Nach verhindertem Anschlag in München ermitteln Behörden gegen drei Waffensammler
PRENZLAU/POTSDAM. Ein Großteil des Sprengstoffes, der für ein Attentat gegen jüdische Einrichtungen in München verwendet werden sollte, ist offenbar von Brandenburgern beschafft worden. Nach Informationen der Berliner Zeitung
ermittelt die Bundesanwaltschaft mittlerweile gegen drei Männer aus der Uckermark, die als Militaria-Sammler bekannt sind. Dabei handelt es sich um Andreas J. aus Menkin, Stefan Z. aus Wollschow und Marcel H. aus Brüssow.
Die Männer, einer von ihnen ist Mitglied der rechtsradikalen NPD, sollen auf ehemaligen Truppenübungsplätzen und auf einstigen Schlachtfeldern des
Zweiten Weltkrieges gezielt nach Munition und Waffen gesucht haben. Aus alten Panzerminen und Granaten sollen die Waffennarren die Sprengstoffmasse
entnommen haben. Jene helle Explosivmasse ist auch nach Jahrzehnten noch
waffentauglich. Ermittler gehen insbesondere Hinweisen nach, denen zufolge
die drei Männer vornehmlich in Polen nach Munition gesucht und dort auch
einschlägig bekannte Militariamärkte besucht haben sollen.
Noch ist unklar, wie der Sprengstoff nach München gelangte. Das
brandenburgische Innenministerium geht nicht davon aus, dass die
Waffensammler aus der Uckermark ideologisierte Neonazis sind. Offenbar
wussten sie nichts von den Attentatsplänen. Justizkreise in Brandenburg
rechnen deshalb damit, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen
die drei Männer, die sich derzeit wieder auf freiem Fuß befinden, nach
Brandenburg abgibt. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin
Scheuten, wollte dies am Montag nicht bestätigen. Auch der 27-jährige
Rechtsextremist Alexander Metzing, in dessen Sporttasche die Münchner
Polizei im August die 1,7 Kilogramm TNT entdeckt hatten, stammt ursprünglich
aus Brandenburg — er lebte in Luckenwalde.
Keine rechten Terrorgruppen?
Das Potsdamer Innenministerium sieht denn auch keine konkrete Gefahr in
Brandenburg. “Wir haben derzeit keine Erkenntnisse über rechtsterroristische
Strukturen”, sagte Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt. Der
Verfassungsschutz geht derzeit von 580 gewaltbereiten Skinheads und rund 200
ideologisch gefestigten Neonazis in Brandenburg aus. Weitere 1 280 Personen
werden zum rechtsextremen Personenpotenzial gezählt. Der SPD-Politiker
Christoph Schulze, Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission,
formulierte es drastischer: “Bei diesen Leuten kann man prinzipiell nichts
ausschließen, die gehen über Leichen.”
Seit Januar 2001 ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen eine gewalttätige
rechtsextremistische Gruppierung namens “Nationale Bewegung”. Diese
Gruppierung wird für den Brandanschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen
Friedhofs Potsdam Anfang 2001 verantwortlich gemacht. Auch ein
Bekennerschreiben wurde gefunden. Das Landeskriminalamt macht die “Nationale
Bewegung” für insgesamt 15 Anschläge in Potsdam und Umgebung verantwortlich.
So werden der Gruppierung Brandanschläge auf Döner-Imbisse im südwestlichen
Berliner Umland zugeschrieben. Auch hatte die “Nationale Bewegung” am 30.
Januar 2001 damit gedroht, dass unter den Besuchern des Potsdamer
Hans-Otto-Theaters “Blut fließen” werde. Grund: Der deutsch-türkische
Schauspieler Serdar Somuncu las zum 1 000. Mal aus Hitlers “Mein Kampf”.
Etwa 100 Polizisten mussten das Theater schützen. Das Innenministerium
glaubt, dass es sich bei der “Nationalen Bewegung” lediglich um ein, zwei
oder drei Täter handelt.
Straff organisiert
Derzeit macht den Verfassungsschützern eine andere rechtsextreme Gruppierung
Sorgen: der “Märkische Heimatschutz”. Diese im November 2001 gegründete
Gruppe von etwa 35 jungen Neonazis gilt als besonders straff organisiert.
“Die Gruppe ist bestrebt, die rechtsextremen freien Kameradschaften im
Nordosten Brandenburgs zu koordinieren”, heißt es beim Verfassungsschutz.
Die Gruppierung bietet Seminare an, gibt Blättchen heraus und wirbt gezielt
um jugendliche Mitglieder.
Als Vorstufe zum rechtsextremistischen Terror wertet die linksautonome
Antifa in Brandenburg die in der Neonazi-Szene verbereiteten “schwarzen
Listen”. Darin werden Adressen von potenziellen Anschlagszielen und Personen
genannt. “Doch diese schwarzen Listen werden bisher nur regional erstellt”,
sagte ein Sprecher.
Neonazis in Brandenburg
Terrorgruppen: Das Innenministerium in Potsdam geht davon aus, dass es in
Brandenburg keine Terrorgruppen von Neonazis gibt. Selbst bei der
“Nationalen Bewegung”, die für 15 Anschläge verantwortlich gemacht wird,
soll es sich um Einzeltäter oder Nachahmungstäter handeln.
Spontane Taten: Sicherheitsexperten werten die meisten Straftaten mit
rechtsextremistischem Hintergrund als Spontantaten von Neonazis.
Größtenteils seien es Propaganda-Delikte, also die öffentliche Benutzung
verbotener Symbole, aber auch Übergriffe auf Ausländer.
Waffen: Die Gewaltbereitschaft der Neonazis wird als hoch eingestuft. Doch
selbst Waffenfunde bei ihnen werden nicht als Vorstufe des Terrors gewertet,
da diese meist für Übergriffe auf Linke genutzt werden sollen. Erst Angriffe
auf öffentliche Institutionen werden offiziell als Terror angesehen.