Der Vorsitzende des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Rolf Wischnath, hat sich “bestürzt” über die jüngste Ausweitung der V‑Mann-Affäre geäußert. “Das sind Abgründe”, sagte Wischnath gestern. Er reagierte damit auf einen Pressebericht, wonach am Vertrieb der Neonazi-CD “Noten des Hasses” neben dem V‑Mann Toni S. aus Cottbus ein V‑Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der sächsische Neonazi-Anführer Mirko H., beteiligt war.
Damit sind von drei Neonazis, die die CD mit Aufrufen zum Mord an Michel Friedmann (Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland), Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth oder Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg zu hunderten unter die Leute brachten, zwei V‑Männer des Verfassungsschutzes. Wenn sich das bestätige, dann sei dies gegenüber den Pannen beim NPD-Verbotsverfahren eine “neue Dimension”, so der Cottbuser Generalsuperintendent Rolf Wischnath. Er werde morgen Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin auf einer Vorstandssitzung des Aktionsbündnisses zu den Vorwürfen befragen. “Ich bin bisher strikt davon ausgegangen, dass V‑Leute keine Straftaten begehen dürfen.” Auch Andreas Schuster, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, forderte, dass beim Einsatz von V‑Leuten in Brandenburg klargestellt werden müsse, dass sie keine Straftaten begehen dürfen. “Durch die Affäre geraten Verfassungsschutz wie Polizei in ein negatives Licht.” Besonders pikant: Brandenburgs Verfassungsschutz und das Bundesamt waren über den Einsatz der jeweils anderen Quelle offenbar voll im Bilde. Davon geht auch der Vorsitzende der Potsdamer parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze, aus. Es sei inzwischen ja “allgemein bekannt”, so Schulze, dass es sich um eine länderübergreifende Operation von Verfassungsschutzbehörden gehandelt habe, um Hintermänner und Vertriebswege der Neonazi-Musikszene aufzudecken (die RUNDSCHAU berichtete). “Wer meint, dass dies nur mit einer Person aufzurollen ist, ist realitätsblind”, betont Schulze. Er bleibe trotzdem bei seiner Wertung, dass dem Brandenburger Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin und seiner Behörde nichts vorzuwerfen sei. Hingegen sieht sich die PDS-Landtagsabgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht in ihrer Kritik bestätigt. Die Behauptung, dass es keinen anderen Zugang zu den Hintermännern als Toni S. gegeben habe, sei durch Bekanntwerden des zweiten V‑Mannes wiederlegt. Auch habe sich der Verdacht erhärtet, dass die Behörde Toni S. nicht rechtzeitig abgeschaltet hat. Das Ganze sei “skandalös”, erklärte Kaiser-Nicht. Innenminister Jörg Schönbohm hatte nach der jüngsten Sitzung des Kontrollgremiums im Landtag bestätigt, dass der V‑Mann aus dem Ruder gelaufen war und Straftaten über das zugebilligte Maß hinaus begangen hatte. Kaiser-Nicht verwies darauf, dass die von ihr geforderte, aber von der SPD/CDU-Mehrheit bisher abgelehnte Akteneinsicht nun um so dringlicher werde. Nach den jüngsten Enthüllungen um den zweiten V‑Mann ahne sie, “warum gemauert” werde. Hingegen mahnte SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch die PDS-Abgeordnete, die PKK nicht parteipolitisch zu missbrauchen.