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Opfererfahrungen…

(von Kay Wen­del, aus Jour­nal für Kon­flikt- und Gewalt­forschung, 1/2003)

Spez­i­fis­che Opfer­erfahrun­gen von Migranten waren in der sozial­wis­senschaftlichen Forschung bish­er kaum The­ma.[1] Neben der in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vorherrschen­den Zen­trierung des öffentlichen und wis­senschaftlichen Diskurs­es auf jugendliche Täter dürfte dies auch dem schwieri­gen Zugang der Forschung zu Migranten als Opfer geschuldet sein. Ein beträchtlich­er Teil entzieht sich als Forschung­sob­jekt, ein Ver­hal­ten, das mit bes­timmten Reak­tions­for­men auf die Opfer­erfahrung zusam­men­hängt. Da für ein einzelnes Opfer der unmit­tel­bare Nutzen wis­senschaftlich­er Forschung oft nicht ersichtlich ist, gibt die Vorstel­lung, sich durch Befra­gung ein­er erneuten Kon­fronta­tion mit extrem belas­ten­den Erleb­nis­sen auszuset­zen, den Auss­chlag für eine Entschei­dung gegen das Befragtwerden. 

Anders ver­hält es sich mit Pro­jek­ten, die Opfern eine prak­tis­che Hil­f­sper­spek­tive bei der Bewäl­ti­gung der Fol­gen ein­er Opfer­erfahrung anbi­eten. Auch hier kommt es vere­inzelt zu ein­er Zurück­weisung von Hil­feange­boten, doch meist kann sich in der täti­gen Unter­stützung und Begleitung ein beson­deres Ver­trauensver­hält­nis zwis­chen Opfer und Beratern entwick­eln. Allein schon deshalb, weil der Umgang des Opfers mit den Fol­gen der Opfer­erfahrung durch die Unter­stützung bee­in­flusst wird, kön­nen die Erfahrun­gen der Berater über sozial­wis­senschaftliche Inter­viewsi­t­u­a­tio­nen hin­aus­ge­hen. Sie sind selb­st Akteure, deren Erfahrun­gen an die eigene Hand­lungsper­spek­tive gebun­den sind. Der Vorstel­lung ein­er objek­tiv­en Erken­nt­nis ein­er vom Betra­chter unab­hängi­gen sozialen Real­ität müssen die Erfahrun­gen aus ein­er solchen “unter­stützen­den Beobach­tung” wider­sprechen. Ob ihnen den­noch eine Valid­ität zukommt, würde von der Genauigkeit und Dif­feren­ziertheit der Beobach­tung und Selb­st­beobach­tung abhängen. 

Die im Fol­gen­den dargestell­ten Erfahrun­gen aus der unter­stützen­den Beobach­tung wur­den im Rah­men des Pro­jek­ts “Opfer­per­spek­tive” gemacht, eines seit 1998 existieren­den, primär prak­tisch ori­en­tierten Pro­jek­ts zur Unter­stützung und Beratung von Opfern recht­sex­tremer Gewalt in Bran­den­burg.[2] Obwohl das Pro­jekt sich um eine the­o­riegeleit­ete, sys­tem­a­tis­che Form der Betreu­ung und Doku­men­ta­tion bemüht und die Erfahrun­gen in einem Prozess der selb­stre­flex­iv­en Tea­mar­beit aus­gew­ertet wer­den, erre­ichen sie nur mit Ein­schränkun­gen die Valid­ität­skri­te­rien qual­i­ta­tiv­er Sozial­forschung in einem stren­gen Sinne. Die Darstel­lung ist daher als eine erste Skizze zu ver­ste­hen, der eine genauere prak­tisch-wis­senschaftliche Unter­suchung noch fol­gen müsste. 

Die Sit­u­a­tion in Brandenburg

1998 ist das Jahr, in dem das Pro­jekt “Opfer­per­spek­tive” gegrün­det wurde, und 1998 markiert auch den Beginn des ersten umfassendes Lan­despro­gramms zur Bekämp­fung von Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit, des so genan­nten Hand­lungskonzepts “Tol­er­antes Bran­den­burg”.[3] Die späteren Bun­de­spro­gramme aus dem Jahr 2000 nah­men wesentliche Ele­mente aus diesen Ansätzen auf Lan­desebene auf. Das Pro­jekt “Opfer­per­spek­tive” wie auch das Lan­despro­gramm “Tol­er­antes Bran­den­burg” reagierten damals auf die zweite Welle recht­sex­tremer Gewalt in den 90er Jahren. Nach­dem die erste Welle, die auf den Zeitraum von 1990 bis 1993 datiert wer­den kann, in der Öffentlichkeit als rel­a­tiv eingedämmt wahrgenom­men wurde — eine trügerische Wahrnehmung, denn die Zahlen der recht­sex­tremen Angriffe hiel­ten sich auf einem hohen Niveau -, kam es ab 1996 in den neuen Bun­deslän­dern wieder zu einem Anstieg der recht­sex­tremen Gewalt. Ab Ende 1997 wurde diese neue Gewaltwelle mit dem recht­sex­tremen Schlag­wort “nation­al befre­ite Zonen” the­ma­tisiert, seit diesem Zeit­punkt deutete sich auch eine erhöhte medi­ale Sen­si­bil­ität für Opfer recht­sex­tremer Gewalt an. Seit­dem kann ein ten­den­zieller Par­a­dig­men­wech­sel beobacht­en wer­den: weg von der Täterzen­trierung aus der Zeit zu Anfang der 90er Jahre — eine Prax­is, die unter dem Stich­wort “akzep­tierende Sozialar­beit mit recht­sex­trem ori­en­tierten Jugendlichen” betrieben wurde (vgl. Buderus 1998) -, hin zu einem Ern­st­nehmen der Per­spek­tive der Opfer.[4]

Aus­maß der ras­sis­tis­chen Gewalt

Einen ersten, pro­vi­sorischen Ein­druck vom Aus­maß der recht­sex­tremen Gewalt gibt die Sta­tis­tik, die von der “Opfer­per­spek­tive” kon­tinuier­lich geführt wird.[5] Im Jahr 2002 reg­istri­erten wir ins­ge­samt 105 Angriffe mit recht­sex­tremen oder ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund in Bran­den­burg, bei denen 108 Men­schen kör­per­lich ver­let­zt wur­den. 39 der Ver­let­zten waren nicht­deutsch­er Nation­al­ität, davon 22 Asyl­be­wer­ber, sieben waren rus­s­land­deutsche Aussiedler (davon ein Ermorde­ter), zwei waren Obdachlose, der Rest mit 51 Ver­let­zten über­wiegend nichtrechte Jugendliche aus dem alter­na­tiv­en Milieu neben anderen Deutschen. Unter der Ver­mu­tung, auch bei Angrif­f­en auf rus­s­land­deutsche Aussiedler spiele eine ras­sis­tis­che Tat­mo­ti­va­tion eine Rolle — den Angrif­f­en gin­gen oft Anpö­beleien als “Russen” voran -, sind ca. 43 % der 108 Opfer von ras­sis­tis­ch­er Gewalt betroffen. 

