Der extrem rechte Verein „Zukunft Heimat“ kommt aus dem ländlichen Dahme-Spreewald-Kreis und veranstaltet seit Wochen eine Demonstrationskampagne in Cottbus, 80 Autokilometer vom heimischen Golßen entfernt. Das wiederkehrende Motto: „Grenzen ziehen“. Den Aufrufen folgten jeweils 350 bis 450 Teilnehmende; darunter AfD-Funktionäre, NPD-Leute, Identitäre, das Umfeld der Rechtsrock-Band Frontalkraft und die Fußballschläger von Inferno Cottbus. Die nächste Demonstration ist für den 18. Juli angekündigt.
Seit Mitte 2015 hat der Verein in Orten wie Lübben und Lübbenau Demonstrationen veranstaltet, die sich vehement und rassistisch zugespitzt gegen Flüchtlinge richteten. Schon damals wurde eng mit der AfD kooperiert. Gegen Berichte über eine mögliche Beteiligung von Neonazis des verbotenen „Spreelichter“-Netzwerkes an den „Zukunft Heimat“-Aktionen setzte sich der Verein juristisch zu Wehr.
Die Allianz, die „Zukunft Heimat“ nun für die Cottbusser Demonstrationen eingegangen ist, ist breit. Die AfD ist prominent vertreten. Der Bundestagsdirektkandidat in Elbe-Elster, Peter Drenske, nahm teil, ein AfD-Transparent wird mitgeführt, die Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz und Birgit Bessin hielten Reden. Auch mit der rechtsradikalen und neu-rechten Organisation „Ein Prozent“ wird kooperiert. Als „Ein Prozent“-Abgesandter trat in Cottbus Jean-Pascal Hohm auf, der für seine Nähe zur „Identitären Bewegung“ bekannt ist. „Offizieller“ Partner der Cottbusser Demonstrationskampagne ist zudem die Dresdener „Pegida“-Gruppe. Bei einer der Demonstrationen in Dresden sprach kürzlich Christoph Berndt und warb für „Zukunft Heimat“. Pegida-Vorstand Siegfried Däbritz wiederum nahm an den Cottbusser Demonstrationen teil und hielt dort eine Rede.
„Zukunft Heimat“ verkündete bei den Demonstrationen mehrfach, dass die Teilnehmerinnen sich „nicht provozieren“ lassen sollten, dass es wichtig sei, „friedlich“ zu bleiben. Natürlich aber verfolgen die Demonstrationen unfriedliche Ziele. Die dort artikulierte Hetze, die Wahnvorstellung eines „Völkermords“, der an den Deutschen stattfinde, die rechtsradikalen Bündnispartner und der hohe Anteil an Neonazis lassen daran keine Zweifel. Bei den Aufforderungen, man solle friedlich bleiben, applaudierten brav auch die TeilnehmerInnen, die Motto-T-Shirts mit „Anti-Antifa“-Schlagringen oder mit dem unmissverständlichen Spruch „Pro Violence“ („Für Gewalt“) trugen. Das Selbstverständnis scheint zu sein: Bei der Demo können wir ja gern friedlich bleiben, zur Sache geht es später. Unmittelbar nach der Demonstration am 13. Juni kam es dementsprechend und kaum überraschend zu Angriffen im Stadtgebiet mit mehreren Verletzten.
Zum Klientel, dass sich bei den bisherigen Demonstrationen in Cottbus versammelte, zählte ein gewisser Anteil an auswärtigen Personen, die sich vermutlich in den vergangenen Jahren politisch häufiger auf AfD- oder Pegida-artigen Demonstrationen äußerten.
Vor allem aber sind die Aufmärsche ein Fixpunkt für die organisierte und subkulturelle Neonaziszene in Cottbus und Umgebung. Von NPD-Kadern bis zu rassistischen Fußballschlägern tummelte sich bei den Demonstrationen ein Querschnitt durch die extrem rechten Szenen der Region. Unter ihnen waren beispielsweise der Sänger der Band „Frontalkraft“ Sten Söhndel und deren Gitarrist Daniel Katins. Die Band unterstützte unter anderem das verbotene „Blood&Honour“-Netzwerk. Söhndel war bereits Anfang der 90er im Umfeld der Neonazi-Partei „Deutsche Alternative“ in Cottbus aktiv. Am 1. Juli feierte Frontalkraft vor einem Publikum aus über 800 Neonazis ihr 25-jähriges Bandjubiläum beim „Rock für Deutschland“ in Gera. Dort sind zahlreiche Anhänger mitgereist, die vier Tage zuvor noch beim Zukunft-Heimat-Marsch in Cottbus mitgelaufen waren.
Unterstützt wurde das „Rock für Deutschland“ auch von den Cottbuser Neonazis Martin Seidel und „Tom Rausch“ (so zumindest der entsprechende Facebookname), die beide am Vertrieb des neu gegründeten Neonaziklamotten-Labels „Black Legion“ beteiligt sind. Der Markenname nimmt Bezug auf eine Abspaltung des rassistischen Ku Klux Klans beziehungsweise auf die „Schwarze Legion“ der faschistischen Ustascha in Kroatien. „Tom Rausch“ nahm auch an zwei Demonstration von „Zukunft Heimat“ in Cottbus teil.
Die Strategie zur Erlangung einer Hegemonie durch Gewalt und das Verbreiten eigener Codes war für die Hooligan-Gruppe Inferno beim FC Energie über Jahre erfolgreich. Erst der öffentliche Druck durch die überregionale Berichterstattung erzeugt aktuell im Verein ein Umdenken. Dass die Mitglieder von Inferno deswegen nicht untätig sind, wird bei „Zukunft Heimat“ deutlich. Maximilian Braun, einer der Köpfe von Inferno, war bei den Demonstrationen vertreten und trug dabei zuletzt auch einen Beutel mit dem Slogan „Defend Cottbus“ – der unter anderem auf den geheim organisierten Nazi-Aufmarsch am 18. Januar unter dem Motto „Cottbus verteidigen“ verweist.
Die NPD ist in Cottbus mit ihren jährlichen Gedenkaufmärschen im Februar gescheitert und hat es auch danach mit ihren Veranstaltungen nicht geschafft, nennenswerte Teile der regionalen Neonazi-Szene auf ihre Seite zu ziehen. Nach anfänglichen Distanzierungsversuchen haben sie sich entschlossen, „Zukunft Heimat“ zu unterstützen. Neben dem Cottbusser Mitglied des Bundesvorstandes Ronny Zasowk war auch der langjährige NPD-Funktionär Alexander Bode bei dem Aufmarsch vertreten. Er ist der Haupttäter der Hetzjagd von Guben im Jahr 1999, in deren Folge der Algerier Farid Guendoul verblutete. Der ehemalige NPD-Landtagskandidat Falk Haffner trug bei einer „Zukunft Heimat“-Demonstration eine Fahne mit dem Aufdruck „Good Night Left Side“ und der Lausitzer NPD-Kreisvorsitzende Benjamin Mertsch lief am 27. Juni sogar an der Spitze des Aufzugs.
Die organisierte Neonazis-Szene aus Cottbus um Umgebung war bisher bei den Veranstaltungen von „Zukunft Heimat“ so umfassend vertreten, dass sie diese zum großen Teil auch dominierten. Besonders auffällig ist derweil, dass die Bundestagskandidatin der AfD Cottbus Marianne Spring-Räumschüssel und andere AfD-Lokalpolitiker sich bei den Demonstrationen bisher nicht dort blicken ließen, obwohl die Aufmärsche doch maßgeblich vom AfD-Landesvorstand unterstützt werden.