FILMSTADTINFERNO Sonntag früh, so gegen halb Neun, trafen sich knapp über 40 ZugfahrerInnen, mit dem Ziel Schönberg in Mecklenburg in der Nähe der Stadt Lübeck. Einige wenige (EckCrew) zogen es vor, einen Zug eher zu nehmen, naja, Morgenstund hat ja bekanntlich Gold im Mund. Die ganzen Fanutensilien fuhren im Mannschaftsbus, bzw. in einigen Autos mit. Einzig und allein ein Spruchband wurde zur Hinfahrt mitgeführt, welches man beim Umsteigen in Bad Kleinen schnell entrollte und einige Personen des FI 99 und deren SympathisantInnen ihre Verbundenheit mit dem Genossen Wolfgang Grams bekundeten, sowie an dessen Tod gedachten. „Es war Mord“ konnten Fans und Umstehende lesen. Viel Zeit blieb nicht, die Aktion wurde schnell durchgeführt, als die Polizisten kamen, konnten sie nur noch das Spruchband entsorgen. In Schönberg erwartete uns die nächste große Überraschung. Als der Zug am Bahnsteig stehen blieb und die Türen geöffnet wurden, schauten unsere Augen auf über 50 St. Paulianer, die hier auf uns warteten. Einfach nur genial! Mit reichlich Sing-Sang ging es durch den Ort Richtung Jahnstadion. Die Vielzahl von Sicherheitskräften stellte gleich mal klar, was von denen heute zu erwarten war. Provokationen ohne Ende, Lautsprecherdurchsagen mit Gewaltandrohungen und Filmerei bestimmten das Bild. Nach einem kurzen Sprint standen die Fans aus Hamburg und Potsdam-Babelsberg vor dem „Gästeblock“. Eintritt war ermäßigt 2 ?, dazu bekam mensch noch ein Programmheft und schon konnte es sich auf dem Sportplatz mit Tribüne gemütlich gemacht werden. Mit den Autos und dem Sauf-ähh Fanbus, waren es ungefähr 180 BabelsbergerInnen plus den 70 FreundInnnen aus Hamburg runde 250 Personen. Eine beachtliche Zahl für die 500 Zuschauer insgesamt im Jahnstadion. Ein Spruch „Viele Freunde im Allgemeinen – im Besonderen nur Einen“ an die Freundschaft zwischen den Ultras des FI99 bzw. USP säumte die Bande, dazu gab es Doppelhalter, Fahnen und Schwenkfahnen. Das Spiel war schlecht, die Nulldreier lagen in der ersten Halbzeit mit 2:0 hinten, der Support lag zwischen singen, pogen und Bier trinken. Nach mehreren Anläufen schaffte es auch das Pyro in den Ground, so setzte es zum Beginn der zweiten Hälfte eine ordentliche Pyroshow, was bei den MitgliederInnen der örtlichen freiwilligen Feuerwehr wohl die ein oder andere Zuckung verursachte. Auch die Polizei hatte nach den Aufnahmen der zehn Bengalos und der verschiedenen Rauchtöpfe plötzlich keine Lust mehr zu filmen und wollte nun mal zeigen, was sie so drauf haben. Also eine schwarze Sondereinheit in die Masse reingeschickt, wobei von Seiten der Polizei versucht wurde, ein Kessel zu bilden. Die in ihm befindlichen Personen wurden mehr und mehr Richtung Ausgang gedrängt, das Problem war nur, dass dieser verschlossen war. Einige wenige schafften noch durch kurze Sprints den Ausbruch, der Rest (über 60 Personen) hatten bald keine Möglichkeit zu entkommen. Die Protestierenden von Außen wurden kurzerhand in den Kessel rein gestoßen, Einsatzleiter konnten nicht ausfindig gemacht werden, helfende Personen lagen mit Kabelbinder an den Händen auf dem Boden, das Fußballspiel war natürlich gestorben. Die Personen im Kessel mussten, nach dem man sie einzeln abgeführt hatte, Personalien abgeben und wurden erkennungsdienstlich behandelt (Foto, Videoaufnahme,…). Im Polizeieinsatz ging der Bezug zur Angemessenheit völlig verloren. Irgendwann war das Spiel dann vorbei, es ging übrigens mit 4:1 verloren und die festgenommen Personen blieben vor erst noch im Besitz der Polizei. In der Zeit bis zur Abfahrt des Zuges warteten die übrigen Fans auf die Gefangenen, bei der Schönberger Bevölkerung bedankte man sich für ihre Gastfreundschaft, die Polizei musste einige heftige Diskussionen mit anhören. Nach und nach kamen die Leute frei, bzw. fuhr sie zum Bahnhof, wo noch schön miteinander geplauscht und gesungen wurde. Nach herzlichen Verabschiedungsszenen und Dankessagungen bei den Ultra´ Sankt Pauli fuhren wir in Richtung Berlin, vorher trafen wir in Bad Kleinen noch auf den Rest der Verlorengegangenen. Die Zugfahrt dauerte ewig, in Berlin gab es noch Wortgefechte mit Hertha-Fans, im Potsdamer Hauptbahnhof war Nahrungszunahme angesagt, dann ging jede/r seinen eigenen Weg. Was mit den Personen passiert, die in den Fängen der Polizei waren ist noch nicht absehbar, auch was wir in Bezug auf diese Vorkommnisse machen wird sich in den nächsten Tagen herausstellen.
