(Peter Tiede, Tagesspiegel) Potsdam/Strausberg — Das Land Brandenburg hat am Donnerstag erneut eine rechtsextremistische Vereinigung verboten, die illegale Skinheadkonzerte und Auftritte rechtsradikaler Bands in Brandenburg und Berlin organisiert haben soll. Am Donnerstagmorgen durchsuchten mehr als 100 Beamte von Polizei, Verfassungs- und Staatsschutz 19 Wohnungen von 18 Mitgliedern des Vereins „ANSDAPO“ in der Region Strausberg und zwei Wohnungen in Berlin. Es seien Waffen, Propagandamaterial, Hitlerbüsten und illegale Musik-CDs beschlagnahmt worden, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) mit. Hintergrund des Verbots sei die Wesensverwandtschaft der Gruppe mit dem Nationalsozialismus.
Die Kameradschaft habe ihre Abkürzung ANSDAPO bei einem – fehlgeschlagenen – Versuch einer Vereinsgründung mit „Alternative Nationale Strausberger Dart‑, Piercing- und Tattoo-Offensive“erklärt. Offensichtlich aber steht im Zentrum der Abkürzung „NSDAP“. Als Symbol benutzte die Gruppe eine schwarze Sonne, die in der Szene als Ersatz für die verbotene SS-Rune gilt.
Bei der Razzia wurde auch das Zimmer des 21-jährigen Sohnes der Fraktionschefin der rechtsextremen DVU, Liane Hesselbarth, durchsucht. Er wohnt im Hause seiner Mutter. Die DVU sitzt mit sechs Abgeordneten im Brandenburger Landtag. Nach Erkenntnissen des Staatsschutzes waren Mitglieder der ANSDAPO auch auf Festen der DVU anwesend. Dabei hätten sie auch Kleidungsstücke mit dem Schriftzug ANSDAPO getragen. Hesselbarths Sohn soll in der Kameradschaft als Kassenwart fungiert haben. Auch in seinem Zimmer sei umfangreiches Propaganda-Material der rechtsextremen Szene sichergestellt worden, hieß es.
Liane Hesselbarth war gestern nicht zu erreichen. Sie sei im Urlaub, hieß es bei der Brandenburger DVU. Die DVU-Zentrale in München erklärte, es bestehe keine Verbindung der rechtsextremen Partei zur ANSDAPO. Bei Feiern achte man nicht auf „irgendwelche Schriftzüge, die wir nicht kennen“, sagte DVU-Sprecher Bernhard Dröse in München.
Mitglieder der ANSDAPO waren nach Ansicht der Ermittler an mehreren Straf- und Gewalttaten beteiligt, die sich unter anderem gegen den linken Strausberger Jugendklub „Horte“ und einzelne Klubbesucher richteten. So drangen fünf Mitglieder der ANSDAPO im Januar 2005 in den linken Jugendklub ein. Als sie sich weigerten zu gehen, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Im Jahre 2000 waren Klubbesucher von ANSDAPO-Mitgliedern angegriffen und geschlagen worden.
Dem Verein waren Brandenburgs Sicherheitsbehörden bereits seit geraumer Zeit auf der Spur. Erstmals war er am 7. November 1998 aufgefallen, als Vereinsmitglieder mit dem Schriftzug auf einem Konzert der rechten Szene auftauchten, sagte Schönbohm. Danach hatten sich solche Beobachtungen gehäuft. Zunehmend seien Vereinsmitglieder auch straffällig geworden. Zunächst meist durch Zeigen und Verwenden von verfassungsfeindlichen Zeichen und Symbolen. Ab 2000 auch mehrfach wegen Gewaltdelikten.
Die ANSDAPO ist die vierte rechtsextreme Kameradschaft, die in Brandenburg verboten worden ist. Erst im April hatte Innenminister Schönbohm die Kameradschaft „Hauptvolk“ und deren Untergliederung „Sturm 27“verboten.
Brandenburg verbietet rechte Kameradschaft
Ermittlungen gegen Sohn von DVU-Landtagsabgeordneter — Wohnungsdurchsuchungen auch in Berlin
(Gudrun Mallwitz, Die Welt) Potsdam — In Brandenburg ist erneut eine Neonazi-Kameradschaft verboten worden. Die “ANSDAPO” aus dem Raum Strausberg soll der rechtsextremen DVU nahe stehen. Sie war im August vorigen Jahres unter der Tarnbezeichnung “Alternative Nationale Strausberger Dart Piercing und Tattoo Offensive” gegründet worden.
“Bereits der Name weist unverkennbar auf die Nähe zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Auslandsorganisation hin”, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).
