berliner morgenpost:
Schönbohm: Kampf gegen den Terror größte Herausforderung
Brandenburgs Verfassungsschutz stellt Islamwissenschaftler ein
Potsdam — In Brandenburg gibt es derzeit keine Anhaltspunkte für geplante terroristische Anschläge. Dennoch bleibe die Bekämpfung des Terrorismus die größte Herausforderung für die Gesellschaft, sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2001.
Die nach den Anschlägen vom 11. September gegründete Task Force prüfe alle Hinweise, die auf terroristische Strukturen hindeuten könnten. Heiner Wegesin, Chef der Abteilung Verfassungsschutz, kündigte die Einstellung von elf zusätzlichen Experten für die Terrorismusbekämpfung an. Dazu zählen unter anderem mehrere Islamwissenschaftler.
Eine weitere Herausforderung sieht Schönbohm in der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Mit schnellen Erfolgen sei auf diesem Gebiet aber nicht zu rechnen, sagte der Innenminister. 1370 Personen zählten zum rechtsextremistischen Potenzial im Land. Ein Jahr zuvor waren es noch 1490. Ursachen für den Rückgang sieht Schönbohm in Mitgliederverlusten bei den Republikanern, der DVU und der NPD.
Dennoch ist die mit rund 600 Personen gewaltbereite rechte Skinheadszene, trotz vieler Aussteiger, konstant geblieben.
Nicht existent im Land sei brauner Terrorismus. Den Anschlag auf die Eingangshalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam vom Januar 2001 ordnen die Behörden einer Kleinstgruppe zu.
Nach einer Umfrage eines Berliner Meinungsforschungsinstituts ist Brandenburg inzwischen nicht mehr das fremdenfeindlichste Bundesland, sondern nimmt einen Platz im oberen Mittelfeld ein. Dies lasse hoffen, sei aber kein Grund zur Entwarnung, so Schönbohm.
Eine Zunahme registrierten die Verfassungsschützer im Bereich des Linksextremismus, dessen aktive Mitgliederzahl sich von 605 auf 670 erhöht hat. Der Zuwachs gehe auf das Konto der gewaltbereiten Autonomen. Dieser Szene gehörten rund 400 Personen an, im Jahr 2000 waren es 360. Nach Ansicht von Schönbohm habe die Szene ein erhebliches Sympathisantenumfeld. Der Schwerpunkt der Szene liege in Potsdam. Auch wenn die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes in der Vergangenheit eher dem Rechts‑, als dem Linksextremismus gegolten habe, dürfe das linke Gewaltpotenzial «nicht unterschätzt oder gar vernachlässigt werden», mahnte Jörg Schönbohm.
Linksextremistische Parteien und Vereinigungen zählten im vergangenen Jahr in Brandenburg 295 Mitglieder. Gegen die PDS-Gruppierung «Kommunistische Plattform» werde in Brandenburg vom Verfassungsschutz praktisch nicht vorgegangen, da keinerlei Strukturen existierten. Dennoch besitze die Gruppe «keine Narrenfreiheit» und werde im Falle einer Gruppierung «neu bewertet».
Im Bereich des Ausländerextremismus standen im vergangenen Jahr 115 Personen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Mehr als die Hälfte gehörten der Kurdenorganisation PKK an.
Auch 2001 war Brandenburg ein Tummelplatz für ausländische Spione. Sie kamen sowohl aus östlichen als auch westlichen Ländern. Ihr besonderes Interesse galt Unternehmen des High-Tech-Bereichs.
Schönbohm kündigte an, die Position des Verfassungsschutzes mit 24 neuen Stellen zu verstärken.
berliner zeitung:
Rund 600 gewaltbereite Skinheads
Verfassungsschutz vor neuen Herausforderungen
POTSDAM. Brandenburgs Verfassungsschutz orientiert sich neu. Vor den Terroranschlägen des 11. September beschäftigten sich die Mitarbeiter zu “70 bis 80 Prozent” mit den rechtsextremistischen Strukturen im Land, sagte Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin am Freitag in Potsdam. Nun komme die Bekämpfung des internationalen Terrorismus als große Herausforderung hinzu. Derzeit laufen laut Wegesin die Sicherheitsüberprüfungen der elf neuen Mitarbeiter im Verfassungsschutz. Der Landtag hatte die Stellen nach den Terroranschlägen in den USA bewilligt. “Bei den neuen Mitarbeitern handelt es sich vor allem um Islam- und Religionswissenschaftler mit Auslandserfahrung”, sagte Wegesin. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte, dass “Brandenburg wegen der Berlin-Nähe nicht zum Ruheraum für Terroristen” werden dürfe.