Was mit tierisch auf den Keks geht sind Leute, die fotografieren und filmen für wichtiger halten, als zum Beispiel zu supporten oder Personen zu helfen. Das als erstes! Zum zweiten wäre es bestimmt nicht schlecht, mal ein Seminar zum Thema Polizei und Repression durchzuführen, da viele nicht wissen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen. Und als Drittes: Wenn Fußballfans schon so viel auf sich nehmen und wie der letzte Dreck behandelt werden, gibt es dafür wenigstens auch mal eine Anerkennung? Vielleicht ein Fünfzeiler im nächsten Verfassungsschutzbericht?
MAZ
Polizei nimmt 36 Anhänger des SV Babelsberg 03 in Gewahrsam
Randale in Schönberg
SCHÖNBERG Am Rande der Oberliga-Partie der Fußballvereine FC Schönberg und SV Babelsberg 03 (4:1) ist es am Sonntagnachmittag zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der mecklenburgischen Polizei und Anhängern aus Babelsberg sowie des FC St. Pauli gekommen. Nachdem einige unverbesserliche Fans Rauchbomben gezündet und während des Spiels Fackeln auf das Spielfeld geworfen hatten, stürmten die Einsatzkräfte mit Gummiknüppeln den Gäste-Block und nahmen 36 Anhänger “vorübergehend in Gewahrsam”, wie Klaus Wiechmann von der Polizeidirektion Schwerin gestern auf MAZ-Anfrage bestätigte. Gegen sie werde wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch ermittelt. Wiechmann wies zugleich Vorwürfe von Augenzeugen zurück, die Polizei habe auch unbeteiligte Zuschauer “zugeführt”. “Unser Vorgehen war angemessen und richtig.”
Bereits im Vorfeld der Partie habe die Polizei erfahren, dass circa 30 bis 40 gewaltbereite Fans, “die sich selbst als linksgerichtet bezeichnen”, nach Schönberg kommen würden, so Wiechmann. Während eines Zwischenstopps auf dem Bahnhof Bad Kleinen, nördlich von Schwerin, entrollten einige Babelsberger ein Spruchband mit dem Text: “Es war Mord.” Sie spielten damit auf den RAF-Terroristen Wolfgang Grams an, der hier im Sommer 1993 bei einem Schusswechsel mit der GSG 9 ums Leben gekommen war.
Bei der Ankunft in Schönberg wurden die Potsdamer von starken Polizeikräften in Empfang genommen, unter Aufsicht ins Stadion geführt und per Video gefilmt. Auf dem Sportplatz stand bereits ein Gefangenentransporter neben dem Mannschaftsbus des SV Babelsberg. Nach dem Werfen der Feuerwerkskörper drängte die Polizei circa 60 Personen in eine Ecke des abgeriegelten Blocks und nahm sie fest. Anschließend wurden Fingerabdrücke genommen sowie Stimm- und Videoaufnahmen gemacht. Versuche von Vorstandsmitgliedern des SV Babelsberg, den Verantwortlichen des Einsatzes ausfindig zu machen und eine Deeskalation der Situation zu bewirken, scheiterten.
“Wir übernehmen im Rahmen unserer Möglichkeiten die Verantwortung für Ordnung und Sicherheit. Distanzieren uns jedoch von diesem brutalen und völlig überzogenen Einsatz, zumal die Polizei mit ihrem Auftreten zur Eskalation beigetragen hat”, sagte Jens Lüscher, Fanbeauftragter des SV Babelsberg. J.T.