Schützenverein: «Jeder darf hier Probe schießen»
Harnekop — Versteckt im Wald, hinter dem Ausgang des Straßendorfes Harnekop (Märkisch-Oderland), stehen zwischen Kiefer und Tanne eine Handvoll tarngrüner Baracken. Hier liegt unter der Erde der frühere Führungsbunker des DDR-Verteidigungsministeriums. Eine der oberirdischen Baracken gehört dem vor zwei Jahren gegründeten Schützenverein, der heute eine der größten brandenburgischen Schießanlagen betreibt. In Harnekop darf Großkaliber geschossen werden, qua Genehmigung sogar mit Maschinengewehren.
Im Schießstand liegen auf Kissen drei junge Männer und zielen auf die Pappscheibe an der 50-Meter-Bahn. Ein Glatzkopf mit Lonsdale-Shirt und Lederjacke hebt stolz sein durchlöchertes Pappschild hoch. Zehn Schüsse gingen ins Schwarze.
«Jeder darf bei uns jederzeit Probe schießen», wirbt die Homepage des Schützenvereins im Berliner Nordosten auch nach der Bluttat in Erfurt. «Wir geben auch schwer erziehbaren Jugendlichen, die sich mal ausprobieren wollen, eine Chance», sagt der Schießleiter, der heute die Aufsicht hat. Schließlich sei es besser, in Harnekop unter Beobachtung zu schießen als sich illegale Waffen zu besorgen und «im Wald zu ballern», meint der Mann.
Künftig will die in Harnekop ansässige Wachschutzfirma «Proteus» eine Arbeitsgruppe mit jugendlichen Schwer-Erziehbaren gründen, die hier «Team-Bildung und Anti-Gewalt-Training» absolvieren sollen, kündigt Vereinsvorsitzender Winfried Kieler an. Für den Potsdamer Jugendforscher Dietmar Sturzbecher ist dieses «Erziehungsprogramm» eine «brisante Strategie» für delinquente Jugendliche. Da Waffen für Risiko-Jugendliche eine besondere «Stimulanz» bedeuteten, seien diese mit «Action» auch eher zu ködern. Ein solches Konzept könne aber nur unter pädagogischer Anleitung funktionieren.
Seit dem Amoklauf des Hobbyschützen Steinhäuser ist man denn auch im Schützenverein vorsichtiger geworden. Die Schwer-Erziehbaren sollen nun doch keine Waffen in die Hand bekommen, erklärt Personenschützer Kieler. Schließlich sei eine Waffe immer so gefährlich wie ihr Besitzer.
Für den Vorsitzenden des Bundes der deutschen Sportschützen (BDS) Friedrich Gepperth ist das Probeschießen mit geliehenen Waffen unbedenklich: «Völlig legal, da immer unter Aufsicht». Schließlich seien die im Land gemeldeten Schützenvereine in der Hand von «reputierten» Leuten. Extremisten etwa dürften nach dem neuen Waffengesetz gar nicht mehr an den Auslöser.
Das Brandenburger Innenministerium verlässt sich auf die Selbst-Regulierung in den Schützenvereinen. Eine polizeiliche Überprüfung der Mitglieder finde nicht statt, sagt Sprecher Heiko Homburg. Zudem sei nicht das Ministerium für die Genehmigung von Schießanlagen, sondern Kommunen und Polizeipräsidien zuständig. 99 000 gemeldete Waffen gibt es im Land Brandenburg. Etwa 37 000 Brandenburger sind zum Waffenbesitz per Karte berechtigt, 250 haben einen Waffenschein, zumeist Wachschutzmitarbeiter. Im Brandenburgischen Schützenbund (BSB) sind 260 Vereine mit 13 000 Mitgliedern organisiert, die Sportschießen betreiben.
Schießstands-Chef Winfried Kieler pocht darauf, dass bei ihm alles korrekt abläuft: Zumal in seinem Verein Kriminalbeamte trainierten. Eine Waffenbesitzkarte dürfe erst bekommen, wer ein Jahr geschossen habe, ein Führungszeugnis nachweise und eine Sachkundeprüfung ablege. Kieler: «Es ist heute einfacher illegale Waffen zu bekommen als eine Waffe legal anzumelden.»