Inforiot dokumentiert an dieser Stelle die Debatte um das Geständnis eines Berliner FAU –Mitglieds, der sich nach einer Veranstaltung in Potsdam als Vergewaltiger bekannte. Dieser Text ist eine Replik auf eine Stellungnahme des Linken Bündnisses Potsdam. Du findest diesen Text hier.
Das Gedächtnisprotokoll auf den in diesem Text Bezug genommen wird, findest du
hier.
Die Stellungnahme des Allgemeinen Syndikats (Asy) der F.A.U. Berlin findest Du hier.
An erster Stelle: Es tut uns leid, dass diese Stellungnahme erst so spät erscheint, aber wir sind mehrere Wochen lang nicht zu einer eindeutigen Position gekommen und halten den Vorfall immer noch für diskussionswürdig.
Zum einen deswegen, weil nur eine Person von uns an dem Abend anwesend war, als A. von dem Übergriff erzählt hat, und ihn auch sonst niemand kennt, zum anderen deswegen, weil wir von dem Übergriff nur die Sicht des Täters kennen und niemand das Opfer kennt, somit auch keine Definition von
Seiten der betreffenden Frau erfolgen kann. Es fällt uns auch schwer, einen 25 Jahre zurückliegenden Vorfall zu beurteilen, da eine Beurteilung die auf Erinnerungstücken beruht sicher keine sehr realistische ist.
Das heiszt nicht, dass wir denken, das eine Vergewaltigung verjähren kann. Eine Vergewaltigung kann weder verjähren, noch ist sie zu entschuldigen. Die Äusserungen A. an dem betreffenden Abend ( wie wir sie vom Hörensagen kennen), seine versuchten Entschuldigungen, zeigen zwar, dass er durchaus ein Problembewusstsein hat, allerdings sein Verhalten in keiner Weise reflektiert hat. Sie zeigen A. als Täter und als solcher muss er auch behandelt werden. Dass heiszt, sein Verhalten muss öffentlich verurteilt
werden und er persönlich muss mit der Diskussion konfrontiert werden. Wir sind froh, dass die FAU Berlin die Angelegenheit ernst nimmt und sich intern stark mit dem Thema Vergewaltigung und A.s Verhalten auseinandersetzt.
Wir halten einen Ausschluss A.s aber erst dann für sinnvoll, wenn sich nach einiger Zeit der Auseinandersetzung zeigen sollte, dass A. nicht in der Lage ist seine Tat anzuerkennen, zu reflektieren und zu einem Standpunkt zu gelangen, der sicher stellt, dass er so etwas nicht noch
einmal tun wird.
Diese Haltung wollen wir gerne noch näher erläutern:
Die FAU ist eine gewerkschaftliche Organisation, in die Menschen oft aufgrund, z.B. eigener arbeitsrechticher Probleme und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung eintreten. Viele Menschen kommen ohne jeden vorherigen linken oder linksradikalen Hintergrund in die FAU. Viele
Diskussionen, z.B. die über Sexismus führen sie in der FAU zum ersten Mal. Niemand wird mit einem politisch korrekten, reflektierten Weltbild geboren. Wir alle haben uns bestimmte Standpunkte erst im Laufe der Zeit erarbeit und trotzdem wissen wir, dass jede/ jeder von uns nicht frei von
Sexismen, Rassismen, reaktionären Verhaltensweisen ist. Jede/r von uns ist in der Lage gewaltätig zu sein und anderer Menschen Grenzen zu überschreiten.
In diesem Sinne gibt es auch keine „Freiräume“. Wir sind nirgendwo frei von uns und der Gesellschaft die uns prägt. Natürlich ist ein Raum, in dem die Zwänge möglichst gering sind, wo die Angst vor Übergriffen oder Stigmatisierung nicht mehr so groß sein muss, etwas wofür es sich zu
kämpfen lohnt. Das kann mensch aber sicher nicht, indem einzelne Menschen verbannt werden oder exemplarisch für ein gesellschafltliches Problem verurteilt werden. Und auch nicht indem wir uns selber moralisch reinwaschen, indem wir uns die problematischen Personen durch Ausschluss oder ähnliches vom Leib halten. Was wir brauchen ist eine ständige Auseinandersetzung und Diskussionsbereitschaft, die leider bislang nirgendwo, auch in der sogennannten Linken, ausreichend vorhanden ist.
Das Selbstverständnis „ Wir sind die Guten“ und die Bösen sind immer die Anderen, die rausgeschmissen werden müssen verhindert jede
Auseinandersetzung mit uns selbst und in unseren Zusammenhängen. Ein sofortiger Rausschmiss A. aus der FAU würde bedeuten, dass er kein Umfeld mehr hat, dass sein Verhalten kritisiert, so dass er sich also nicht mehr
damit auseinandersetzen müsste. Außerdem geht mit dem Rausschmiss das Signal an alle: „Lasst eure Leichen im Keller!“ Faktisch heißt das nicht Anerkennen und Thematisieren von problematischen Verhalten, sondern dass
mensch sich einfach nur nach außen „ angemessen“ präsentieren muss.
Natürlich geht auch uns Opferschutz vor Auseinandersetzung mit dem Täter. Das eigentliche Opfer ist in diesem Fall nicht anwesend. Im weiteren Sinne heißt das aber, dass A. ausgeschlossen werden muss, wenn er seine Einstellung nicht so überzeugend ändert, das von ihm keine Gefahr für andere Frauen mehr ausgeht. Wir wollen sicher nicht, auch nicht im
Entferntesten, mit jemandem zusammenarbeiten, der glaubt „Nein, heißt auch manchmal Ja“. Die Anwesenheit potentieller Vergewaltiger ist eine nicht hinnehmbare Zumutung für alle anderen, in welchen Kreisen auch immer. Das werden wir der FAU Berlin nahelegen, da ein Ausschluss nur von ihnen
vorgenommen werden kann.
Wir halten es aber für möglich, dass A. sich und sein Verhalten reflektiert und möchten ihm dafür mehr Zeit einräumen als ein paar Wochen. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit Sexualität, Gewalt und
Machtverhältnissen, vergrößert eher die Chance auf weniger
Vergewaltigungen, als ein Verdrängen dieser Probleme aus „unseren Kreisen“.
Der Glaube daran, dass Menschen sich verändern und der Wille zur Veränderung von Mensch und Gesellschaft , ist einer unsere Hauptgründe linksradikale Politik zu betreiben.
Wir hoffen, mit dieser Stellungnahme deutlich gemacht zu haben, dass wir uns der Problematik durchaus bewusst sind, darüber diskutieren, auch wenn wir nicht mit fertigen Lösungen, großen Sprüchen oder verbalem Radikalismus aufwarten können.”.