An einem Antifaschistenmahnmal soll auch Stalinismusopfern namentlich
gedacht werden / Kaum Information über Biografien
In Spremberg wird erneut um Geschichte gestritten. An ein Mahnmal für Opfer
des Nationalsozialismus soll eine Gedenktafel für Stalinismusopfer
angebracht werden. Weitere Tafeln sollen in der Nähe an deutsche Soldaten,
Vertriebene und Zivilopfer erinnern. Altbürgermeister Egon Wochatz (CDU),
der wegen Treffen mit Angehörigen der Waffen-SS im vorigen Jahr scharf
kritisiert wurde, stellte dafür einen Antrag im Hauptausschuss. Nur die
Fraktionen der PDS und der Vereinigten Sozialgemeinschaft widersetzten sich.
Der Georgenberg mitten in Spremberg ist in der ansonsten flachen
Niederlausitzer Landschaft ein recht ansehnlicher Hügel. Auf der bewaldeten
Anhöhe befinden sich nicht nur der um 1900 gebaute Bismarckturm, ein
sowjetischer und ein deutscher Soldatenfriedhof, sondern auch ein Denkmal.
Anfang der 30er-Jahre wurde es für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs
errichtet. Ende der 50er-Jahre wurde daraus ein Mahnmal für
Widerstandskämpfer gegen den Faschismus.
Auf einem Granitsockel lehnt eine Bronzefigur, die einen fast am Boden
liegenden Menschen zeigt. An einer Umfassungsmauer wurden zwei Reliefs
angebracht, die ebenfalls an den Widerstand gegen das Naziregime erinnern.
In den Granitsockel wurden 17 Namen von KPD- und SPD-Mitgliedern gemeißelt,
die in Konzentrationslagern und Gefängnissen der Nazis ermordet oder von
SA-Leuten erschlagen wurden. Jetzt soll die Gedenkstätte um mehrere Tafeln
erweitert und damit deutlich verändert werden.
Treibende Kraft dabei ist der Georgenbergverein. Etwa 70 Mitglieder,
Spremberger und ehemalige Spremberger, haben sich hier um den
Alt-Bürgermeister, Stadtverordneten und CDU-Fraktionschef im
Spree-Neiße-Kreis, Egon Wochatz, geschart. Vereinszweck ist die
Neugestaltung des Georgenberges als zentraler Gedenkort der Stadt. Am Montag
passierte ein Antrag von Wochatz dazu den Spremberger Hauptausschuss.
Danach soll eine Tafel an der Sockelrückseite des Antifaschistendenkmals
angebracht werden, die «den Opfern des Stalinismus» gewidmet ist.
«Stellvertretend für eine Vielzahl weiterer Opfer» sollen darauf elf Namen
stehen. Außer über Ernst Tschickert, einen bekannten Sozialdemokraten aus
Spremberg, der die Nazihaft überlebte, 1949 nach Russland verschleppt wurde
und dort ums Leben kam, ist über die anderen Genannten wenig bekannt. «Die
Leute sind von uns gewissenhaft geprüft worden, die sind alle für ihre Haft
in russischen Internierungslagern rehabilitiert» , versichert Wochatz.
Klaus-Peter Schulze (CDU), seit 2002 Sprembergs Bürgermeister, will in den
nächsten Tagen mit dem Georgenbergverein über die einzelnen Namen sprechen.
«Erst dann kann ich mich dazu äußern» , sagt er.
Namen nach Protest zurückgezogen
Im Mai vorigen Jahres waren schon einmal Namen von Stalinismusopfern ohne
nähere Angaben zu ihrem Lebenslauf in der NS-Zeit vom Georgenbergverein für
eine öffentliche Ehrung vorgeschlagen worden. Darunter offenbar auch
ehemalige NSDAP-Mitglieder. Nach Protesten wurden einige Namen
zurückgezogen.
Birgit Wöllert, PDS-Abgeordnete in Spremberg, hat mit der geplanten neuen
Gedenktafel jedoch nicht nur wegen der bisher fehlenden Biografien der
Genannten ein Problem. Für sie ist es nicht hinnehmbar, dass überhaupt an
dem Sockel des Naziopferdenkmals eine Inschrift für andere Opfer angebracht
werden soll. Wer gegen das Naziregime aktiven Widerstand geleistet hat, habe
ein Recht auf Alleinstellung im Gedenken. «Nicht jeder, der in einem
russischen Lager umkam, war nur Opfer, an das man namentlich erinnern
sollte» , gibt sie zu bedenken. Am Stein für die NS-Opfer habe der
Georgenbergverein noch nie einen Kranz niedergelegt, kritisiert Wöllert und
erinnert an Ereignisse in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen vor wenigen
Tagen.
Dort hatte die Brandenburger Landtagsfraktion der rechtsextremen Deutschen
Volksunion (DVU) am Tag der Auschwitzbefreiung einen Kranz niedergelegt, der
von der Gedenkstättenleitung entfernt wurde. Auf der DVU-Kranzschleife hieß
es: «Allen Opfern des KZ Sachsenhausen, auch …» Es folgten Namen von
Inhaftierten, die nach 1945 in dem zum russischen Speziallager umgewandelten
KZ starben.
