Vor knapp einem Jahr, in der Nacht vom 23. März 03, griffen Neonazis einen linken Jugendlichen am Bahnhof Rehbrücke in Potsdam an. Mit einem Teleskopschlagstock schlugen sie auf den Linken ein, traten ihn und warfen ihn anschließend auf die Bahngleise. Nur die Verspätung des einfahrenden Zuges verhinderte noch Schlimmeres.
Letzten Donnerstag standen nun die rechten Schläger vor Gericht. Kahlgeschoren, tätowiert und angriffslustig präsentierte sich zunächst das Sympathisantenumfeld der Nazischläger Heiko G., Jens F. und Enrico P.. Die Clique um die drei ist nicht unbekannt in Potsdam. Sie fielen schon mehrfach wegen rechter Untaten auf und beteiligten sich auch rege an bundesweiten Aktivitäten der Rechten, wie bspw. die im Prozess von der Clique selbst zu Protokoll gegebene Teilnahme an der NPD Demo am 18.1.2003 in Magdeburg zeigt.
Bisher scheinen sich die Nazis in Potsdam ziemlich sicher und im Zweifelsfall als Herren der Straße gefühlt zu haben. Noch bevor der Prozess begonnen hatte, versuchten einige Rechte, Fotos von den AntifaschistInnen zu machen, die zum Gerichtsprozess kamen. Später im Prozess kommentiert Jens F. die Nachfrage zur „Anti-Antifa“ mit den Worten „Dazu sage ich nichts“. Auch wenn den Potsdamer Linken noch etwas Routine im Umgang mit dreisten Drohverhalten von Nazis, hier den Fotografierversuchen, fehlt, reichte schon die Zahl der gekommenen UnterstützerInnen, die Naziaktivitäten vor dem Gerichtsgebäude gründlich misslingen zu lassen. So kamen nicht wie in früheren Prozessen allenfalls einzelne Freunde des Opfers, sondern eine ganze Reihe von linken AktivistInnen und Einzelpersonen, um den Prozess zu beobachten.
Ein Transparent mit der Aufschrift “Dies war kein Einzelfall. Den rechten Terror in Potsdam stoppen!” wurde vor dem Gerichtsgebäude in Potsdam entrollt.
Die mit den Tätern sympathisierenden Nazis verzogen sich angesichts der Überzahl Nicht-Rechter vermummt in eine Ecke und kamen letztlich noch nicht mal in den Gerichtssaal. Den Angeklagten und rechten Zeugen verging das bisherige großspurige Selbstbewusstsein noch schneller, sie ließen sich schließlich mit polizeilichem Begleitschutz in den Gerichtssaal führen.
Nach dem Angriff am 23.03.03 hatte Heiko G. hingegen sogar noch die Dreistigkeit besessen, sich beim Opfer zu melden. Er hatte versucht, das Opfer zu einer Falschaussage zu bewegen, damit er nicht in den Knast kommt.
Könnte der Prozess in Potsdam vielleicht einen Wechsel einläuten? Das Interesse der Potsdamer Linken am Prozess zeigt, dass Angriffe gerade auch auf jüngere AktivistInnen kein Einzelschicksaal sind, bedroht fühlten sich viele. Sichtbarer wird nun, dass es Wege gibt, sich der Straßengewalt von Nazis entgegen zu setzen. Indem Angriffe öffentlich gemacht werden und nicht als Alltäglichkeit hingenommen werden, scheint einige Solidarität und Unterstützung mobilisierbar. Wenn künftig mehr Jugendliche und migrantische Opfer der Vereinzelung entgegen treten und sich nach Übergriffen gezielt von anderen unterstützen lassen, lässt sich zu einem Klima beitragen, in dem bisherigen dreist-aggressiven Auftreten der Nazis der Boden entzogen wird.
Kommt zum Prozess am 26. Februar um 9 Uhr im Landgericht, Saal 09. Den Nazis den Platz wegnehmen.