Vergangene Woche präsentierte die Leiterin des brandenburgischen Verfassungsschutzes (VS), Winfriede Schreiber, in Potsdam die Einschätzung, daß sich Neonazis immer besser vernetzen und daß eine höhere Gewaltbereitschaft zu beobachten sei. Als einen Schwerpunkt rechter Aktivitäten und Angriffe machten die Geheimdienstler den südwestlich Berlins gelegenen Landkreis Teltow-Fläming aus. Antifaschisten in dieser Region erleben indes seit langem hautnah, wie massiv sich Neonazis hier breitmachen.
Bereits vor zehn Jahren rückte der Ort Mahlow ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Im Juni 1996 warfen hier zwei Neonazis einen Feldstein auf das fahrende Auto des dunkelhäutigen Bauarbeiters Noel Martin. Er wurde bei dem darauffolgenden Unfall so schwer verletzt, daß er seitdem vom Hals abwärts gelähmt ist. Die Antifa Teltow-Fläming wollte am 16.Juni mit einer Veranstaltung in einem Gymnasium in Rangsdorf an Martins Schicksal erinnern und über aktuelle Entwicklungen in der rechten Szene informieren. Bereits vor Beginn der Veranstaltung waren etwa 30 Neonazis am Bahnhof Rangsdorf, berichtet Tamara Levy von der Antifa Teltow-Fläming im jW-Gespräch. Sie rotteten sich zusammen, sammelten Steine auf und zogen vor das Gymnasium. Die verständigte Polizei nahm elf Rechte fest und stellte Waffen sowie rechtes Propagandamaterial sicher. Die Veranstaltung selbst wurde nicht gestört.
Der Vorfall sei symptomatisch für die Vernetzung Berliner und Brandenburger Neonazis, so Levy. Zu den Festgenommenen zählten nämlich auch vorbestrafte Berliner Neonazis. Zwei von ihnen überfielen nur einen Tag nach der Entlassung aus dem Gewahrsam einen äthiopischen Jungen in Schönefeld und verletzten ihn schwer. Die Neonazis der Region treiben die Schaffung sogenannter No go areas für Linke und Migranten voran und bauen ihre Kontakte nach Berlin und Sachsen aus. Immer häufiger sei rechtes Propagandamaterial aus diesen Regionen in Teltow-Fläming zu finden, sagt Levy.
Auch eine verbesserte Organisation innerhalb der rechten Szene ist zu beobachten: »Während vor zwei Jahren die Neonazis noch öffentliche Plätze besetzten und auf zufällig vorbeikommende Andersdenkende und ‑aussehende Jagd machten, werden jetzt die Opfer gezielt ausgespäht, bedroht und schlimmstenfalls angegriffen«, so Levy. Ein von einer Antifa-Demo aus Berlin zurückkehrender Punk wurde im März von vermummten Angreifern am S‑Bahnhof Blankenfelde fotografiert, geschlagen und auf die Gleise geworfen. Nur durch Glück wurde er nicht schwerer verletzt.
Tamara Levy beklagt, ihre Gruppe stehe meist allein da, wenn es um das Öffentlichmachen solcher Vorfälle geht. Gesellschaftliches Engagement sei kaum vorhanden, das schätzten auch ehemalige Mitglieder des 2003 aufgelösten Vereins »Tolerantes Mahlow« so ein: »Die meisten Leute im Ort wollen von einem rechten Problem nichts wissen und fühlen sich als Opfer einer Hetzkampagne«.