Inter­es­sant ist der Ost-West-Ver­gle­ich. Dazu muss jedoch auf die Zahlen der Lan­deskrim­i­nalämter zurück­grif­f­en wer­den, die eine andere Zählweise ver­wen­den und ihr Erfas­sungssys­tem im Jahr 2001 grundle­gend mod­i­fiziert haben.[6] Danach ist für das Jahr 2000 die absolute Zahl der Gewalt­tat­en gegen Fremde mit 112 Angrif­f­en in Nor­drhein-West­falen am höch­sten, set­zt man jedoch die Zahl der frem­den­feindlich motivierten Gewalt­tat­en zur Zahl der im Land leben­den Aus­län­der ins Ver­hält­nis, so ist das Opfer­risiko für Migranten im Jahr 2000, also das Risiko, als Migrant in Bran­den­burg Opfer ein­er frem­den­feindlich motivierten Gewalt­tat zu wer­den, 19,4 Mal höher als in Nor­drhein-West­falen.[7] Das sub­jek­tiv wahrgenommene Risiko lässt sich jedoch nicht mit diesen Zahlen aus­drück­en, die nur ein erster Indika­tor für das Aus­maß der ras­sis­tis­chen Bedro­hung in Bran­den­burg sind. 

Bei der über­großen Mehrheit der uns bekan­nten Gewalt­de­lik­te han­delt es sich um Kör­per­ver­let­zun­gen, Nöti­gun­gen und Bedro­hun­gen. Ein gerin­ger­er Teil sind Brand­s­tiftun­gen und Sachbeschädi­gun­gen an Imbis­s­wa­gen, die einen türkischen oder viet­name­sis­chen Betreiber haben. Im Jahr 2002 haben wir sieben solche Brand­s­tiftun­gen und Sachbeschädi­gun­gen in Bran­den­burg reg­istri­ert. Diese Kat­e­gorie sollte auch zu den ras­sis­tisch motivierten Gewalt­tat­en gezählt wer­den, da diese Brand­s­tiftun­gen indi­rek­te Angriffe auf Per­so­n­en sind, deren wirtschaftliche Exis­tenz zer­stört wer­den soll, um sie zu vertreiben. 

Fall­beispiel Rathenow

Die wesentlichen Erfahrun­gen von Opfern ras­sis­tis­ch­er Gewalt sollen anhand eines Fall­beispiels dargestellt wer­den, auf das später noch einzuge­hen ist. Der Angriff ereignete sich in der Sil­vester­nacht des Jahres 1999/2000, während des so genan­nten Mil­len­ni­um-Sil­vester. Tatort war Rathenow, das zu diesem Zeit­punkt Stan­dort von zwei Asyl­be­wer­berun­terkün­ften mit ca. 150 Asyl­be­wer­bern war. Eine Gruppe von sechs pak­istanis­chen Asyl­be­wer­bern besucht eine Diskothek. Anschließend gehen sie weit­er ins Stadtzen­trum. Sie wohnen noch nicht lange in Rathenow und erwarten, dass sie mit Deutschen zusam­men Sil­vester feiern kön­nen. Was sie nicht wis­sen, ist, dass die zen­trale Kreuzung in Rathenow jedes Sil­vester Tre­ff­punkt der recht­en Szene ist. So ger­at­en sie mit­ten in eine unüber­sichtliche Ansamm­lung von etwa 50 Per­so­n­en, viele sind angetrunk­en, da
runter ver­schiedene recht­sex­treme Cliquen. Eine fünf- oder sech­sköp­fige Clique bemerkt die Pak­istani, ein Ruf genügt, und die Clique stürmt auf die Pak­istani los und schlägt zwei von ihnen. Die Pak­istani ergreifen die Flucht, ver­fol­gt von den recht­sradikalen Angreifern, die mit Leucht­mu­ni­tion nach ihnen schießen und Flaschen wer­fen. Ein­er der Pak­istani wird getrof­fen und einge­holt. Er wird schw­er zusam­mengeschla­gen, bis eine deutsche Fam­i­lie auf dem Weg nach Hause vor­beikommt und ruft, sie soll­ten aufhören. Die Fam­i­lie leis­tet erste Hil­fe und ruft die Polizei. Während sie auf die Polizei warten, wer­den sie und der Ver­let­zte von ein­er anderen Clique Recht­sradikaler mit Knallern bewor­fen. Der Ver­let­zte wird ins Kranken­haus gebracht, wo zwei abge­broch­ene Schnei­dezähne und schwere Rip­pen­prel­lun­gen fest­gestellt wer­den. Er muss fünf Tage in sta­tionär­er Behand­lung bleiben. 

Psy­chis­che Prozesse der Opfererfahrung

Welche psy­chis­chen Prozesse laufen in einem Opfer ras­sis­tis­ch­er Gewalt ab? Zunächst löst der Angriff auf die kör­per­liche Integrität Gefüh­le von Tode­sangst und Panik aus. Schon in das Erleben des Angriffs als poten­ziell lebens­bedrohlich mis­chen sich kollek­tive Vor­erfahrun­gen. Es kommt zu ein­er Rück­kop­pelung der kollek­tiv­en Vik­timisierung auf die indi­vidu­elle Opfer­erfahrung. Exem­plar­isch ist die Aus­sage des Algier­ers Khaled Ben­sa­ha, der mit zwei weit­eren Asyl­suchen­den in der Nacht zum 13.02.1999 von ein­er Gruppe Recht­sradikaler in Guben gejagt wurde, wobei Farid Guen­doul umkam. Im Inter­view sagt er auf die Frage, “Hat­test du Tode­sangst?”: “Ja, das stimmt, das war Tode­sangst: Beim Ren­nen erin­nerte ich mich an die Geschicht­en, die ich gehört hat­te, von Leuten, die geschla­gen wur­den, dabei schw­er ver­let­zt wor­den sind. Oft hieß es, dass diese von Glück reden kön­nten, dabei nicht ums Leben gekom­men zu sein. Ich hat­te ihnen bis dahin nicht so ganz geglaubt, ich hat­te mir das vorher nicht so richtig vorstellen kön­nen, aber in diesem Moment kon­nte ich es plöt­zlich. Ich renne und mein Leben ste­ht auf dem Spiel, wenn ich Glück habe, komme ich weg, wenn nicht, werde ich ster­ben.” (Brauns/Wendel 2001, 105) 

Gle­ichzeit­ig ergreift ein Gefühl der Ohn­macht und Auswe­glosigkeit das Opfer. Die Hand­lung­sop­tio­nen Flucht oder Vertei­di­gung sind ver­stellt, es ist als bloßes Objekt der Macht der Täter aus­geliefert. Haben Opfer ras­sis­tis­ch­er Gewalt diese Opfer­erfahrun­gen noch mit anderen Gewal­topfern gemein, so sind nun die Inter­pre­ta­tio­nen des Angriffs und die Zuschrei­bung der Tat­mo­tive unter­schiedlich. Zunächst erscheint der Angriff unver­ständlich und schein­bar grund­los. Exem­plar­isch auch hier Ben­sa­has Antwort auf die Frage “Welche Gefüh­le hat­test du angesichts dieser Aggres­siv­ität?”: “Ich wollte eigentlich nur wis­sen, was hier geschieht, eine Erk­lärung, nichts als eine Erk­lärung, warum geschieht das? Wir hat­ten nichts gemacht, nie­man­den provoziert, es gab keine Zwis­chen­fälle vorher, es passierte von ein­er Sekunde auf die andere … wie ein Blitz aus heit­erem Him­mel.” (Brauns/Wendel 2001, 107) 

