Der Runde Tisch Asyl und Migration Potsdam-Mittelmark (im Folgenden „Runder Tisch“) ist ein bürgerschaftlicher Zusammenschluss von Menschen mit Flüchtlingserfahrung, ehren-amtlichen Unterstützer*innen, Arbeitgeber*innen und Träger-Vertreter*innen der Flüchtlingshilfen und Beratungsstellen im Landkreis.
Gemeinsames Ziel desNetzwerks bildet dieVerbesserung der gesellschaftlichen Teil-habechancen und Lebensbedingungen von Menschen mit Flucht-und Migrationshintergrund.Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei auf jungen Geflüchteten. Gerade deren Auf-enthaltsstatus ist trotz guter Integration vielfach unsicher.
Der Runde Tisch fordert daher, die Perspektiven junger Geflüchteter in Brandenburg substantiell zu verbessern. Ein geeigneter Weg dafür wäre die Erleichterung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Aufent-haltsgesetz (AufenthG). Die Freie Hansestadt Bremen hat im September 2020 eine entsprechende Regelung erlassen. Diesem Beispiel sollte das Land Brandenburg folgen.
Hoch motivierten und leistungsbereiten jungen Menschen mit Fluchthintergrund könnte so eine gesicherte Bleibeperspektive eröffnet werden. Dies würde zugleich einen Beitrag zur Überwindung des Fachkräftemangels in Brandenburg bedeuten und somit den Erfordernissen der hiesigen mittelständischen Wirtschaft in geeigneter Weise Rechnung tragen.
Detaillierte Problembeschreibung
Aus den Berichten der Teilnehmer*innen des Runden Tisches ist eine Vielzahl an Beispielen benannt von Geflüchteten, die seit 2015 als Minderjährige oder junge Erwachsene in die Bundesrepublik eingereist sind und hier nach derAsylantragstellung den Weg in Schule, Ausbildung und einigen Fällen sogar Studium genommen haben.
Dennoch fehlt diesen jungen Geflüchteten oftmals jede aufenthaltsrechtliche Sicherheit. Der Grund: Sie sind nach zwischenzeitlich negativ beschiedenem Asylverfahren in Deutschland lediglich ‚geduldet‘. Der bisherige Duldungsstatus führt bei einer Reihe vonBetroffenen zu ständiger Sorge vor Abschiebung. Das ist enorm belastend und macht eine nachhaltige Zukunftsplanung schwer möglich.
Zwar besteht für geduldete junge Menschen in der Schul‑, Berufs-oder Hochschulausbildung nach § 25a AufenthG („Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende“) grundsätzlich die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Die Bedin-gungen dafür sind aber außerordentlich restriktiv. Insbesondere müssen die Antragsteller*innen seit mindestens vier Jahren in Deutschland leben und dürfen das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Nicht minder schwierig zu erfüllen sind die Bedingungen für die Erteilung einer Aufen-haltserlaubnis nach § 25b AufenthG („Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration“). Hier erweist sich vor allem das Erfordernis eines in der Regel bereits achtjährigen Aufenthalts in Deutschland regelmäßig als unüberwindbare Hürde.
Diese Kombination aus Altersbeschränkung zum Zeitpunkt der Antragstellung und Dauer des Voraufenthaltes läuft der eigentlichen gesetzlichen Intention offenkundig zuwider.
Detaillierte Lösungsbeschreibung
Die Freie Hansestadt Bremen ist der skizzierten Problematik mit einem am 14.09.2020 in Kraft getretenen Erlass zur „Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für junge Geflüchtete in Bildung, Ausbildung und Studium“ begegnet. Der Erlass erleichtert die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG in mehrerlei Hinsicht deutlich:
Geduldeten jungen Geflüchteten bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres soll eine Aufenthaltserlaubnis bereits nach einer Voraufenthaltszeit von mindestens vier Jahren erteilt werden, wenn sie zusätzlich bestimmte „Integrationsmerkmale“ erfüllen. Dazu zählen alternativ
- ein vierjähriger erfolgreicher Schulbesuch im Bundesgebiet oder der Erwerb eines anerkannten Schul- oder Berufsabschlusses oder die Teilnahme an einer Einstiegs-qualifizierung,
- die Absolvierung einer Berufsausbildung oder eines Studiums oder die Teilnahme an einer staatlich geförderten Berufsvorbereitungsmaßnahme,
- die Absolvierung eines Freiwilligen Sozialen Jahres, eines Freiwilligen Ökologischen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendienstes.
Jeweils vorausgesetzt werden ausreichende Deutschkenntnisse (Niveau B1) oder hinreichende Sprachkenntnisse (Niveau A2) bei einer Zeugnisnote “befriedigend” im Fach Deutsch. Die Aufenthaltserlaubnis wird zunächst für bis zu zwei Jahre erteilt.