Die Verbotsverfügung war den 18 Mitgliedern bei einer Razzia am Morgen in Berlin und Brandenburg zugestellt worden. Bei 21 Wohnungsdurchsuchungen vor allem in und um Strausberg (Märkisch-Oderland) sowie in Berlin stellten die rund 100 Beamten Waffen, scharfe Munition sowie Propagandamaterial, Musik-CD‘s und Hitlerbüsten sicher. In einer Wohnung fanden die Ermittler eine Panzersprenggranate aus dem 2. Weltkrieg.
Laut Schönbohm ergaben sich Hinweise auf Verbindungen zu der als terroristisch bewerteten Kameradschaft Freikorps in Nauen.
Betroffen von der Razzia waren auch Räume im Haus der Fraktionsvorsitzenden der DVU im Landtag, Liane Hesselbarth. Die Ermittlungen richten sich gegen den 21 Jahre alten Sohn der DVU-Abgeordneten. Er habe in der Kameradschaft eine Funktion inne, sagte Schönbohm.
Laut Brandenburger Verfassungsschutz gab es zwischen DVU und “ANSDAPO” Kontakte. Der Verfassungsschutz beobachtet die DVU je nach Lage.
Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber sagte, die ANSDAPO weise eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Die Vereinigung betrachte sich als “Speerspitze des neuen Nationalsozialismus”. Die Mitglieder fielen immer wieder durch Straftaten wie Raub und Körperverletzung sowie Hausfriedensbruch auf. Sie sollen Schlägereien mit Jugendlichen provoziert haben, sagte der Präsident des Frankfurter Polizeipräsidium, Klaus Kandt. Dazu seien sie wiederholt öffentlich, durch die Kleidung deutlich sichtbar, als organisierter Verband aufgetreten. Vereinszeichen war der Schriftzug ANSDAPO über einer schwarzen Sonne, die auf T‑Shirts getragen wurde. Die “Schwarze Sonne” dient der rechtsextremistischen Szene als Ersatzsymbol für die verbotene Doppel-Sig-Rune der SS.
Die verbotene Kameradschaft, deren Mitglieder zwischen 20 und 25 Jahre alt sind, hat zudem auch Konzerte mit rechtsextremistischer Musik in Brandenburg und Berlin organisiert. “ANSDAPO” soll auch enge Kontakte zu der verbotenen Neonazi-Musikband “Landser” gehalten haben.
Zeichen der Finsternis
Verbotene Neonazi-Kameradschaft mit Nähe zur DVU agitierte jahrelang im Geiste der SS
(FRANK SCHAUKA, MAZ) POTSDAM/STRAUSBERG Das brandenburgische Innenministerium hat gestern früh die neonazistische Kameradschaft “ANSDAPO” verboten. Der aus 18 Mitgliedern bestehenden Gruppe, die nach Informationen der MAZ Kontakte zur rechtsextremen DVU unterhält, wird eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus vorgeworfen. Die Mitglieder brachten ihre antidemokratische, rassistische und antisemitische Gesinnung auch darin zum Ausdruck, dass sie in der Öffentlichkeit in Anspielung auf die NSDAP uniformähnliche Kleidung mit der Aufschrift ANSDAPO trugen. In dieser Montur waren beispielsweise elf Mitglieder der Gruppe im Juni 2004 beim Sommerfest der DVU in Seefeld (Barnim) zu Gast. “Für Neonazi-Propaganda und Rassenhass gibt es in unserem Land keinen Platz”, betonte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in Potsdam im Anschluss an die Razzia.
Ab fünf Uhr waren gestern mehr als 100 Polizeibeamte im Einsatz und durchsuchten wenigstens 24 Wohnungen in Strausberg und Umgebung, Rüdersdorf (Märkisch-Oderland), Wildau (Dahme-Spreewald) sowie Berlin. Betroffen waren auch Räume im Hause der rechtsextremen DVU-Landtagsabgeordneten Liane Hesselbarth in Strausberg. Diese Durchsuchung richtete sich gegen den im Elternhaus lebenden 21-jährigen Sohn der Politikerin. Wie der Fraktionschefin der rechtsextremen DVU das neonazistische Treiben ihres Sohnes entgehen konnte, ist den Sicherheitsbehörden ein Rätsel.
Bei den zumeist 20 bis 25 Jahre alten Mitgliedern der Kameradschaft wurden laut Schönbohm zahlreiche Kleidungsstücke und Dokumente gefunden, die “erheblich vom Gedankengut des Nationalsozialismus gepräg
t” sind. Haftbefehle wurden bisher jedoch nicht beantragt. Die konfiszierten Gegenstände würden noch ausgewertet, so der Minister. Neben Messern wurde in einer Wohnung auch eine scharfe Panzersprenggranate gefunden, die vermutlich aus dem Zweiten Weltkrieg stammt, betonte der Polizeipräsident von Frankfurt (Oder), Klaus Kandt, in dessen Zuständigkeitsbereich die seit Monaten vorbereitete Polizeiaktion vorwiegend stattfand.
