Ein aus Sierra Leone stammender Mann fühlt sich im brandenburgischen Prenzlau nicht mehr sicher, nachdem er vor gut zwei Wochen brutal zusammengeschlagen wurde. Aus Furcht vor weiteren Angriffen möchte er in die Landeshauptstadt Potsdam umziehen. Die Ausländerbeauftragte des Landes unterstützt ihn dabei.
Eigentlich schien der Fall schnell gelöst: Nur wenige Stunden, nachdem Neil D. in der Nacht zum 16. August auf offener Straße mit Schlagring und Knüppeln niedergeprügelt worden war, nahm die Polizei drei tatverdächtige junge Männer und eine Frau fest. Die Staatsanwaltschaft in Neuruppin rechnet sie der rechten Szene zu, einer der Männer ist mehrfach wegen Gewaltdelikten aufgefallen. Die Justiz griff konsequent durch: Drei der mutmaßlichen Angreifer sitzen in Untersuchungshaft.
Doch Neil D., der seit zweieinhalb Jahren im Prenzlauer Flüchtlingsheim lebt, hat weiterhin große Angst. “Prenzlau ist eine kleine Stadt, und die kennen mich”, sagt der 34-Jährige. “Die”, damit meint D. Freunde der Täter. Dass während des Überfalls mehrere Autos vorbeigefahren seien, ohne dass die Fahrer reagierten, hat sein Vertrauen in die Prenzlauer noch weiter erschüttert.
Nur in seiner Unterkunft fühlt sich Neil D. noch einigermaßen sicher. Er verlässt sie nur, wenn er einkaufen oder zu Behörden gehen muss. Neil D. schläft schlecht. “Ich will weg”, sagt er.
Helfer des Vereins “Opferperspektive”, die sich um Neil D. kümmern, sind überzeugt, dass ihn der brutale Angriff traumatisiert hat. Es sei am besten, ihn nach Potsdam zu verlegen, meint Vereinsmitglied Claudia Luza. Denn dort gibt es, ebenso wie in Berlin, Psychologen, die sich um Opfer rassistischer Gewalt kümmern.
Zudem nehmen die Helfer einen Vorfall sehr ernst, der sich nach Darstellung von Neil D. eine Woche nach dem Überfall ereignet hat. Vor einem Supermarkt hätten zwei Männer auf ihn gewartet und ihn beschimpft: “Scheiß Neger, du bist schuld, dass unsere Freunde im Knast sitzen.” Und sich mit der Drohung verabschiedet: “Wir kriegen dich.”
Die Polizei hat keine Zeugen für diese Pöbelei gefunden. Polizeisprecher Ingo Heese sagt deshalb: “Das mit der Bedrohung ist nicht ganz rund.” Im Allgemeinen gehe es in Prenzlau auch gar nicht so gefährlich zu, beteuert er. “Schlimme” ausländerfeindliche Übergriffe wie der auf D. kämen nur selten vor. Eigentlich lebten Flüchtlinge hier sicher — weshalb die Attacke auch nicht zum Anlass genommen wurde, das Asylbewerberheim zusätzlich zu sichern: “Wir schauen wie immer regelmäßig vorbei. Aber wir gehen davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handelt.”
Almuth Berger, Ausländerbeauftragte der Landesregierung in Potsdam, hält einen Umzug von Neil D. trotzdem für richtig. Obwohl die Aufnahmestellen der Landeshauptstadt ausgelastet sind, will Berger beim amtierenden Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für den Flüchtling aus Sierra Leone eine Ausnahmeerlaubnis erreichen. Dass die Prenzlauer Rechtsextremen sich die Hände reiben dürften, wenn D. die Stadt verlässt, nimmt die Ausländerbeauftragte in Kauf: “Man kann es nicht verantworten, auf dem Rücken eines einzelnen Opfers einen Kampf um Toleranz vor Ort zu führen.”
Neil D. hofft nun, Prenzlau möglichst schnell verlassen zu dürfen. Dass örtliche Ausländerfeinde durch strenges Vorgehen gegen seine mutmaßlichen Peiniger zur Räson gebracht werden, glaubt er nicht. Im Gegenteil, fürchtet er: “Wenn die hart bestraft werden sollten, dann hassen mich die Rechten doch noch viel mehr.”
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