Interview mit Ngabo aus Duala in Kamerun Er wartet seit fast fünf Jahren in Deutschland auf die Entscheidung seines Asylantrags
Dies ist ein Interview mit Ngabo aus Duala in Kamerun. Er lebt seit fast fünf Jahren in Deutschland und ist im Heim am Lerchensteig in Potsdam untergebracht, wo er auf die Entscheidung seines Asylantrags wartet.
Da er und wir nur Schulenglisch sprechen, ist es teilweise bei Unklarheiten geblieben. Bemerkungen dazu, sowie andere Anmerkungen stehen in Klammern dahinter. Das Interview ist nicht wortwörtlich wiedergegeben, sondern im Zusammenhang geschrieben.
Warum bist du aus deiner Heimat geflohen?
Ich hatte politische Gründe zu fliehen. Mein Vater und ich gehörten der Oppositionspartei SDF (sozialdemokratische Front) an. Am 11.Oktober 1997, einen Tag vor der Präsidentschaftswahl, organisierten wir von der Partei ein großes Treffen, auf dem mein Vater eine Rede gegen die führende Partei (RDPC — Demokratische Bewegung der Bürger Kameruns) hielt. Der Grund, warum wir gegen die führenden Verhältnisse in Kamerun sind, ist, dass die Politiker an der Macht furchtbar korrupt sind, es gibt keine Kontrolle darüber was sie mit Staatsgeldern machen, das Gesetz wird verdreht wie es gerade passt, es gibt also eigentlich kein festes Gesetz und jeder ist für sich selbst verantwortlich.
Während dieses Treffens stürmte die Polizei (es ist nicht ganz klar ob es sich um die richtige Polizei in Zivilkleidung oder um eine paramilitärische Polizeitruppe handelte) die Halle und versprühte überall Tränengas.
Ich wurde verhaftet und in die Hauptstadt von Kamerun, nach Yaoundé, ins Gefängnis gebracht, wo ich bis zu meiner Flucht noch 5 Monate verbrachte. Dort erfuhr ich auch, dass mein Vater erschossen worden war.
Wie bist du dann nach Deutschland gekommen?
Ein Freund meines Vaters machte ein Abkommen mit drei Wärtern aus dem Gefängnis. Die drei kamen mitten in der Nacht zu mir und halfen mir auszubrechen. Ich musste vom Gefängniszaun herunterspringen und landete in einem Container. Draußen wartete der Freund meines Vaters und brachte mich dann erstmal zu einer Art Wunderheiler, von dem ich Medizin bekam. Danach brachte mich der Freund von meinem Vater in sein Haus, wo ich mich verstecken konnte.
Doch die Polizei wusste von meiner Flucht und wo ich war und kamen zum Haus. Aber der Freund meines Vaters bestritt, dass er mich verstecken würde, und weil die Polizisten keine Erlaubnis hatten das Haus zu durchsuchen, mussten sie wieder gehen. Doch uns war klar, dass sie mit einer Erlaubnis wiederkommen würden und ich so schnell wie möglich das Land verlassen musste.
Der Freund meines Vaters gab mir 2000 CFA (ca. 5 Euro).
Ich fuhr mit dem Auto nach Kumba und dann nach Mamte nah der Grenze Kamerun/Nigeria. Dort wartete der Wunderheiler, der mir kurz nach dem Gefängnisausbruch geholfen hatte. Ich gab den Grenzbeamten (oder Schmugglern) das restliche Geld, das ich noch hatte und sie brachten mich auch ohne Papiere über die Grenze. Mit Motorädern fuhren wir nach Calaba zu einem Reisebüro und dann mit dem Bus nach Lagos, von wo aus ich am 13.Nov.1998 mit einem Lufthansa-Flugzeug nach Deutschland flog. Der Doktor hatte sämtliche Dokumente, die ich brauchte. Ich wusste gar nicht, wo wir hinflogen. Irgendwann landeten wir dann in „white men country“ (Land der weißen Menschen) in Hamburg.
Ich fragte Leute dort, wo ich hinsolle und so kam ich nach Eisenhüttenstadt, weil dort eine große Zentrale für Asylsuchende sei. Als ich dort ankam sagte mensch mir am Eingang aber, dass ich nicht hineinkönne, weil Wochenende war und die Menschen, die für die Neuanmeldungen zuständig sind nicht da waren. Also ging ich zur Polizei und die schickten mich über das Wochenende in ein Hotel.
