Potsdam - “Ende der Vorstellung” verlangte auf einem Spruchband die “Antifaschistische Aktion Potsdam” rigoros am Donnerstag Abend im Filmmuseum und wollte durch die Belagerung des Eingangsbereichs Interessierte an der Rezeption von Leni Riefenstahls Film “Tiefland” hindern. Eine weitere Aktionsgruppe, die es vorzog, anonym zu bleiben, eroberte die Bühne des Kinosaals. Ihr Sprecher verlas eine lange Erklärung zur Situation der Sinti und Roma während der Dreharbeiten 1940/41, die damals als “spanisches Kolorit” dem im Bergischen Land gedrehten, aber in den Pyrenäen angesiedelten Film die nötige Exotismus-Würze geben sollten.
Dass diese Komparsen auf-grund genau dieser Besonderheit im Aussehen gleichzeitig in Konzentrationslagern saßen, weshalb sie für die Dreharbeiten von der Riefenstahl GmbH zwangsverpflichtet wurden, beeindruckte die Regisseurin, Hauptdarstellerin und Produzentin damals wie heute wenig. Sie verstieg sich sogar, wie Rainer Rother vom Deutschen Historischen Museum ausführte, noch im Jahr ihres hundertsten Geburtstages zu der inzwischen gerichtlich verbotenen — Aussage, dass sie nach dem Krieg fast alle Darsteller wieder gesehen habe und keinem etwas passiert sei.
Der klagende Kölner Rom e.V. verlangt zudem eine Geste der Wiedergutmachung seitens der umstrittenen alten Dame, die aus der Privatschatulle Hitlers sieben Millionen Mark für die Produktion bekommen haben soll, wogegen das karge Salaire der Ziegeuner-Komparsen direkt an die Leitung der beiden Konzentrationslager Marzahn und Maxglan ging.
Die Protestkundgebungen hatten also ihren guten Grund und es war ein Verdienst des Anonymus, die Namen der später in Auschwitz oder anderen Lagern umgebrachten Sinti und Roma zu verlesen. Ganz und gar undemokratisch allerdings war, dass er das Publikum daran hindern wollte, den erst 1954 fertig gestellten Film überhaupt zu sehen.
So kam es nach tumultartigen Szenen, die durch einige riefenstahlbegeisterte, ältere Zuschauer mit verursacht wurden, dazu, dass uniformierte Polizisten die Störenfriede aus dem Saal entfernten. Schade, denn man sollte doch wissen, worüber man urteilt. Leni Riefenstahl flüchtete sich nach ihren das NS-Regime verherrlichen-den Dokumentarhymnen “Triumph des Willens” und “Olympia” in den Kriegsjahren mit “Tiefland” in eine lichtumklärte Kostümschmonzette.
Die geographische Entrückung der Geschichte in albern wirkende, mythenumrankte spanische Gebirgsreginen, verzückte Pseudoflamencotänze der damals fast Vierzigjährigen, die durch ent-sprechende Lichtsetzung wie zwanzig wirken sollte und eine Stilisierung der Hauptfigur zur Guten, unschuldig in den Fängen es Despoten Gelandeten sprechen eine im Gegenlicht theatralisch überhöhte, eigene Sprache. Sie habe sich immer ausschließlich für die Ästhetik ihrer Filme interessiert, behauptet die Hundertjährige auch heute noch, doch das Verdrängte bahnte sich seinen Weg schon in “Tiefland”. Es scheint, als habe sie sich von einer Schuld reinwaschen wollen.
Der durch Bernhard Minetti dämonisch wirkende Großgrundbesitzer, der seine Untergebenen entrechtet, ausbeutet und misshandelt, weist deutliche Führer-Parallelen auf, die arme Naive, schuldlos Abhängige wäre Leni Riefenstahl wohl selbst gern gewesen. Wie konnte sie, die in der anschließend gezeigten Dokumentation von Sandra Maischberger noch einmal bekräftigte, dass sie sich immer wie ein zwanzigjähriges Mädchen gefühlt habe, auch wissen, dass gerade ihre — harmlos formuliert — politische Gedankenlosigkeit und das in Bezug auf andere gänzlich fehlende Mitfühlen neuer Anlass zu abermaliger Schuld sein würde? Uneinsichtig und stur aber bleibt sie ein Phänomen, an dem sich die Geister scheiden.