Die ebenfalls beschlagnahmten zahlreichen CDs mit neonazistischer Musik deuten auf den Betätigungsschwerpunkt der Kameradschaft hin. Seit Jahren hat die ANSDAPO immer wieder Konzerte mit Neonazi-Bands veranstaltet. Wie ein Transmissionsriemen, über den rechtsextreme Inhalte in die Köpfe von Jugendlichen bewegt werden, beschrieb Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber gestern die Wirkungsweise der ANSDAPO. Die Kameradschaft sei an der für Manipulationsversuche idealen Nahtstelle zwischen harter Neonazi-Ideologie und unorganisierter Skinhead-Freizeitszene aktiv gewesen, erläuterte Gordian Meyer-Plath, Referatsleiter für Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz.
Besonders nützlich waren dabei die engen Beziehungen, die die ANSDAPO seit Jahren zum Sänger und Texter der verbotenen neonazistischen Musikband “Landser”, Michael Regener, unterhielt. “Landser” ist die einzige Musikgruppe, die bisher als kriminelle Vereinigung eingestuft ist. In letzter Gerichtsinstanz hatte der Bundesgerichtshof im März 2005 diese 2003 vom Berliner Kammergericht gewählte Klassifizierung bestätigt. Nach Erkenntnissen des Gerichtes hatten die selbsternannten “Terroristen mit E‑Gitarre” Ausländer, Juden und Andersdenkende verunglimpft. Auf ihrer CD “Ran an den Feind” rief “Landser” sogar zum Mord an Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sowie anderen prominenten Gegnern rechtsextremer Ideologie auf.
Gemeinsam war ANSDAPO und “Landser” auch der vermeintlich elitäre Gestus. Die Kameradschaft gab sich den Dünkel eines exklusiven Clubs, dem Nachwuchs-Neonazis — nach einer Probezeit — nur auf Vorschlag eines Mitglieds beitreten durften. Die monatlichen Mitgliedsbeiträge betrugen nach Information der MAZ fünf bis 20 Euro. Mit dem Geld wurden überwiegend Gruppenreisen zu Neonazi-Konzerten bezahlt.
Mitglieder der ANSDAPO haben nicht nur den Nationalsozialismus propagiert und gegen die Völkerverständigung agitiert. Vereinzelt traten Mitglieder auch durch Körperverletzungen und Raub in Erscheinung. Im Jahr 2000 hatte ANSDAPO-Neonazi Daniel H. gleich zweimal linksorientierte Jugendliche angegriffen. Ohne Vorwarnung schlug Daniel H. am 30. Mai 2000 einem potentiellen Besucher des alternativen Strausberger Jugendclubs “Horte” mehrfach mit der Faust ins Gesicht und drohte: “Wenn ich dich noch mal hier sehe, schlage ich dich tot.” Am 26. September trat Daniel H. einem jungen Mädchen mit dem Fuß gegen den Kehlkopf und danach noch einmal gegen den Hals. Vermutlich weil Begleiter ihn zurückhielten, wurde Schlimmeres verhindert. Im Januar dieses Jahres provozierten Mitglieder von ANSDAPO — darunter Hesselbarth Junior — eine Schlägerei im Jugendclub “Horte”.
Die Gruppe ANSDAPO mit regionalem Schwerpunkt in Strausberg und Umgebung ist den Sicherheitsbehörden seit 1998 bekannt. Die Mitglieder treten uniformiert in Erscheinung. Als Vereinszeichen auf ihrer Kleidung fungierte dabei der Schriftzug ANSDAPO über einer großen schwarzen Sonne. In der Neonazi-Szene ist sie das Ersatzkennzeichen für die verbotene SS-Rune. In der während der Nazi-Diktatur von SS-Reichsführer Heinrich Himmler zur SS-Ordensburg umgebauten Wewelsburg bei Büren in Westfalen war die “schwarze Sonne” in den Boden des Obergruppenführersaales eingelassen.
In welchem Ausmaß die rechtsextreme Kameradschaft den Rechtsstaat verhöhnt, demonstrierte sie im August 2004, als sie beim Amtsgericht Strausberg die offizielle Eintragung des Neonazi-Clubs ins Vereinsregister beantragte — unter einem Tarnnamen. ANSDAPO, wollte der Anmelder dem Richter weismachen, stehe für ” A lternative N ationale S trausberger DA rt, P iercing und T attoo O ffensive”.