(Andreas Fritsche) Nur der gute Fürst könne beraten werden – mit diesem Bezug auf Machiavelli lobte Raimund Krämer von der Politikberatungsfirma Babelconsult gestern die Landtagsfraktion der Linkspartei und deren Vorsitzende Kerstin Kaiser. Babelconsult und das Büro Wallraff & Partner halfen der Fraktion, ein Leitbild für die Entwicklung Brandenburgs zu entwerfen. Am Dienstag wurde das 47-seitige Papier »Unsere Heimat …« offiziell vorgestellt.
Auf der Grundlage des Dokuments könne die Linkspartei »gut und gerne« Regierungsverantwortung übernehmen, bestätigte Kaiser. Dazu sei es aber nicht verfasst worden. Natürlich gebe es Schnittmengen mit den Vorstellungen der SPD. Die jetzige Landesregierung mache ja auch nicht alles falsch. Kaiser betonte jedoch, dass es sich bei dem Linkspartei-Leitbild um einen notwendigen Gegenentwurf zum Regierungs-Leitbild handele. Das gemeinsame Leitbild von Landesregierung und Berliner Senat ist reich bebildert und ziemlich substanzlos. Es liest sich streckenweise wie die Werbung einer Touristinformation. Die Linkspartei nennt dagegen die Probleme des Landes beim Namen und unterbreitet Vorschläge samt Ideen für die Finanzierung. Man erinnert beispielsweise an das Steuerkonzept der Linkspartei, das dem deutschen Staat Mehreinnahmen von 64 Milliarden Euro jährlich verspricht, oder an die gewollte Vermögenssteuer.
Der Abgeordnete Ralf Christoffers räumte ein, dass es für derlei derzeit keine Mehrheit im Bundestag gebe, verwies jedoch zugleich auf Ideen, die sich auf Landesebene umsetzen ließen. Im Leitbild steht, zu einem finanzpolitischen Neuanfang gehöre allerdings auch die »klassische brandenburgische Tugend« der »strikten Sparsamkeit«.
Weiterhin heißt es im Leitbild: »Brandenburg braucht einen leistungsfähigen Staat, der soziale Gerechtigkeit durchsetzen kann …, keine aufgeblähte bürokratische Maschinerie.« Viele Entscheidungen sollten nach Ansicht der Linkspartei vor Ort getroffen werden. Das Geld für den neuen Fahrradweg müsse nicht über die »x‑te Förderschiene« von Bund und Land kommen. In diesem Zusammenhang wird der frühere Kanzler Willy Brandt (SPD) mit der Aufforderung »mehr Demokratie wagen« zitiert.
An anderer Stelle ist zu lesen: »Der letztlich tödliche Konstruktionsfehler des Realsozialismus war sein undemokratischer Charakter.« Trotzdem seien viele Menschen der DDR-Aufbaugeneration mit Recht stolz. »Es herrschte Vollbeschäftigung. Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheitsversorgung waren flächendeckend gesichert.«
Die hochkomplexe Wirtschaft von heute benötige den Markt als selbstregulierendes System. Zwischen einer demokratisch regulierten Marktwirtschaft und dem Kapitalismus neoliberaler Prägung bestehe aber ein Unterschied. Die Zwänge des Wettbewerbs – wie zum Beispiel Überstunden – sehe die Belegschaft von Betrieben nicht selten ein, heißt es. Die Politik sollte einvernehmliche Regelungen für mehr Flexibilität unterstützen, wenn sie nicht auf Kosten von Arbeitnehmerinteressen und Mitbestimmung gehen.
Die Linkspartei möchte einen Fonds für gemeinnützige Beschäftigung und will nicht die Ehe staatlich fördern, sondern Familien mit Kindern. Wesentlich unterscheiden sich die Leitbilder von Regierung und Opposition in der Frage, wie angesichts leerer Kassen mit dem Bevölkerungsschwund umgegangen werden soll. Die Regierung setzt vornehmlich auf die Förderung des Berliner Umlands und der Großstädte. Auch die Linkspartei will Infrastruktur, Versorgung und Dienstleistung bündeln, allerdings auch in weniger großen Städten, so dass ein dichteres Netz gewebt bleibt. Am 28. Oktober befasst sich ein Landesparteitag der Linkspartei in Cottbus mit dem alternativen Leitbild.
Aus dem Linkspartei-Leitbild:
»Brandenburg ist ein agrarisch geprägtes Land. Seine ländlichen Räume, vor allem jenseits des Berliner Umlandes, befinden sich seit den 1990er Jahren in einem tief greifenden Strukturwandel … Hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Steuereinnahmen, … massive Abwanderung und Vergreisung … führen zu einem dramatischen Niedergang des dörflichen Lebens … Einen Rückzug der Politik aus diesen Räumen darf es nicht geben.«
»Die Förderung von Zukunftsbranchen kann eine Landesentwicklungsplanung, die Impulse für alle Regionen setzt und krasse Disparitäten verhindert, nicht ersetzen.«
»Wir brauchen eine Politik, die Einwanderung wirklich als Chance begreift … Es muss verhindert werden, dass einheimische und ausländische Arbeitsuchende gegeneinander ausgespielt werden.«
»Die Teilhabe an Kultur … muss für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gewährleistet werden.«
»Hochschulen sind ein erstrangiger Zukunftsfaktor für ein rohstoffarmes Land wie Brandenburg. Jedoch nimmt das Land bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Hochschulen den letzten Platz unter den deutschen Ländern ein … Um akademische Exzellenz in Forschung und Lehre zu sichern, ist ein Maßnahmepaket zur Verbesserung der Qualität der Lehre dringend erforderlich.«
Aus dem Regierungs-Leitbild:
»Wir sind uns bewusst, dass Berlin als Bundeshauptstadt nationale und internationale Aufmerksamkeit erzeugt und der gesamten Region große wirtschaftliche Perspektiven eröffnet … Wir wollen die Hauptstadtfunktion Berlins stärken und Berlin als Entscheidungszentrum ausbauen.«
»Wir werden die wirtschaftliche Entwicklung räumlich konzentrieren, die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung bündeln.«
»Wir wollen eine Region sein, die in allen ihren Teilen zuwandernden Menschen eine Heimat bietet.«
»Wir sind eine Region mit einem besonders breiten kulturellen Angebot, einer beeindruckenden Vielfalt kultureller Milieus und mit einer großen innovativen Kunst- und Kulturszene. Dieser Reichtum macht die Hauptstadtregion weltweit attraktiv.«
»Wir sind eine starke Wissensregion. Nirgendwo sonst in Europa konzentrieren sich Hochschulen und weitere Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung so wie in der Hauptstadtregion. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung von Hochtechnologien …
Wir wollen durch unser Handeln deutlich machen, dass die Zukunft unserer Region in Bildung, Forschung und Innovation liegt. Wir wollen … genügend Freiräume für die Forschung gewährleisten … unsere Spitzenstellung als €päische Wissensregion sichern.«