ORANIENBURG Die Positionen zum 8. Mai stehen unversöhnlich nebeneinander.
Karl Stenzel kritisierte gestern während einer Gedenkfeier der PDS am
sowjetischen Ehrenmal in Oranienburg den Festredner Horst Schüler, der
später vorm Kreistag sprach, in scharfer Form. Der Vize-Vorsitzende des
Sachsenhausen Komitees bezeichnete Schüler als eine “miese Figur der
antikommunistischen und DDR-feindlichen Szene”. Schüler, Vorsitzender der
Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, war von der CDU-
und der SPD-Fraktion eingeladen worden.
Die Abgeordneten der PDS und der Grünen boykottierten wegen dieses
Festredners die Feierstunde zum 60. Jahrestag des Kriegsendes im Kreistag.
Die PDS hatte vor dem Kreistag zu einer eigenen Gedenkveranstaltung geladen.
80 Personen waren gekommen und Stenzel als ehemaliger Häftling im KZ
Sachsenhausen und Pfarrer Werner Liedtke aus Oranienburg sprachen.
Liedtke hielt eine beeindruckende Rede und baute Brücken. Er sprach von
einer “Gemeinschaft der Vernünftigen”. Seine Hoffnung nach den Querelen um
die parallelen Gedenkfeiern: Der politische Streit möge dazu dienen, dass
für alle ein friedliches Deutschland entsteht. Er habe immer Wert darauf
gelegt, dass es sich nicht um Konkurrenzveranstaltungen handele, sondern sie
zeitlich so gelegt seien, dass jeder an beiden Feiern teilnehmen könne. Beim
Gedenken an den Tag der Befreiung vom Faschismus gehe es auch um Versöhnung.
Liedtke: “Das große Leiden begann nicht ′45, sondern schon ′33. Der 8. Mai
′45 hat auch unserem Volk die Freiheit vom Faschismus gebracht — und die
Erkenntnis, dass Schweigen schuldig macht.” Es gebe die Verpflichtung zur
Aufrichtigkeit, so Liedtke. Zugleich steht für ihn fest, dass der
kommunistische Widerstand bisher nicht ausreichend gewürdigt worden sei.
Stenzel schoss sich auf die Person von Schüler ein. “Er gehört zu
denjenigen, die nicht mehr schamrot werden können, weil Rot die Farbe ist,
die sie nicht gern sehen.”
Schüler selbst wertete während der Gedenkfeier zwei Stunden später im
Kreistag ohne die Abgeordneten der PDS und der Grünen den Streit um seine
Person als unwürdig. Schülers Vater kam im KZ Sachsenhausen ums Leben, er
selbst war im sibirischen Arbeitslager Workuta inhaftiert.
Der heute in Hamburg lebende Journalist fühlte sich von einigen Abgeordneten
in eine Ecke gedrängt, in die er nicht gehöre. “Nein, im Gedenken an die
nationalsozialistische Diktatur die kommunistische zu verschweigen, diesen
Gefallen werde ich meinen Gegnern nicht tun.” Beide Systeme bezeichnete
Schüler dann auch als terroristisch, von der Allmacht der Partei und der
Angst der Bürger vor der übermächtigen Diktatur beherrscht. Schüler: “Der 8.
Mai 1945 ist auch der Tag, an dem die Teilung unserer Nation begann.” Eine
Diktatur habe die andere abgelöst und 17 Millionen Deutsche hätten noch 40
Jahre auf den demokratischen Rechtsstaat warten müssen, so der umstrittene
Festredner.