Der Erlass schließt die aufgezeigte Lücke zwischen den §§ 25a und b AufenthG. Er trägt somit den vom Gesetzgeber als erheblich eingestuften Integrationsleistungen junger Geflüchteter im Duldungsstatus Rechnung und verbessert deren Perspektiven.
Dies korrespondiert offenkundig mit den integrationspolitischen Zielen der Brandenburger Landesregierung. Im Abschnitt „Asyl und Integration“ des gemeinsamen Koalitionsvertrages von SPD, CDU und GRÜNEN heißt es: Das vom Bund beschlossene Fach-kräfteeinwanderungsgesetz sowie das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung werden wir mit möglichst einfachen Verfahren umsetzen, damit gut integrierte Geduldete einen gesicherten Aufenthaltsstatus erhalten. Die Spielräume auf Landesebene (Ausbildungsduldung, Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration und bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden) werden wir weiter ausschöpfen.“ (Randziffern 2952 ‑2957).
Zugleich gibt die Regelung den Ausbildungsbetrieben und (potentiellen) Arbeitgeber*innen die dringend benötigte Planungssicherheit. Auch in Anbetracht des Fachkräftemangels ist dies eine Win-Win-Situation für unser Land.
Die Erweiterung trägt zudem dem SGB VIII Kinder-und Jugendhilfegesetz Rechnungund ermöglicht eine bessere Abstimmung zwischen den aufenthaltsrechtlichen Regelungen und dem Kinder- und Jugendhilferecht (Leistungen für junge Menschen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs). Das ist unter Integrationsgesichtspunkten und im Hinblick auf die Fortsetzung des Bildungsweges ebenfalls zu befürworten.
Wir appellieren daher dringend, auch für das Land Brandenburg einen Erlass nach Bremer Vorbild zu verabschieden und somit die gesellschaftlichen Teilhabe- und Integrationschancen von leistungsbereiten und hochmotivierten jungen geflüchteten Menschen nachhaltig zu verbessern.
Bad Belzig, 6. Februar 2021
1 Hans Hansen Potsdam
2 Ruth Koschel Bad Belzig
3 Martin Kühn Saarmund
4 Ulrike Rauh Berlin
5 Max Steinacker Kleinmachnow
Mitunterzeichnende
vom Runden Tisch Asyl und Migration Potsdam-Mittelmark:
6 Wolf Thieme, Bad Belzig
7 Dieter Zastrow, Bad Belzig
8 Gabriele Schrader
9 Erika Pusch, Teltow
10 Siavash Valizadeh
11 Nadine Azad-Belz, Treuenbrietzen
12 Susanne Dütz, Michendorf
13 Ulrike Wunderlich, Michendorf OT Fresdorf
14 Katrin Möbius, Bad Belzig
15 Martina Endries-Klocksin, Kleinmachnow
14 Werner Kübler, Falkensee
15 Beate Schädler, Neuruppin („Neuruppin bleibt bunt“)
16 Gabriela Weischet, Neuruppin
17 Pfn. Christiane Schulz, Neuruppin
18 Lothar Kliesch, Fürstenberg
19 Ilse Schmiedecke, Oberkrämer
20 Kathleen Kunath
21 Ines Richter, Gransee
22 Christoph Poldrack, Leegebruch
23 Werner Moll
24 Stefan Fulz
25 Evelyn Muelenz (Koordination ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit Kirchengemeinde St. Andreas Teltow)
26 Tanita Sohr
27 Dennis Behrouzi
28 Philipp Grunwald, Asylverfahrensberatung, Ev. Kirchenkreis Barnim
29 Stefan Bürger
30 Frederik Hahn, Kleinmachnow (Sprecher des Kreisvorstands BÜNDNIS90/Die GRÜNENPM, Kreistagsmitglied und Mitglied der Gemeindevertretung Kleinmachnow)
31 Anna Emmendörffer, Teltow (Fraktionsvorsitzende GRÜNE/LINKE in der Teltower SVV, Sprecherin des Kreisverbands PM)
32 Dr. Burkhard Kroll, KreistagsabgeordneterBÜNDNIS 90/Die GRÜNEN PM
33 Dr. Johannes Blatt, Gemeindevertreter in Wiesenburg/MarkBÜNDNIS90/Die GRÜNENPM
Initiativen
1 Belziger Forum e.V./Infocafé Der Winkel
2 Bürger*innen-Asyl Barnim
3 Barnim für alle
4 ESTAruppin e.V. (Christiane Schulz)
5 Initiative Willkommen in Birkenwerder
6 Jugendliche Ohne Grenzen Brandenburg (Jibran Khalil)
7 Netzwerk Neue Nachbarn Werder (Editha Stürtz-Frase)
8 Pangea der Universität Potsdam
9 potsdam konvoi
10 Willkommen in Falkensee (Kathleen Kunath)
11 Willkommen in Gransee (Ines Richter)
12 Willkommensinitiative Zehdenick (Petra Delport)