berlin sei kein
einziger Senator in der Härtefallkommission Mitglied.
Ein “Knackpunkt” ist für die SPD auch Paragraph 5: die “Ausschlussgründe”,
also mit welchen Ausländern man sich nicht befassen wird. Allein neun werden
aufgezählt — von falschen Angaben über eine eingeleitete Fahndung bis zur
Straffälligkeit.
Die CDU, was nicht sonderlich überraschend ist, bezeichnet das
Schönbohm-Papier als “sachgerecht und ausgewogen”. Der innenpolitische
Sprecher Sven Petke hob besonders die “Ausschlussgründe hervor. Kriminelle
Ausländer dürften “in keinster Weise” begünstigt werden, sagte er.
Die Zeit, sich in der Koalition zu einigen, drängt. Die Verordnung der
Landesregierung könnte am 2. Januar in Kraft treten. Die Innenpolitiker von
SPD und CDU werden ab heute beraten. Ende Dezember entscheidet das Kabinett.
Ein erster Fall könnte das Schicksal der vietnamesischen Familie Nguyen
sein, die seit 1990 mit zwei hier geborenen Kindern in Brandenburg lebt.
Ihre bereits verlängerte Aufenthaltsgenehmigung läuft Ende Januar ab.