Dieses Unver­ständ­nis drückt sich in typ­is­chen Fra­gen wie der fol­gen­den aus: “Warum haben sie mich ange­grif­f­en? Ich habe ihnen doch nichts getan, ich kenne sie nicht ein­mal.” Die Frage impliziert, dass der Angriff ver­ste­hbar gewe­sen wäre, wenn er als eine Reak­tion auf eine Nor­mver­let­zung durch das Opfer wahrgenom­men wor­den wäre und das Tat­mo­tiv sich gegen die Per­sön­lichkeit des Opfers gerichtet hätte. Da diese Bedin­gun­gen hier nicht gegeben sind, bleibt der Angriff für das Opfer unver­ständlich, oder das Opfer inter­pretiert den Angriff auf sich damit, dass es stel­lvertre­tend für die eigene Nation­al­ität oder alle Nicht­deutschen ange­grif­f­en wurde. Getrof­fen wurde ein­er, gemeint waren alle Nicht­deutschen. Diese stel­lvertre­tende Vik­timisierung (Strobl 1998, 15) ver­let­zt in beson­der­er Weise die geteilte Norm der Gle­ich­heit, die von ein­er Mehrheit der nicht­deutschen Opfer als Men­schen­recht ange­se­hen wird. Nicht gegen ein beson­deres Indi­vidu­um mit ein­er beson­deren Per­sön­lichkeit richtet sich das Tat­mo­tiv, son­dern das Tat­mo­tiv muss ver­standen wer­den als ein Feind­bild, das die Täter über die Gruppe der Nicht­deutschen kon­stru­iert haben. Die die Tat beglei­t­en­den ras­sis­tis­chen Beschimp­fun­gen bestäti­gen diese Interpretation. 

Ein beson­deres Merk­mal ras­sis­tis­ch­er Gewalt liegt darin: sie stem­pelt das nicht­deutsche Opfer zum Frem­den, zum Ein­drin­gling, dessen Recht, zur Gesellschaft dazuzuge­hören, bestrit­ten wird. Das Opfer sieht sich unter Druck geset­zt, sich für seine Exis­tenz zu recht­fer­ti­gen, sich gegen die neg­a­tiv­en Zuschrei­bun­gen zu vertei­di­gen, will es nicht sein Selb­st­wert­ge­fühl ver­lieren. (vgl. Pilz 2001) 

Eine Rei­he von Fak­toren bee­in­flusst die Opfer­erfahrung während und nach der Tat. Die wichtig­sten sind Reak­tio­nen unbeteiligter Drit­ter, das Ver­hal­ten der Polizei, die Jus­tiz, die medi­ale und kom­mu­nale Öffentlichkeit. 

Reak­tio­nen unbeteiligter Dritter

Entschei­dend für die Opfer­erfahrung sind die Reak­tio­nen unbeteiligter Drit­ter. Beson­ders trau­ma­tisch sind Angriffe, bei denen Zuschauer untätig bleiben, Hil­fe ver­weigern oder das Opfer sog­ar verspot­ten. Das Nichte­in­greifen wird vom Opfer oft inter­pretiert als Gle­ichgültigkeit oder als Zus­tim­mung zu den Tat­mo­tiv­en. Einen Ein­fluss auf solche Inter­pre­ta­tio­nen haben allerd­ings Vor­erfahrun­gen der Opfer mit ras­sis­tis­chen Diskri­m­inierun­gen durch äußer­lich unauf­fäl­lige Deutsche. Die ras­sis­tis­chen Tat­mo­tive wer­den bei solchen Erfahrun­gen von den Opfern meist nicht nur ein­er eng umgren­zten Gruppe — etwa jugendlichen Skin­heads — zugeschrieben, son­dern ver­all­ge­mein­ert auf einen rel­e­van­ten Teil der deutschen Bevölkerung. Das Mis­strauen gegen und die Dis­tanz zur Mehrheits­ge­sellschaft wer­den verstärkt. 

Ver­hal­ten der Polizei

Ein weit­er­er wichtiger Fak­tor, der auf die Opfer­erfahrung Ein­fluss hat, ist das Ver­hal­ten der Polizei. Gravierend sind Erfahrun­gen, wenn die Polizei in ihrer Schutz­funk­tion als untätig erlebt wird, wenn dem Opfer von der Polizei eine Täter­rolle zugeschrieben wird oder wenn Opfer bei der Anzeigen­stel­lung abgewiesen wer­den. Neg­a­tiv wird auch eine man­gel­nde Infor­ma­tion über den Fort­gang der Ermit­tlun­gen oder Vernehmungen ohne aus­re­ichend qual­i­fizierte Dol­metsch­er erlebt. Solche Erfahrun­gen führen oft zu ein­er Erschüt­terung des Ver­trauens in die Instanzen der Mehrheits­ge­sellschaft und zu Res­ig­na­tion und Rück­zug. Umgekehrt kann ein als kor­rekt wahrgenommenes Ver­hal­ten der Polizei einen wesentlichen Beitrag zur Wiedergewin­nung des eige­nen Selb­st­wert­ge­fühls sein. Das Opfer erlebt dann die Polizei als Ver­bün­dete bei der Wieder­her­stel­lung der Gel­tung der ver­let­zten Norm. 

Jus­tiz

Neben der Polizei hat die Jus­tiz einen gewichti­gen Ein­fluss auf die Opfer­erfahrung. Häu­fig fehlt nicht­deutschen Opfern das Wis­sen um ihre eige­nen Rechte und um die Funk­tion­sweise des deutschen Rechtssys­tems. Der Stand der Ermit­tlun­gen bleibt ver­bor­gen, die oft lange Dauer von durch­schnit­tlich einem hal­ben bis zu einem Jahr zwis­chen Tat und Hauptver­hand­lung kann das Ohn­machts­ge­fühl des Opfers ver­stärken. Im Falle des Angriffs auf die Pak­istani in Rathenow brauchte die Jus­tiz nach sehr umfan­gre­ichen Ermit­tlun­gen zwei Jahre und vier Monate, um die Tatverdächti­gen vor Gericht zu stellen. Ein Teil der Opfer lebte zu diesem Zeit­punkt nicht mehr in Deutsch­land. Eine beson­dere Belas­tung für das Opfer ist die Kon­fronta­tion mit den Angeklagten im Gerichtssaal, beson­ders, wenn diese Unein­sichtigkeit zur Schau stellen, wenn ihre Vertei­di­ger die Täter­ver­sion zu schein­bar legit­i­men Argu­menten ela­bori­eren und der Gerichtssaal mit Anhängern und Fre­un­den der Angeklagten gefüllt ist. In ein­er solchen Sit­u­a­tion kann es zu ein­er sekundären Vik­timisierung kom­men. Urteil
e, die von Opfern als zu milde emp­fun­den wer­den, kön­nen das Ver­trauen in die Funk­tion­al­ität der jus­tiziellen Bear­beitung in Frage stellen. 