Auch in Spremberg könnte künftig in ungewöhnlich großer historischer Breite
gedacht werden. Nicht nur am Sockel des Naziopferdenkmals soll eine neue
Inschrift platziert werden. An der Umfassungsmauer sollen fünf weitere
Platten befestigt werden. Auf einer soll an «… alle Opfer von Krieg und
Gewalt im 20. Jahrhundert» erinnert werden. Daneben sind jedoch weitere vier
einzelne Inschriften jeweils für die Soldaten des Ersten und des Zweiten
Weltkrieges, für die Opfer unter der Zivilbevölkerung und für die
Vertriebenen und Flüchtlinge vorgesehen.
“Das ist ein guter Hinweis”
Dass durch die einzelne Aufzählung und Hervorhebung von verschiedenen
deutschen Opfergruppen die historische Verantwortung für die Nazibarbarei
und den Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund rücken könnte, befürchtet in
der Spremberger Kommunalpolitik offenbar kaum jemand. Gerade durch das
Zusammenfassen der Opfergruppen auf dem Georgenberg werde eine Polarisierung
verhindert, argumentiert der Spremberger CDU-Fraktionschef Hartmut Höhna.
Bürgermeister Klaus-Peter Schulze verweist auf einen Grundsatzbeschluss der
Abgeordneten von 2000, diese Tafeln anzubringen. Daran habe auch die PDS
nicht mehr gerüttelt. Dass jetzt noch mal über die Gestaltung der
Gedenkstätte in Spremberg diskutiert werde, zeige doch, dass sich
verschiedene Gruppen in der Stadt damit auseinandersetzen. Auf die Frage, ob
in Spremberg irgendwo ausdrücklich auch an die jüdischen Opfer der
Nazibarbarei öffentlich erinnert werde, sagt Schulze: «Das ist ein guter
Hinweis.»
Diskutiert wurde in Spremberg über den Umgang mit der jüngeren deutschen
Geschichte und dem Gedenken daran schon seit Jahren. Für Birgit Wöllert von
der PDS ist 1998 dabei ein markantes Jahr. Damals war auf dem Bauhof der
Stadt ein Gedenkstein für die Waffen-SS-Division «Frundsberg» aufgetaucht.
Die Division hatte in einer der letzten Kesselschlachten des Krieges im
April 1945 bei Spremberg erbittert gegen die Rote Armee gekämpft. Nach
Protesten wurde der Stein wieder abtransportiert. In die Kritik geriet auch
Egon Wochatz, damals noch Spremberger Bürgermeister, weil er mehrfach an
Veteranen-Treffen der “Frundsberger” teilgenommen und von der Anlieferung
des Gedenksteins gewusst hatte.
Blumen von Rechtsradikalen
Als im vorigen Sommer bekannt wurde, dass Wochatz entgegen anders lautender
Beteuerungen wieder bei einem “Frundsberg”-Treffen in Spremberg war, stand
sein Posten als CDU-Fraktionschef im Spree-Neiße-Kreistag auf der Kippe.
Doch die Partei stärkte ihm nach dessen erneuter Versicherung, dort nicht
mehr hinzugehen, den Rücken. Bei der Umbettung von deutschen Kriegstoten im
September vorigen Jahres legten auch Rechtsradikale auf dem Georgenberg
einen Blumenstrauß nieder.
Die neu aufgeflammte Debatte über eine Veränderung der Naziopfergedenkstätte
auf dem Georgenberg begann vor Jahren mit dem Vorschlag, die in den Stein
eingemeißelten Namen der Widerstandskämpfer mit einer undifferenzierten
Gedenktafel zu überdecken. Dagegen stemmte sich der Denkmalschutz des
Spree-Neiße-Kreises. Das Denkmal dürfe nicht verändert, aber durch
Erweiterungen ergänzt werden, so die Behörde. Wenn die Stadtverordneten Ende
des Monats den Umgestaltungsplänen zustimmen, muss die Stadt einen neu
en
Antrag dafür einreichen. Die Fachleute des Kreises wollen vor einer
Entscheidung auf jeden Fall die Landesdenkmalschützer hinzuziehen. «Wir
werden uns das natürlich sehr genau anschauen» , kündigt Sachgebietsleiter
Frank Leopold an.
Zum Thema Spremberger Georgenberg
# Auf dem Georgenberg wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Soldaten der Roten
Armee beigesetzt , die bei den Kämpfen im April 1945 in der Region ums Leben
kamen. Die Grabanlage soll in Kürze saniert werden.
# Vor einigen Jahren beschloss die Stadt Spremberg, daneben einen
Umbettungsfriedhof für deutsche Soldaten einzurichten. Durch den
Braunkohlebergbau in der Lausitz werden immer noch Gebeine von
Kriegsteilnehmern gefunden.
# Neben den Soldatengräbern und der Gedenkstätte für die NS-Opfer gibt es
einen städtischen Friedhof , auf dem keine Beisetzungen mehr erfolgen.