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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Sammelunterkünfte auflösen!

In der großen Erstauf­nah­meein­rich­tung für Flüchtlinge in Dober­lug-Kirch­hain gibt es erste bestätigte Coro­n­afälle, in Pots­dam ste­hen nach mehreren Infek­tio­nen alle 116 Bewohner*innen ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft unter Quar­an­täne und auch Ober­hav­el meldet eine pos­i­tiv getestete Per­son in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft sowie mehr als 200 Bewohner*innen in Quar­an­täne, die heute getestet wer­den sollen.

Die ersten Coro­na-Fälle in Bran­den­burg­er Sam­melun­terkün­ften für Geflüchtete zeigen: Es muss jet­zt gehan­delt wer­den! Für einen wirk­samen Infek­tion­ss­chutz ist die Masse­nun­ter­bringung völ­lig ungeeignet und set­zt die Bewohner*innen einem hohen Risiko aus. Zahlre­iche Men­schen mit Behin­derun­gen, chro­nisch Kranke und andere Risiko­grup­pen leben weit­er­hin in den Masse­nun­terkün­ften. Um die dro­hende Quar­an­täne kom­plet­ter Heime zu ver­mei­den und die Geflüchteten vor ein­er Coro­n­ain­fek­tion best­möglich zu schützen, fordern wir:

Erstauf­nahme-Ein­rich­tun­gen leer ziehen!

Gemein­schaft­sun­terkün­fte entzer­ren und Men­schen dezen­tral unterbringen!

Risiko­grup­pen sofort raus aus den Sammelunterkünften!

Woh­nun­gen statt Lager!

Bran­den­burg hat Platz: Es muss jet­zt ein Rich­tungswech­sel stattfinden!
Zahlre­iche Flüchtling­sor­gan­i­sa­tio­nen kri­tisieren seit vie­len Jahren die Unter­bringung in Sam­melun­terkün­ften und fordern ein Recht auf ein selb­st­bes­timmtes Wohnen in Woh­nun­gen und Wohn­ver­bün­den. Die Unter­bringung in alter­na­tiv­en Wohnorten ist mach­bar. Coro­na macht noch ein­mal deut­lich: Es ist endlich an der Zeit, dass die Lan­desregierung Konzepte für eine Unter­bringung in Woh­nun­gen erar­beit­et und nicht weit­er­hin auf Masse­nun­ter­bringung setzt.
Um die Bewohner*innen der Sam­mel­lager kurzfristig zu schützen, kön­nen aber auch Kapaz­itäten im Touris­mussek­tor prag­ma­tisch genutzt wer­den. So kön­nten Szenar­ien, wie in anderen Bun­deslän­dern bere­its aufge­treten, ver­mieden wer­den: 244 pos­i­tiv getestete in Ell­wan­gen, Quar­an­täne für jew­eils hun­derte von Men­schen in Unterkün­ften in Hal­ber­stadt (Hunger­streik), Suhl und Bre­men. Diese Beispiele zeigen, was passieren kann, wenn Men­schen auf eng­stem Raum zusam­men leben müssen.
Die Posi­tion des Sozialmin­is­teri­ums, Vol­lquar­an­tä­nen ganz­er Unterkün­fte wenn möglich ver­mei­den zu wollen (Rund­schreiben 02/2020 des MSGIV), ist zwar begrüßenswert — bleibt aber ein leeres Ver­sprechen, wenn weit­er­hin viele Men­schen gezwun­gen sind auf engem Raum miteinan­der zu leben und löst auch das langfristige Prob­lem der Masse­nun­ter­bringung nicht.
Während die Stadt Pots­dam bere­its Geflüchteten und Obdachlosen in der Coro­n­akrise Bet­ten in Pen­sion­sz­im­mern zur Ver­fü­gung stellte und auch aus der Unterkun­ft in der Zep­pelin­straße nach Bekan­ntwer­den der Infek­tio­nen umge­hend umverteilt wurde, sodass alle auf das Virus neg­a­tiv getesteten Per­so­n­en sich seit let­zter Woche in einem Hotel oder Woh­nun­gen befind­en, leben zahlre­iche Geflüchtete in den Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen und den anderen Sam­melun­terkün­ften des Lan­des weit­er­hin auf eng­stem Raum zusam­men und sind damit per­ma­nent ein­er Gefährdung aus­ge­set­zt (Märkische All­ge­meine, 9.4.2020, „Bewohn­er in Asyl­heim in Quar­an­täne“; PNN, 10.4.2020).