Reak­tions­for­men auf kollek­tive Viktimisierungen

Der ras­sis­tis­che Angriff auf ein einzelnes Opfer hat oft weitre­ichende soziale Fol­gen. Die Inter­pre­ta­tion ras­sis­tis­ch­er Gewalt als stel­lvertre­tende Vik­timisierung führt zu ein­er kollek­tiv­en Vik­timisierung der Eigen­gruppe. (vgl. Strobl 1998, 15) Der geschilderte Angriff in Rathenow betraf unmit­tel­bar sechs pak­istanis­che Asyl­be­wer­ber. Die Nachricht dieses schw­eren Angriffs ver­bre­it­ete sich schnell unter anderen Asyl­be­wer­bern ver­schieden­er Nation­al­ität im Wohn­heim. Sie ver­band sich mit dem Wis­sen um eine Serie von Angrif­f­en auf Asyl­be­wer­ber. Mehr oder weniger alle Rathenow­er Asyl­be­wer­ber entwick­el­ten Angst vor weit­eren Angrif­f­en. Das sub­jek­tiv wahrgenommene Opfer­risiko ver­größerte sich bedrohlich. Nicht nur das trau­ma­tisierte Opfer reagierte mit Ver­mei­dungsver­hal­ten — der in der Sil­vester­nacht ange­grif­f­ene Pak­istani ver­ließ 47 Tage lang nicht mehr das Heim -, das Kollek­tiv der poten­ziellen Opfer zog sich eben­falls aus dem öffentlichen Raum zurück. Am Abend gin­gen sie nicht mehr auf die Straße, am Tage nur noch in Gruppen. 

Diese Rück­zug­s­ten­den­zen haben Ein­fluss auf das all­ge­meine Ver­hält­nis zwis­chen Min­der­heit­en und der Mehrheits­ge­sellschaft. Die in der kollek­tiv­en Vik­timisierung entwick­el­ten Äng­ste struk­turi­eren ver­bor­gene Regeln des öffentlichen Raums. (vgl. Oswalt 2001) Bes­timmte Orte wer­den zu bes­timmten Tageszeit­en als dominiert von ras­sis­tisch eingestell­ten Cliquen wahrgenom­men. Das sub­jek­tive Opfer­risiko erscheint in diesen Angst­zo­nen als nicht mehr akzept­abel, die Orte wer­den gemieden. Der öffentliche Raum wird vorgestellt als durch­set­zt von “No-go areas”, Zonen, die zu mei­den sind, weil sie als zu gefährlich erscheinen. Es kommt zu ein­er Ver­drän­gung der Gruppe poten­zieller Opfer aus diesen Räu­men und indi­rekt zu ein­er Bestä­ti­gung der Dom­i­nanz rechter Cliquen über diese Räume.

Inter­es­sant ist, dass die sub­jek­tiv wahrgenommene Gefährlichkeit bes­timmter Orte nicht mit den tat­säch­lichen Angriff­sorten iden­tisch ist. Eine Unter­suchung über recht­sex­treme Angriffe in Cot­tbus (Oswalt 2001) brachte her­vor, dass sich die Gewalt­tat­en über­all im Stadt­ge­bi­et ereignen und räum­lich nicht einge­gren­zt wer­den kön­nen. Hinge­gen konzen­tri­erten sich die Äng­ste vor Angrif­f­en auf bes­timmte Plat­ten­bau­vier­tel und auf öffentliche Verkehrsmit­tel nach Ein­bruch der Dunkel­heit. Zu ver­muten ist, dass diese Äng­ste mit der Struk­tur dieser Räume zu tun haben: unbelebte, fast men­schen­leere Räume, in denen Opfer möglichen Angreifern allein, ohne Hil­fe von Drit­ten, aus­geliefert sein wür­den. Der Haupt­bahn­hof, tat­säch­lich ein Ort, an dem sich häu­fig ras­sis­tis­che Angriffe ereignen, wird weniger als ein Angstraum wahrgenom­men, ver­mut­lich weil dieser Raum belebter ist und Sicher­heits­di­en­ste sicht­bar sind.

Der Rück­zug, die Res­ig­na­tion und das Ver­har­ren in der Opfer­rolle sind jedoch nur eine von möglichen Reak­tions­for­men von Opfern ras­sis­tis­ch­er Gewalt. Beson­ders im Falle von nicht­deutschen Imbiss­be­sitzern, auf deren Stände Bran­dan­schläge verübt wer­den, beobacht­en wir oft Ver­drän­gun­gen der andauern­den Gefahr. Diese Opfer inter­pretieren den Angriff oft nicht als ras­sis­tisch, also gegen die Eigen­gruppe gerichtet und im Motiv von einem rel­e­van­ten Bevölkerung­steil geteilt. Stattdessen schreiben sie das Tat­mo­tiv dem Täter per­sön­lich zu: die Tat wird z.B. auf den Alko­holkon­sum eines Einzeltäters zurück­ge­führt, sie wird als Aus­nahme wahrgenom­men. Mit ein­er solchen Inter­pre­ta­tion kann das Opfer weit­er sein­er Arbeit nachge­hen. Zu ver­muten ist, dass hier der ökonomis­che Zwang zu einem Arrange­ment mit ein­er Kun­den­gruppe wirkt, die in Teilen ras­sis­tisch eingestellt ist.

Eine dritte Reak­tions­form ist der Kampf um die Wieder­her­stel­lung der ver­let­zten Norm. Nach dem Angriff auf die Pak­istani in der Sil­vester­nacht und weit­eren Angrif­f­en auf Asyl­be­wer­ber in Rathenow schrieben einige von ihnen Anfang Feb­ru­ar 2000 ein Mem­o­ran­dum an poli­tis­che Instanzen des Bun­des­lan­des. In dem von 47 Asyl­be­wer­bern unterze­ich­neten Text heißt es:

    Sehr geehrte Damen und Her­ren, wir mussten lei­der zur Ken­nt­nis nehmen, dass trotz dieser Angriffe und unser­er Lebens­bedro­hung die Obrigkeit des Lan­des Bran­den­burg nichts getan hat. Wir find­en das Land zu unsich­er, um darin zu leben. Nie­mand ist in der Lage, unsere Sicher­heit zu garantieren. Angesichts ander­er Über­griffe, wie in Pots­dam, Belzig und Cot­tbus, appel­lieren wir an Sie: Besin­nen Sie sich auf Ihre Men­schlichkeit und Ihre Macht und han­deln Sie, bevor die Sit­u­a­tion eskaliert. Es gibt ein Sprich­wort, dass Län­der, um Frieden zu haben, zum Krieg rüsten müssen. Wir wollen uns nicht länger in Angst oder mit Waf­fen bewe­gen müssen. Wir wollen nicht länger Blut sehen.
    Bitte, wenn die Recht­en nicht zur Ord­nung gebracht und Asyl­be­wer­ber nicht respek­tiert wer­den kön­nen, wenn auch die Gen­fer Kon­ven­tion nicht berück­sichtigt wer­den kann, bitte, bitte: Brin­gen Sie uns aus dem Land Bran­den­burg.” (Der Tagesspiegel, 05.02.2000)

Dieses Beispiel ist allerd­ings einzi­gar­tig. Rathenow war der erste Ort, an dem sich eine Gruppe von Opfern und poten­ziellen Opfern poli­tisch selb­st organ­isiert hat, mit dem Ziel, zukün­fti­gen ras­sis­tis­chen Angrif­f­en vorzubeu­gen. Inzwis­chen arbeit­en einzelne Asyl­be­wer­ber aus ein­er Rei­he von Bran­den­bur­gis­chen Heimen in der aus der Mem­o­ran­dum-Gruppe her­vorge­gan­genen “Bran­den­burg­er Flüchtlingsini­tia­tive” mit. Die poli­tis­che Gruppe der Rathenow­er Flüchtlinge hat­te es ver­mocht, den Rück­zug und die Res­ig­na­tion in ein aktives Engage­ment gegen Ras­sis­mus zu wandeln.