Sechs Wochen blieb ich im Asylbewerberheim in Eisenhüttenstadt, dann wurde ich mit vielen anderen zusammen in einem Bus nach Potsdam gebracht, wo ich nun lebe.
Wie geht es dir hier?
Im Moment geht es mir schon ganz gut. Die Lebensbedingungen sind aber sehr schwierig. Sechs Leute leben hier in drei Zimmern. Wir haben auch nur einen Küche (bestehend aus zwei Camping-Kochplatten) und ein Bad. Mit dem Kochen z.B. ist es so, dass wir immer nacheinander kochen weil es einfach nicht anders geht mit dieser Küche.
Auch die Lage des Asylbewerberheims ist ziemlich isoliert. Aber ich werde vielleicht bald einen Wohnung bekommen, weil wenn du allein, also ohne Familie, hier bist, bekommst du nach fünf Jahren eine Wohnung und die sind bald rum.
Was hältst du von den Abschreckungsmaßnahmen wie z.B. den Wertgutscheinen oder der Residenzpflicht?
Gott sei dank, sind die Wertgutscheine nun abgeschafft (seit März 03 gibt es in Potsdam keine Wertgutscheine mehr für Asylbewerber).
Diese Maßnahmen machen das Leben sehr schwer. Ich darf nicht mal nach Berlin fahren ohne einen Antrag stellen zu müssen. Ich würde gern mal wieder richtig afrikanisch essen. Aber die Zutaten gibt es nur in Berlin zu kaufen und mit den Wertgutscheinen kann mensch sie auch nicht bezahlen.
Deutschland ist das einzige Land, das diese Gutscheine hat. Ich verstehe nicht was das soll.
Außerdem habe ich keine Erlaubnis zu arbeiten oder irgendwas zu erlernen oder zur Schule zu gehen. In Kamerun bin ich zur Schule gegangen. Ich habe Schneider gelernt. Hier habe ich eigentlich den ganzen Tag nichts zu tun. Ich darf ja nichts tun. Insgesamt ist es schon nicht leicht hier zu leben. Ich fühle mich eingesperrt, bin nicht so frei wie ihr.
Bist du schon mal Opfer von rassistischen Angriffen oder Ähnlichem geworden?
Ja, 1999 in der S‑Bahn, auf der Strecke zwischen Griebnitzsee und Babelsberg. Drei betrunkene Männer stiegen ein, mit Glatze und Tatoos auf dem Kopf. Ich war der einzige Dunkelhäutige im Wagen. Sie fingen an mich zu beleidigen, reifen irgendwas wie ‘Was machst du hier‘ und ‘Hau ab aus unsrem Land‘. Schließlich bekam ich einen Schlag ins Gesicht. An der Endhaltestelle, also am Hauptbahnhof, wartete die Polizei, irgendjemand hatte die wohl gerufen. Alle wurden verhaftet und am 31.5.2000 war dann der Prozess gegen die Männer. Sie wurden aber nicht bestraft, weil sie während der Tat stark betrunken waren.
Was wirst du tun wenn dein Antrag abgelehnt bzw. angenommen wird?
Wenn Gott es so will und er angenommen wird, werde ich Kurse machen um mein deutsch zu verbessern und ich werde weiter Schneidern lernen.
Wenn nicht, weiß ich es nicht. Sie werden mich vielleicht erschießen,
wenn ich wieder in Kamerun bin, wie sie meinen Vater erschossen haben. Ich weiß es nicht.
Vielen Dank für das Interviev.
Das Gespräch führte die Potsdamer Antifagruppe Von Unten.
Hintergrundinformationen zu Kamerun
1984: Präsident Biya wird mit fast 100% im Amt bestätigt (Ergebnis fragwürdig)
— auch bei folgenden Wahlen, die von den Oppositionsparteien (SDF, UNDP, UDC) wegen mangelnder Transparenz und Chancengleichheit boykotiert wurden, wurde er immer wieder bestätigt. (nächste Wahlen 2004)
— 1999 belegt Kamerun den letzten Platz in der Korruptionsstatistik von „Transparency International“, d.h.: Korruption ist dort am weitesten verbreitet
— in ihrem Länderbericht von 2001 berichten Amnesty International von lebensgefährlichen Haftbedingungen, Folter und Todesstrafen sowie Tötungen durch die Polizei unter ungeklärten Umständen (so starben 1999 im New-Bell Gefängnis in Duala etwa 30 Menschen, 1991 wurden bei Demonstrationen und generalstreikähnlichen Aktionen landesweit etwa 300 Menschen getötet)