Sit­u­a­tion in der Außen­stelle der Erstauf­nahme Dober­lug-Kirch­hain spitzt sich zu
In der Erstauf­nah­meein­rich­tung Dober­lug-Kirch­hain mit 474 Bewohner*innen wur­den bish­er min­destens drei Per­so­n­en pos­i­tiv auf Coro­na getestet und sind in einem Con­tain­er unter Quar­an­täne gestellt. Bewohner*innen bericht­en, dass sich 15 weit­ere Men­schen in Quar­an­täne im fün­ften Stock des Fam­i­lienge­bäudes befind­en. Eine indi­vidu­elle Quar­an­täne sei dort jedoch nicht möglich: So teilen sich neg­a­tiv Getestete, die auf das Ende ihrer Quar­an­täne warten, mit Per­so­n­en, die noch ihr Testergeb­nis abwarten, Bad und Küche. Doch statt durch dezen­trale Umverteilung in kleinere Unterkün­fte mehr Platz für Quar­an­tänean­forderun­gen zu schaf­fen, set­zt die zen­trale Aus­län­der­be­hörde auf Abschot­tung: So wur­den mit Unter­stützung der Bun­deswehr Zelte auf dem Gelände aufge­baut (Lausitzer Rund­schau 9.4.2020), die einzige Busverbindung in den 5 km ent­fer­n­ten Ort wurde eingestellt.

Bewohner*innen rech­nen damit, dass es immer mehr Quar­an­täne- sowie Coro­n­afälle geben wird. „Wichtig ist uns: Wir brauchen Trans­parenz über die Zahlen der pos­i­tiv und neg­a­tiv Getesteten. Und auch darüber, wo sie alle unterge­bracht wer­den sollen“, sagt eine Bewohner­in. Eine andere erk­lärt: „Wir sind hier an einem Ort mit vie­len Begren­zun­gen unterge­bracht. Bäder, Küchen und Toi­let­ten sind beson­ders mor­gens über­füllt. Die Sit­u­a­tion wird sich während der Ramadan-Zeit ab dem 24. April noch ver­schlim­mern.“ Für jew­eils 50 Per­so­n­en ste­ht nur eine Küche zur Selb­stver­sorgung zur Ver­fü­gung. 70% der Bewohner*innen sind Mus­lime, die während des anste­hen­den Fas­ten­monats täglich auf ein bes­timmtes Zeit­fen­ster zum Essen und dessen Zubere­itung angewiesen sind. Prob­leme, den benötigten Abstand einzuhal­ten, sind unter diesen Bedin­gun­gen vor­pro­gram­miert. Auch bei der Inter­net­nutzung ist die notwendi­ge Dis­tanz schwierig einzuhal­ten, denn WLAN ist, wenn über­haupt, nur in bes­timmten Bere­ichen verfügbar.

Kontakt:

Flüchtlingsrat Bran­den­burg: +0331 71 64 99; info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
We’ll Come Unit­ed Berlin/Brandenburg: 0163 1601783; community@welcome-united.org
Für Fra­gen zur aktuellen Sit­u­a­tion geflüchteter Men­schen mit ein­er Behin­derung in Sam­melun­terkün­ften: Hand­i­cap Inter­na­tion­al: +030 28043926; k.dietze@hi.org
Dober­lug-Kirch­hain Vere­int, Diana Stein­born: 0173 4802479; dk.vereint@gmail.com; Ini­tia­tive für Begeg­nung und Flüchtling­shil­fe in Doberlug-Kirchain

Gemein­same Pressemit­teilung von
Flüchtlingsrat Bran­den­burg, We‘ll Come Unit­ed Berlin Bran­den­burg, Hand­i­cap Inter­na­tion­al e.V, Inter­na­tion­al Women* Space, Women in Exile & Friends, Refugees Eman­ci­pa­tion, Kom­m­Mit e.V., Asyl in der Kirche Berlin-Bran­den­burg e.V., Refugee Assem­bly Bran­den­burg, Wir packen’s an e.V. – Nothil­fe für Geflüchtet, Jugendliche ohne Gren­zen Bran­den­burg, Refugee Law Clin­ic Berlin, Barn­im für alle, See­brücke Pots­dam, Flüchtlings­ber­atungsstelle des ev. Kirchenkreis­es Oberes Havel­land, ESTArup­pin e.V, Geflüchteten Net­zw­erk Cot­tbus, Migranten­beirat der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, Vor­stand des Aktions­bünd­nis Bran­den­burg, Bürger*innenasyl Barn­im, SV Babels­berg 03, Brigade Kon­rad Wolf, Dober­lug-Kirch­hain VerE­in, Alter­na­tives Jugend­pro­jekt 1260 e.V., S, Straus­berg, Net­zw­erk neue Nach­barn Werder, The­ater X, Aktions­bünd­nis „Offenes MOL“ Märkisch Oder­land, Space2groW, colab­o­ra­tive Reichenow e.V., Kul­tur in der Alten Schäfer­ei e.V. Reichenow, Haus des Wan­dels e.V. Stein­höfel-Hein­ers­dorf, Demokratis­ches Jugend­fo­rum e.V., Dr. med. Nora Waw­erek, Fachärztin für All­ge­mein­medi­zin, Lunow, Dipl.Med. Almut Berg, Fachärztin für All­ge­mein­medi­zin und Psy­chother­a­pie, Lunow, Dr. Ver­be­na Bothe

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