Kom­mu­nale Reak­tion­s­muster zwis­chen Sol­i­dar­ität und Leugnung

Waren auf Lan­desebene mit dem “Hand­lungskonzept Tol­er­antes Bran­den­burg” seit 1998 gewisse Fortschritte bei der Bekämp­fung von Recht­sex­trem­is­mus festzustellen, so herrscht­en zur Zeit des Rathenow­er Mem­o­ran­dums im Jahr 2000 auf der kom­mu­nalen Ebene eine Rei­he stereo­typer Reak­tion­s­muster vor, die vom kon­se­quenten Nicht­wahrnehmen des Prob­lems über Bagatel­lisierung und Ver­harm­lo­sung bis zu ein­er Prob­lemver­schiebung reicht­en (vgl. Wen­del 2001b). Solche kom­mu­nalen Reak­tions­for­men haben jedoch einen wichti­gen Ein­fluss auf die Bewäl­ti­gung der Opfer­erfahrung, denn sie wirken in die kom­mu­nale Öffentlichkeit als Ori­en­tierung für den Umgang mit Opfern recht­sex­tremer Gewalt. Ähn­lich wie die Reak­tio­nen unbeteiligter Drit­ter während des Angriffs sind sie ein Indika­tor dafür, ob für das Opfer eine Sol­i­darisierung von Deutschen wahrnehm­bar ist oder ob es im Gegen­teil zu ein­er sekundären Vik­timisierung kommt. Eine solche sekundäre Vik­timisierung kann auch beschrieben wer­den als eine Über­nahme der Täter­ver­sion zur Erk­lärung des Angriffs: dem Opfer wird eine Mitschuld am Angriff gegeben; unter Rekurs auf ras­sis­tis­che Stereo­type wird das Ver­hal­ten des Opfers als unangemessen, bed­ingt durch seine fremde Kul­tur, erk­lärt; umgekehrt wer­den die Täter ent­lastet, ihre Motive wer­den als zumin­d­est teil­weise nachvol­lziehbar erk­lärt, wieder unter Rekurs auf ras­sis­tis­che Stereo­type. (vgl. Wen­del 2001a)

Ein Beispiel für die Leug­nung ras­sis­tis­ch­er Gewalt als eines beson­deren gesellschaft­spoli­tis­chen Prob­lems sind die Äußerun­gen des dama­li­gen Rathenow­er Bürg­er­meis­ters zum Angriff auf die Pak­istani. Er hielt sich schlichtweg nicht für zuständig, um zum Über­fall Stel­lung zu beziehen. Der Bürg­er­meis­ter in einem Zeitungsin­ter­view: “Ich kenne nicht die Hin­ter­gründe (…) wozu soll ich mich erk­lären?” Auf die Frage, ob er dem Asyl­be­wer­ber­heim nach den Vor­fällen, deren aus­län­der­feindlich­er Charak­ter ja min­destens in einem Fall au
f der Hand liegt, einen Besuch abges­tat­tet habe, antwortet der Bürg­er­meis­ter: “Da müsste ich ja zu jedem anderen gehen, der zusam­mengeschla­gen wurde” (Frank­furter Rund­schau vom 02.02.2000). Diese Äußerung bein­hal­tet den Ver­dacht, dass andere als ras­sis­tis­che Motive eine Rolle gespielt haben und negiert gle­ichzeit­ig alle Unter­schiede zwis­chen ras­sis­tis­ch­er und nor­maler krim­ineller Gewalt. Schnell wird der ein­seit­ige Über­fall zu ein­er “nor­malen” Wirtshauss­chlägerei, bei der bei­de Parteien die Schuld trifft. Übrig bleibt ein Kon­flikt zwis­chen Pri­vat­per­so­n­en, der mit unge­set­zlichen, da gewalt­för­mi­gen Mit­teln aus­ge­tra­gen wurde. Das ras­sis­tis­che Tat­mo­tiv und die gesellschaftliche Wirkung der Tat auf das Ver­hält­nis zwis­chen Deutschen und Nicht­deutschen wird dabei aus­ge­blendet. Die fehlende Reak­tion des Bürg­er­meis­ters, sein Schweigen, wirkt wie eine Bagatel­lisierung der ras­sis­tis­chen Gewalt.

Äußerun­gen von Kom­mu­nalpoli­tik­ern wie die oben zitierte sind deshalb so fatal, weil sich ein rel­e­van­ter Teil der deutschen Bevölkerung an lokalen Autoritäten ori­en­tiert. Die “schweigende Mehrheit” der Bürg­er dürfte sich in ihren Ansicht­en bestätigt fühlen. Der Bürg­er­meis­ter ein­er Kle­in­stadt im Süden Bran­den­burgs erhielt Dutzende zus­tim­mender Briefe zu sein­er Äußerung, was der Asyl­be­wer­ber- gemeint war der in ein­er Het­z­jagd in Guben gestor­bene Farid Guen­doul — denn nachts um diese Zeit auf der Straße zu suchen hat­te (Berlin­er Mor­gen­post vom 07.09.1999).

All­t­agsras­sis­mus

Verkürzt wäre es allerd­ings, einen direk­ten Ein­fluss solch­er Äußerun­gen auf die indi­vidu­elle Bewäl­ti­gung der Opfer­erfahrung nach­weisen zu wollen. Diese Debat­ten spie­len sich in Lokalme­di­en und in bes­timmten Räu­men der kom­mu­nalen Öffentlichkeit ab, soziale Räume, an denen die meis­ten der nicht­deutschen Opfer auf­grund ihrer mar­ginalen sozialen Stel­lung nicht par­tizip­ieren. Liest man diese Äußerung von Kom­mu­nalpoli­tik­ern hinge­gen als ein Symp­tom für ras­sis­tis­che Ein­stel­lun­gen in der Bevölkerung, so wird der Blick auf das Ver­hält­nis zwis­chen der nicht­deutschen Min­der­heit und der deutschen Mehrheits­bevölkerung gelenkt. Drei Fak­toren sind hier für die Inter­pre­ta­tion der Gewal­ter­fahrung durch das Opfer beson­ders entschei­dend: Vor­erfahrun­gen mit Ver­hal­tensweisen unauf­fäl­liger Deutsch­er, die als Diskri­m­inierun­gen erlebt wer­den, die Reak­tio­nen unbeteiligter Drit­ter während des Angriffs und der Umgang mit dem Opfer nach dem Angriff. In dieser Per­spek­tive erscheint die ras­sis­tis­che Gewalt als ein gravieren­der Höhep­unkt in einem Kon­tin­u­um von Aus­gren­zungser­fahrun­gen. Vor dem Hin­ter­grund neg­a­tiv­er Erfahrun­gen in den drei Dimen­sio­nen lassen sich die ras­sis­tis­chen Tat­mo­tive nur noch schw­er auf eine bes­timmte kleine Gruppe der deutschen Bevölkerung ein­schränken, wie jugendlichen Skin­heads, son­dern wer­den, wenn nicht glob­al der gesamten deutschen Bevölkerung, so doch einem rel­e­van­ten Teil zugeschrieben. Diskri­m­inierende Ver­hal­tensweisen “ganz nor­maler Deutsch­er” kön­nen als ras­sis­tis­che Vik­timisierung erlebt wer­den. Ein Beispiel schildert ein 33-jähriger schwarz­er Südafrikan­er in Hen­nigs­dorf bei Berlin:

    Ein anderes Beispiel, was ich erlebt habe, war die Sit­u­a­tion mit den Kindern. Ich saß eines Mor­gens vor meinem Haus, um die Sonne zu genießen, und da kam eine Kinder­garten­gruppe auf mich zu. Wie Sie wis­sen, mag ich Kinder sehr gerne, und ich wollte mit ihnen spie­len. Ein Kind schrie entset­zlich und eine Frau, ich nehme an, es war die Kindergärt­ner­in, kam auf mich zu und sagte: ‚Gehen Sie ins Haus, das Kind weint wegen Ihnen, es hat Angst vor Schwarzen. Aber wie kann ein Kind Angst vor mir haben? Ich kenne die Bedeu­tung von ‚ver­schwinde, dies sagte die Frau zu mir mit ein­er aggres­siv­en Stimme, und diese Frau war eine ganz nor­male Deutsche.” (Luzar 2002, 68)

Insti­tu­tioneller Rassismus

Neben der ras­sis­tis­chen Gewalt, neben dem All­t­agsras­sis­mus ist ein weit­er­er Bere­ich für die Opfer­erfahrung von Asyl­be­wer­bern rel­e­vant: der insti­tu­tionelle Ras­sis­mus. Während der Begriff “insti­tu­tioneller Ras­sis­mus” in der deutschen Öffentlichkeit noch als Pro­voka­tion wahrgenom­men wird, ver­wen­den ihn offizielle britis­che Stellen seit 1999, so die Stephen Lawrence Inquiry. Ute Osterkamp bemerkt: “Der Begriff insti­tu­tioneller Ras­sis­mus soll deut­lich machen, daß ras­sis­tis­che Denk- und Hand­lungsweisen nicht Sache der per­sön­lichen Ein­stel­lun­gen von Indi­viduen, son­dern in der Organ­i­sa­tion des gesellschaftlichen Miteinan­ders verortet sind, welche die Ange­höri­gen der eige­nen Gruppe sys­tem­a­tisch gegenüber den Nicht-Dazuge­höri­gen priv­i­legieren. Indem man sich solchen Bedin­gun­gen anpaßt, die einen gegenüber anderen bevorzu­gen, beteiligt man sich an deren Diskri­m­inierung, ohne daß per­sön­liche Vorurteile im Spiel sein müssen.” (Osterkamp 1997, 95)

Ger­ade die hier ange­sproch­ene Opfer­gruppe befind­et sich in ein­er mar­gin­al­isierten Lage. Ihr Aufen­thalt wird als nur vorüberge­hend definiert und daher wer­den sie von Inte­gra­tions­maß­nah­men zum größten Teil ausgenom­men. Ein unsicher­er Aufen­thaltssta­tus, fehlende Arbeitsmöglichkeit­en, als Schika­nen erlebte Ein­schränkun­gen wie die Res­i­den­zpflicht[8] oder Wertgutscheine zum Einkaufen, eine Unter­bringung in abgele­ge­nen, schäbi­gen Unterkün­ften, all das ver­ringert ihre sozialen Teil­habechan­cen an der Auf­nah­mege­sellschaft auf ein Min­i­mum. Asyl­be­wer­ber sind abhängig von den Entschei­dun­gen einzel­ner Sach­bear­beit­er der Aus­län­der­be­hörde oder des Sozialamts, die einen gravieren­den Ein­fluss auf ihre Lebensver­hält­nisse haben.[9]

Auf­grund dieser Lebensver­hält­nisse fall­en viele Asyl­be­wer­ber in einen Zus­tand depres­siv­er Res­ig­na­tion. In ver­schiede­nen Unterkün­ften in Bran­den­burg kon­nten wir beobacht­en, wie das Leben viel­er Asyl­be­wer­ber auf eine Abfolge von Schlafen, Essen und Warten reduziert ist. Die Untätigkeit und soziale Iso­la­tion zer­mürbt und führt zu Apathie. Doch Kom­pe­ten­zen und Ressourcen sind auch unter Asyl­be­wer­bern ungle­ich verteilt. Wer seine Hoff­nun­gen noch nicht aufgegeben hat und wer kann, ver­sucht aus der sozialen Iso­la­tion der abgele­ge­nen Unterkün­fte zu fliehen. Ein Teil entschei­det sich für ein Leben in der Ille­gal­ität in den größeren Städten. Dort haben sie Arbeitsmöglichkeit­en und Zugang zu eth­nis­chen Gemein­schaften, die ihre gerin­gen sozialen Teil­habechan­cen teil­weise verbessern kön­nen. Zurück in den Unterkün­ften in den ent­fer­n­ten ländlichen Regio­nen bleibt die Dias­po­ra der extrem mar­gin­al­isierten Asyl­be­wer­ber. In manchen der ländlichen Unterkün­fte wohnt per­ma­nent nur etwa ein Fün­f­tel der gemelde­ten Bewohner.

Manch­mal kön­nen wir in unser­er Arbeit nur schw­er unter­schei­den, ob die Depres­siv­ität von Opfern Folge eines ras­sis­tis­chen Angriffs ist oder ob sie den mar­gin­al­isieren­den Lebensver­hält­nis­sen geschuldet ist. Es kam zur para­dox­en Erfahrung, dass Opfer nach einem ras­sis­tis­chen Angriff endlich die Hoff­nung entwick­el­ten, wegen des Angriffs in eine größere Stadt umverteilt zu wer­den. Bei der Moti­va­tion für den Umzug lässt sich kaum mehr unter­schei­den, welchen Ein­fluss die trau­ma­tis­che Opfer­erfahrung, welchen Ein­fluss die soziale Iso­la­tion der all­ge­meinen Lage als Asyl­be­wer­ber und welchen Ein­fluss die Hoff­nun­gen auf bessere soziale Teil­habechan­cen in den größeren Städten haben. Die Stadt Pots­dam ist ein Beispiel für eine wider­sprüch­liche Entwick­lung. Ein­er­seits haben sich die Lebens­be­din­gun­gen für Asyl­be­wer­ber durch eine Rei­he von Inte­gra­tions­maß­nah­men wie Sprachkurse und eigene Woh­nun­gen deut­lich verbessert. Auch haben sich kleine eth­nis­che Gemein­schaften mit Anschluss an grö&sz
lig;ere in Berlin gebildet. Ander­er­seits, ger­ade weil Nicht­deutsche im öffentlichen Räum häu­figer als in den Vor­jahren präsent sind, kam es zu ein­er Häu­fung ras­sis­tis­ch­er Angriffe im Jahr 2002. In diesem Jahr haben wir zwölf Angriffe auf Migranten und Asyl­be­wer­ber in Pots­dam reg­istri­ert. Den­noch ist Pots­dam weit­er­hin ein Ziel für Umverteilun­gen von Asyl­be­wer­bern aus den ländlichen Regio­nen. In Rathenow hinge­gen haben sich in diesem Jahr nur noch drei ras­sis­tis­che Gewalt­tat­en ereignet, und den­noch ist dort der Wun­sch nach Umverteilung nach wie vor weit verbreitet.

