POTSDAM Das Tückische ist diese Angst. Sie nagt und lähmt und trennt. “Gewaltopfer haben massive Ängste, oft trauen sich nicht mehr aus der Wohnung, nicht mehr auf bestimmte Plätze”, sagt Rosmarie Priet. Das Erlebnis der Gewalttat “schafft eine große Distanz zu anderen Menschen”, erklärt die Diplom-Psychologin. Sie leitet die Opferberatung in der Potsdamer Gutenbergstraße, eine von fünf Kontaktadressen des Vereins zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs Brandenburg e.V.
Justizministerin Barbara Richstein (CDU), die den Opferschutz besonders fördern will, hat dem Verein gestern eine Förderurkunde über 161 700 Euro ausgehändigt. “Damit können wir wieder ein Jahr arbeiten”, freute sich Opferberaterin Priet. 260 Rat suchende Opfer haben allein im vergangenen Jahr die fünf Mitarbeiterinnen des Vereins aufgesucht, dabei wurden mehr als 1300 Beratungsgespräche geführt. Seit der Gründung des Vereins 1995 haben etwa 1000 Menschen in mehr als 4000 Gesprächen die Hilfe des Vereins kostenlos in Anspruch genommen. “Wir wollen ihnen helfen, damit die Opfer aus ihrer Hilflosigkeit wieder heraustreten und ihr Leben wieder selbst bestimmen können”, sagt Priet.
Meistens sind es Frauen, die den Weg in die streng vertraulich arbeitenden Beratungsstellen in Potsdam, Brandenburg/Havel, Cottbus, Senftenberg und neuerdings auch Frankfurt (Oder) finden. Oft sind sie in der eigenen Wohnung vom Partner geschlagen oder missbraucht worden. “Viele schämen sich”, weiß die Psychologin — ein Grund dafür, dass 30 Prozent der Opfer ihre Peiniger nicht bei der Polizei anzeigen. Ein Prozess würde die Tat öffentlich machen, die sie als Demütigung empfinden und an der sich häufig zerbrechen. Viele Opfer sind traumatisiert.
In jüngster Zeit haben die Berater verstärkt mit potentiellen Opfern rechtsextremer Gewalt zu tun. Immer wieder kommt es vor, dass vor Gerichtsverhandlungen Zeugen extremistischer Straftaten durch Drohgebärden eingeschüchtert werden. Für Asylbewerber und Migranten sei dies in manchen Städten mit einer latent fremdenfeindlichen Grundstimmung “ein generelles Problem”, berichtet Priet. Zwar werde nur in den seltensten Fällen zugeschlagen, “doch die Zeugen wissen, wozu die Täter fähig sind”. Der Verein versucht auch , den Opfern die Angst vor der Rache zu nehmen.
Ministerin Richstein wirkt generell bemüht, den Opferschutz in Brandenburg zu stärken. Dazu soll, wie sie sagte, ein Finanzfonds aus Spendengeldern eingerichtet werden. Wirtschaftsunternehmen mit Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft könnten zur Einzahlung ermuntert werden. Sie selbst habe seit ihrer Amtseinführung vor vier Wochen schon mit etwa 20 Firmen und Unternehmern Vorgespräche geführt. Offenbar halten sich jedoch die Unternehmen derzeit mit verbindlichen Finanzzusagen zurück. “Nach dem Hochwasser haben viele schon gespendet”, dämpft Richstein zu viel Zuversicht.