Schönbohm betonte, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus weiter im Mittelpunkt stehe. Im Jahr 2001 zählten die Behörden insgesamt 356 rechtsextremistisch motivierte Straftaten, davon 67 Gewalttaten, 162 fremdenfeindlich motivierte Straftaten und 110 antisemitische Straftaten. Wegen einer stark veränderten Zählweise ist ein direkter Vergleich mit dem Vorjahr nicht möglich. Schönbohm sagte aber, dass sich insgesamt eine Rückläufigkeit der rechtsextremen Einstellungen unter Jugendlichen und entsprechender Straftaten andeute. Dennoch geht Schönbohm weiter von einer relativ konstanten Zahl von 600 gewaltbereiten Skinheads in Brandenburg aus.
Bei der Überwachung politischer Parteien schloss Schönbohm nicht aus, dass künftig Teile der PDS vom Verfassungsschutz observiert werden könnten: “Für Gruppierungen wie die Kommunistische Plattform gibt es keine Narrenfreiheit”, sagte Schönbohm.
lausitzer rundschau:
Verfassungsschutz mit mehr Schlagkraft
Vorrang hat Kampf gegen Terrorismus und Rechts
Trotz des mysteriösen Cessna-Fluges vom Oktober 2001 über dem Hahn-Meitner-Institut und Hinweisen auf einen terroristischen Hintergrund will das Land Brandenburg die Sicherheitsvorkehrungen auf den märkischen Regional- und Feldflughäfen nicht weiter verschärfen. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) verwies bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes darauf, dass nach dem 11. September bereits entsprechende Konsequenzen für die Luftsicherheit gezogen worden seien. “Was in Brandenburg geschieht, reicht aus”, sagte Schönbohm.
Er räumte aber ein, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf märkischen Flughäfen zumindest “nicht so stringent sind, wie es sich manche Sicherheitsexperten wünschen.” Aus Berlin hatte es in der Vergangenheit Forderungen nach strengeren Kontrollen auf den Umland-Flughäfen gegeben. Schönbohm bezeichnete die Abwehr von Terrorismus und Rechtsextremismus als wichtigste politische Aufgaben in Brandenburg. Vor diesem Hintergrund werde gegenwärtig der Verfassungsschutz um elf Mitarbeiter aufgestockt, darunter Islamspezialisten. Zwar gibt es keine Hinweise auf konkret geplante Terroranschläge, sagte Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin. Doch bestehe Gefahr, dass Brandenburg zum Rückzugsraum für potenzielle Terroristen werden könnte.
115 Personen werden beobachtet
Im Land werden laut Verfassungsschutzbericht derzeit 115 Personen beobachtet, die ausländer-extremistischen Organisationen zuzurechnen sind. “Brauner Terrorismus” existiere im Land nicht. Allerdings tappen die Ermittlungsbehörden offenbar immer noch im Dunkeln, wer am 8. Januar 2001 den Brandanschlag auf die Eingangshalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam verübt hat. Zu dem Anschlag hatte sich eine Gruppierung namens “Nationale Bewegung” bekannt. Der Verfassungsschutzbericht zählt zum rechtsextremistischen Potenzial in Brandenburg derzeit rund 1370 Personen 120 weniger als im Vorjahr. Schönbohm betonte, dass “mit schnellen Erfolgen” auf diesem Gebiet nicht zu rechnen sei. Zwar habe Brandenburg den Spitzenplatz unter den Bundesländern in der Fremdenfeindlichkeit nach einer Umfrage des Berliner Meinungsforschungsinstitut USUMA abgegeben, so Schönbohm. Doch liege das Land immer noch im oberen Mittelfeld, sei die Anfälligke
it junger Leute für rechtsextremes Gedankengut weiterhin hoch.
Gewaltbereite autonome Szene
Die linksextremistische Szene zählt in Brandenburg laut Bericht 605 Mitglieder, 65 weniger als im Vorjahr, meist gewaltbereite Autonome. “Das Milieu kann auf ein erhebliches Symphatiesantenumfeld zurückgreifen. Schwerpunkt ist Potsdam.” Brandenburg, darauf weist der Verfassungsschutz ausdrücklich hin, rückt zunehmend ins Visier internationaler Nachrichtendienste aus Ost und West. Sie schreckten selbst dann nicht vor Spionage zurück, “wenn dadurch die ansonsten gute politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Ländern gefährdet werden könnte”. Auf die Frage, ob das Frankfurter Halbleiterinstitut (IHP) und der Chipfabrik-Hersteller Commicant von Industriespionage durch ausländische Dienste bedroht sei, antwortete Wegesin: “Abstrakt Ja, wie jede High-Tech-Firma.”