Die Prob­lematik von Umverteilun­gen kann als Indika­tor für das Zusam­men­wirken ras­sis­tis­ch­er Gewalt, All­t­a­gras­sis­mus und insti­tu­tionellem Ras­sis­mus gele­sen wer­den. Daran kann auch verdeut­licht wer­den, dass eine isolierte Betra­ch­tung der ras­sis­tis­chen Gewalt an der Leben­sre­al­ität von Asyl­be­wer­bern vor­beige­ht. Erst die Gesamtheit der Aus­gren­zungser­fahrun­gen kon­sti­tu­iert die Opfererfahrung. 

Verän­dertes Klima?

Bish­er wurde ver­sucht, Opfer­erfahrun­gen von Migranten und Asyl­be­wer­bern in Bran­den­burg darzustellen, so als ob sich die gesellschaftliche Sit­u­a­tion in den let­zten vier Jahren nicht gewan­delt hätte. Zu fra­gen ist nun, welchen Ein­fluss die ver­schiede­nen zivilge­sellschaftlichen Pro­jek­te und staatlichen Maß­nah­men gegen Recht­sex­trem­is­mus auf die Opfer­erfahrung hat­te. Dass sich diese Frage an dieser Stelle nur anreißen lässt, dürfte sich von selb­st ver­ste­hen. Ich möchte den­noch ein paar Hin­weise geben. Zunächst: die Gesamtzahl der Gewalt­de­lik­te mit ras­sis­tis­ch­er oder recht­sex­tremer Moti­va­tion ist nicht zurück­ge­gan­gen, die Entwick­lung ist jedoch region­al unein­heitlich. Das Beispiel Rathenow mag dafür ste­hen, wie die ras­sis­tis­che Gewalt recht­sex­tremer Jugend­cliquen zeitweise zurückge­drängt wer­den kon­nte. Das dürfte an ein­er Kom­bi­na­tion ein­er ver­schärften staatlichen Repres­sion mit einem gestärk­ten Selb­st­be­wusst­sein der Asyl­be­wer­ber liegen, die nicht mehr als leichte Opfer wahrgenom­men wer­den. Fraglich ist jedoch, wie nach­haltig die Eindäm­mung der ras­sis­tis­chen Gewalt ist, denn eine Mobil­isierung der Zivilge­sellschaft gelang in Rathenow bish­er nur in kleinen Ansätzen. Das Gegen­beispiel ist Pots­dam, wo eine vielfältige Land­schaft zivilge­sellschaftlich­er Ini­tia­tiv­en ent­standen ist, sich die Zahl der Angriffe jedoch noch gesteigert hat.

Jen­seits der Frage nach der Entwick­lung der ras­sis­tis­chen Gewalt hat sich die Sit­u­a­tion in eini­gen Bere­ichen deut­lich verbessert. Das bet­rifft die Res­o­nanz für nicht­deutsche Opfer bei Polizei und Jus­tiz, das Ange­bot von Opfer­hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen, das Ver­hal­ten von Kom­mu­nalpoli­tik­ern und kom­mu­nalen Bünd­nis­sen und die Medi­en­berichter­stat­tung. Aus­nah­men und Rück­fälle in längst über­wun­den geglaubte Zustände sind jedoch noch immer anzutr­e­f­fen, diese kön­nen aber auf­grund der Hil­f­sange­bote und der im all­ge­meinen größeren Sen­si­bil­ität für Opfer leichter kor­rigiert werden.

Nicht geän­dert hat sich die For­tex­is­tenz ras­sis­tis­ch­er Ein­stel­lun­gen und Ver­hal­tensweisen in einem rel­e­van­ten Bevölkerung­steil Bran­den­burgs, trotz des Gegengewichts zivilge­sellschaftlich­er Ini­tia­tiv­en und lokaler Bünd­nisse. Nicht geän­dert haben sich auch die mar­gin­al­isieren­den Wirkun­gen des insti­tu­tionellen Ras­sis­mus. Ohne eine The­ma­tisierung dieser Zusam­men­hänge wer­den wir uns noch lange mit ras­sis­tis­ch­er Gewalt auseinan­der­set­zen müssen.

Mit anderen Worten: ras­sis­tis­che Gewalt kann nur als ein Teil des gesellschaftlichen Ras­sis­mus betra­chtet wer­den. Ohne die The­ma­tisierung des umfassenderen Zusam­men­hangs ras­sis­tis­ch­er Aus­gren­zung­sprozesse lässt sich auch ras­sis­tis­che Gewalt nicht nach­haltig zurück­drän­gen. Dabei ist anzunehmen, dass es nicht nur in der sub­jek­tiv­en Wahrnehmung der Opfer einen Zusam­men­hang zwis­chen ras­sis­tis­ch­er Gewalt, All­t­agsras­sis­mus und insti­tu­tioneller Ras­sis­mus gibt, son­dern dass auch innere Wirkungszusam­men­hänge beste­hen. Die ras­sis­tis­che Gewalt jugendlich­er Sub­kul­turen ist ohne den All­t­agsras­sis­mus eines rel­e­van­ten Bevölkerung­steils, als dessen Voll­streck­er sie sich fühlen, nicht denkbar. Ander­er­seits kann angenom­men wer­den, dass die soziale Sep­a­ra­tion und Mar­gin­al­ität der Asyl­be­wer­ber das Mate­r­i­al sind, durch das sich ras­sis­tis­che Diskurse selb­st bestäti­gen (vgl. Wen­del 2001c). Pos­i­tiv aus­ge­drückt: der All­t­agsras­sis­mus kann sich erst dann in nor­male, von gegen­seit­iger Anerken­nung gekennze­ich­nete Beziehun­gen zwis­chen Migranten und Ein­heimis­chen wan­deln, wenn die Basis gle­ich­berechtigter und befriedi­gen­der sozialer Teil­habechan­cen existiert. Die Real­ität in den neuen Bun­deslän­dern ist davon auf bei­den Seit­en, auf der Seite der ein­heimis­chen Bevölkerung wie auf der Seite der Migranten, noch entfernt.

