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Stoiber trotzt Pfeifkonzert in Potsdam

Pots­dam - Nein, er kneift nicht, nicht er, der Kan­zler-Her­aus­forder­er. Edmund Stoiber spricht ein­fach weit­er, beherrscht-sou­verän, mit dem Ges­tus des Über­lege­nen, mit seinem tri­um­phieren­den Lächeln. „Sie kön­nen noch so schreien: Sie wer­den mich nicht am Reden hin­dern!“ Ja, er hebt nicht ein­mal seine Stimme. Ganz so, als würde sein Auftritt nicht in einem ohren­betäuben­den Pfeifkonz­ert unterge­hen, als höre er die Schlacht­gesänge nicht: „Zieht den Bay­ern die Leder­ho­sen aus“, die Sprechchöre „Lügn­er“, ja sog­ar „Nazis raus“. Er tut so, als wäre das große Autonomen-Trans­par­ent vis-a-vis „Weißwurst für alle, son­st gibt‘s Krawalle“ Luft, als müssten seine Body­guards ein Bier­bech­er-Wur­fgeschoss nicht mit Regen­schir­men abwehren. Ein Hex­enkessel in der Stadt des preußis­chen Tol­er­anzedik­ts, fast so wie auf dem Alexan­der­platz vor einem Jahr.

Der heiße Wahlkamp­fauf­takt der märkischen Union am Ende der Pots­damer Fußgänger­zone wird gründlich gesprengt. Denn die gut 250 Mit­glieder und Sym­phati­san­ten der Union kom­men gegen die mit Trillerpfeifen und Fußball­sire­nen aus­gerüsteten gut 150 jun­gen Gegen-Demon­stran­ten nicht an. Es sind bekan­nte Gesichter unter ihnen, die bei früheren Kundge­bun­gen noch Ger­hard Schröder oder Josch­ka Fis­ch­er ausp­fif­f­en: Die hiesi­gen Aktivis­ten der Kam­pagne gegen Wehrpflicht, Haus­be­set­zer, Stu­den­ten und Schüler, aber auch die Juso-Lan­desvor­sitzende Anja Spiegel mit ihren Mit­stre­it­ern sind dabei. 

Und die CDU-Zen­trale hat die Gefahr offen­bar unter­schätzt. Er rechne nicht mit ern­sthaften Störun­gen, so Lan­des­geschäfts­führer Mario Fass­ben­der, noch kurz vor Beginn. Kon­nte die CDU nicht genü­gend eigene Leute zusam­men­trom­meln? „Wir kar­ren die Leute nicht mit Bussen her­an. Wir kön­nen nicht wie die SPD ein­fach die Gew­erkschaften bit­ten“ Die Stim­mung auf dem Platz wird gereizter. Immer wieder gibt es Rangeleien mit der Polize, ein junger Mann wird abge­führt, ein T‑Shirt zer­fet­zt. Plöt­zlich greift Sven Petke, CDU-Vizeparte­ichef, einen jun­gen Protestler, der ihn zuvor beschimpft hat­te, wütend von hin­ten ins Gesicht – unter den Augen der Polizei. Die nimmt prompt Petkes Per­son­alien auf.

Nur Stoiber lässt sich nicht provozieren, im Gegen­satz auch zu CDU-Parte­ichef Jörg Schön­bohm vor ihm, der sich in Rage redete, gegen die Pfeifend­en austeilte. Und der gegen Ex-Min­is­ter­präsi­dent Man­fred Stolpe wet­terte, der am Vortag Stoiber polemisch angriff: Er habe wohl die Schaus­pielschule besucht, als Schröder sich um die Flu­topfer küm­merte. „Herr Stolpe, so mies habe ich sie noch nie erlebt. Sie sind von der Kam­pa schon ver­dor­ben“, ruft Schön­bohm. Er sei tat­säch­lich ent­täuscht, sagt ein Vertrauter.

Nein, Stoiber redet von der Bewäl­ti­gung der Flutkatas­tro­phe und von der Abwan­derung aus dem Osten, vom nicht ein­gelösten Ver­sprechen der rot-grü­nen Bun­desregierung, die Arbeit­slosigkeit zu drück­en. Er ver­spricht, die geplante fün­fte Stufe der Ökos­teuer-Erhöhung abzuschaf­fen, die Kinder­be­treu­ungskosten steuer­lich abset­zbar zu machen. Und er erzählt, dass er damals Stolpe noch im Bun­desrat gefragt habe, wie er denn ein­er Steuere­form zus­tim­men könne, die ger­ade die für Bran­den­burg typ­is­chen kleinen Betriebe belaste, die Großun­ternehmen aber ent­laste. Sofort wer­den die Trillerpfeifen lauter. Stoiber: „Ehrlich gesagt, habe ich nicht erwartet, dass es hier so viele Vertreter des Großkap­i­tals gibt.“ Nur ganz zum Schluss zeigt der Her­aus­forder­er doch Ner­ven: „Sie inter­essieren mich gar nicht, um sie bemühe ich mich gar nicht.“ Dann ertönt die Nation­al­hymne aus den Laut­spech­ern, die Regler voll aufge­dreht. Und jet­zt, erst jet­zt wer­den die Pfiffe erst­mals übertönt.

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