Lit­er­atur

Brauns, Michael/Wendel, Kay, 2001: Nichts ist, wie es vorher war. Inter­view mit Khaled Ben­sa­ha, 2. August 2000. In: Prozess­beobach­tungs­gruppe Guben, Hg., 2001: Nur ein Tot­er mehr … Alltäglich­er Ras­sis­mus in Deutsch­land und die Het­z­jagd von Guben. Mün­ster, 105–113

Buderus, Andreas, 1998: Fünf Jahre Glatzenpflege auf Staatskosten. Jugen­dar­beit zwis­chen Poli­tik und Päd­a­gogik. Sozialpäd­a­gogis­che Jugend­pro­jek­te gegen Ras­sis­mus und Gewalt seit Hoy­er­swer­da. Konzepte, Erfahrun­gen, Per­spek­tiv­en. Bonn 

Innen­min­is­teri­um des Lan­des Nor­drhein-West­falen, Hg., 2002: Ver­fas­sungss­chutzbericht des Lan­des Nor­drhein-West­falen 2001. Düs­sel­dorf. Im Inter­net (Stand: 2003-02-25) 

Kleffn­er, Heike/Wendel, Kay, 2000a: Der Medi­endiskurs über Recht­sex­trem­is­mus in den 90er Jahren. Unveröf­fentlicht­es Manuskript.

Luzar, Clau­dia, 2002: Fall­studie Hen­nigs­dorf. Eine Analyse recht­sex­tremer Gewalt aus der Opfer­per­spek­tive. Unveröf­fentlichte Diplo­mar­beit am Otto-Suhr-Insti­tut, Freie Uni­ver­sität Berlin 

MacPher­son, William, 1999: The Stephen Lawrence Inquiry. Im Inter­net (Stand: 2003-02-26)

Opfer­per­spek­tive, 1999: Die Opfer in den Blick­punkt rück­en. In: Meck­len­burg, Jens, Hg., 1999: Was tun gegen Rechts? Berlin. Im Inter­net (Stand: 2003-02-26)

Osterkamp, Ute, 1997: Insti­tu­tioneller Ras­sis­mus. Prob­lematik und Per­spek­tiv­en. In: Paul Mecheril/Thomas Teo, Hg., 1997: Psy­cholo­gie und Ras­sis­mus. Reinbek 

Oswalt, Phillip, 2001: Rechte Gewalt und öffentlich­er Raum. In: Anlauf­stelle für Opfer rechter Gewalt, Hg., 2001: Wenn die Glatzen an der Ecke ste­hen. Die ver­bor­ge­nen Regeln des öffentlichen Raums. Cot­tbus, 16–22

Pilz, Desire, 2001: “Nig­ger­schlampe!” In: Engel­mann, Rain­er, 2001: Texte gegen Recht­sex­trem­is­mus. Würzburg. Im Inter­net (Stand: 2003-02-26)

Strobl, Rain­er, 1998: Soziale Fol­gen der Opfer­erfahrun­gen eth­nis­ch­er Min­der­heit­en. Baden-Baden

Wen­del, Kay, 2001a: Das Prinzip Opfer­per­spek­tive. In: Pfef­fer und Salz e.V., Hg., 2001: Recherche­broschüre Recht­sex­trem­is­mus. Auf den Spuren der Zivilge­sellschaft. Anger­münde. Im Inter­net (Stand: 2003-02-26) 

Wen­del, Kay, 2001b: Tol­er­an­ten­burg exposed. In: Prozess­beobach­tungs­gruppe Guben, Hg., 2001: Nur ein Tot­er mehr … Alltäglich­er Ras­sis­mus in Deutsch­land und die Het­z­jagd von Guben. Mün­ster, 19–34

Wen­del, Kay, 2001c: Rechte Gewalt und insti­tu­tioneller Ras­sis­mus. In: Prozess­beobach­tungs­gruppe Guben, Hg., 2001: Nur ein Tot­er mehr … Alltäglich­er Ras­sis­mus in Deutsch­land und die Het­z­jagd von Guben. Mün­ster, 115–122

Anmerkun­gen

[1] Eine Aus­nahme und Pio­nier­ar­beit ist die Unter­suchung von Rain­er Strobl (Strobl 1998) üb
er soziale Fol­gen der Opfer­erfahrung bei Migranten türkisch­er Herkun­ft in Nor­drhein-West­falen. Unsere Beobach­tun­gen an ein­er anderen Opfer­gruppe, vor allem an Asyl­be­wer­berIn­nen in Bran­den­burg, deck­en sich weit­ge­hend mit den von Strobl beschriebe­nen Zusam­men­hän­gen. [zurück]

[2] Für eine Darstel­lung des Konzepts der “Opfer­per­spek­tive” siehe: Opfer­per­spek­tive (1999) und Wen­del (2001a). Dieses wie auch ähn­liche Pro­jek­te in den anderen neuen Bun­deslän­dern wer­den seit Mitte 2001 über das Bun­de­spro­gramm Civ­i­tas gefördert. [zurück]

[3] Zur Kri­tik des “Hand­lungskonzepts ‚Tol­er­antes Bran­den­burg” siehe Wen­del (2001b) [zurück]

[4] vgl. Kleffner/Wendel (2000a) [zurück]

[5] Im Inter­net; diese Zahlen (Stand: 31.12.2002) weichen von der vom Lan­deskrim­i­nalamt geführten Sta­tis­tik ab, was sich vor allem mit anderen Erfas­sungskri­te­rien und Angrif­f­en, die nicht angezeigt wur­den, erk­lärt. Noch höhere Zahlen ergeben sich, wenn zusät­zlich zu den bei einem Angriff ver­let­zten Per­so­n­en auch die nicht ver­let­zten berück­sichtigt wer­den. Die sich so ergebende Zahl der von einem Angriff Betrof­fe­nen liegt bei 156 Per­so­n­en. [zurück]

[6] Ver­fas­sungss­chutzbericht des Lan­des Nor­drhein-West­falen 2001, 183–188 [zurück]

[7] Da aus der Sta­tis­tik der Gewalt­tat­en in Bran­den­burg für das Jahr 2001 nicht mehr her­vorge­ht, wie viele Gewalt­tat­en gegen Fremde gerichtet waren, greife ich auf Zahlen aus dem Jahr 2000 zurück: 112 frem­den­feindlich motivierte Gewalt­tat­en in Nor­drhein-West­falen, 65 in Bran­den­burg. Die Zahlen zur Größe der aus­ländis­chen Bevölkerung beziehen sich auf Angaben des Sta­tis­tis­chen Bun­de­samts für den 31.12.1999 (Im Inter­net, Stand: 2003-02-26). [zurück]

[8] Vgl. exem­plar­isch die Stel­lung­nahme der Opfer­per­spek­tive zur Res­i­den­zpflicht für den Peti­tion­sauss­chuss des Deutschen Bun­destags. Im Inter­net (Stand: 2003-02-26) [zurück]

[9] Das Machtver­hält­nis der Insti­tu­tio­nen über ihre Klien­tel pro­duziert auf bei­den Seit­en par­tiku­lare Erken­nt­n­is­for­men. Von Seit­en viel­er Asyl­be­wer­ber wer­den neg­a­tive Entschei­dun­gen einzel­ner Sach­bear­beit­er deren Willkür und feindlich­er, ras­sis­tis­ch­er Ein­stel­lung zugeschrieben; die Sach­bear­beit­er sehen sich ihrer­seits meist nur als aus­führende Organe der Geset­ze und Verord­nun­gen. Der Begriff insti­tu­tioneller Ras­sis­mus ver­sucht bei­de Seit­en, per­son­al­isierende Zuschrei­bun­gen und Iden­ti­fika­tion mit legit­imierten Kon­trollmech­a­nis­men, als Effek­te der­sel­ben Prax­is­form zu beschreiben. (vgl. Wen­del 2001c) [zurück]

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