Schönbohm: Panne vor Neonazi-Razzia schon länger bekannt
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). Die Informationspanne um eine geplante Razzia im
rechtsextremen Milieu ist den Brandenburger Behörden offenbar schon länger bekannt
gewesen. Bis vor wenigen Tagen sei noch ermittelt worden, ob es sich um einen
Geheimnisverrat der Polizei gehandelt habe, räumte Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) am Montag in Potsdam ein. Erst jetzt habe der Fall eine «neue
Qualität» bekommen, da es sich möglicherweise um eine Indiskretion eines V‑Manns des
Verfassungsschutzes handle.
Schönbohm bewertete die am Wochenende öffentlich bekannt gewordene Affäre
als «politisch im höchsten Maße ärgerlich». Vor möglichen Konsequenzen wolle
der Innenminister die Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am
Dienstag abwarten. Zuerst wolle er den Sachverhalt prüfen und danach
überlegen, ob und inwieweit «Maßnahmen notwendig sind». Zu Forderungen nach einer
Entlassung des unter Druck geratenen brandenburgischen Verfassungsschutzchefs
Heiner Wegesin sagte Schönbohm: «Ich bin nicht gewillt, Mitarbeiter vorzeitig
aus dem Amt zu jagen».
Ein rechtsextremer Spitzel des Verfassungsschutzes soll Medienberichten
zufolge im Februar 2001 eine geplante Razzia an einen Neonazi verraten haben. Die
Polizei habe bei der Durchsuchungsaktion dann nur Fahnen und
Baseballschläger, nicht aber die erhofften Hinweise auf die Terrorgruppe «Nationale
Bewegung» gefunden. Die Gruppierung soll unter anderem den Brandanschlag auf die
Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam im Januar 2001 begangen haben.
Generalbundesanwalt Kay Nehm hat sich in die Ermittlungen eingeschaltet. Zudem
läuft wegen der neuen V‑Mann-Affäre in Potsdam ein staatsanwaltschaftliches
Ermittlungsverfahren.
Verfassungsschutz-Chef unter Druck
Innenminister Schönbohm über V‑Mann-Affäre verärgert. Sondersitzung der
Parlamentarischen Kontrolleure
(Tagesspiegel) Potsdam. Der Innenminister gerät in Rage: Die neue V‑Mann-Affäre sei “in
höchstem Maße ärgerlich”, sagte Jörg Schönbohm (CDU) am Sonntag dem
Tagesspiegel. Der Verfassungsschutz stehe nur ein halbes Jahr nach dem Wirbel um den in
Berlin verurteilten V‑Mann Toni S. erneut in den Schlagzeilen. Schönbohm
wollte jedoch von einem Rücktritt von Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin nichts
wissen: “Ich bin dagegen, immer gleich Köpfe rollen zu lassen. Im übrigen
ist Wegesin ein guter Mann.” Dagegen sagte der Vorsitzende der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze (SPD), “es wird jetzt
eng für
Wegesin”. Man müsse prüfen, “ob das Fass übergelaufen ist”. Das Vertrauen in
den Verfassungsschutz sei “stark beschädigt”. Die PKK ist für die Kontrolle
des Verfassungsschutzes zuständig. Dass zur Verschwiegenheit verpflichtete
vierköpfige Parlamentarier-Gremium wird am Dienstag wegen der Affäre zu einer
Sondersitzung zusammenkommen.
Ein rechtsextremer V‑Mann des Verfassungsschutzes, hatte, wie berichtet, im
Februar 2001 eine geplante Razzia der Potsdamer Polizei an einen Neonazi
verraten. Die Polizei zog die Razzia um zehn Tage vor, fand aber nicht die
erhofften Hinweise auf die Terrorgruppe “Nationale Bewegung”. Gegen diese ermittelt
Generalbundesanwalt Kay Nehm wegen einer Serie von Straftaten bis hin zu
Brandanschlägen. Die Fahndung nach den Tätern blieb bis heute erfolglos. In
Sicherheitskreisen wird der Verdacht geäußert, möglicherweise stehe ein weiterer
V‑Mann des Verfassungsschutzes in Kontakt zur Terrorgruppe. Es sei denkbar,
dass der Verfassungsschutz diesen Spitzel vor den Ermittlungen habe schützen
wollen und deshalb den anderen V‑Mann zum Verrat der Razzia veranlasste.
Für den PKK-Vorsitzenden Schulze hat die neue Affäre im Vergleich zu der um
Toni S. eine “ganz andere Qualität”: Nicht nur wegen des Verrats einer
geplanten Razzia gegen die rechtsextreme Szene durch einen V‑Mann des
Verfassungsschutzes, “sondern weil der Verfassungsschutz den zwei Jahre zurückliegenden
Vorgang der Parlamentarischen Kontrollkommission verschwiegen hat”. Spätestens,
als die PKK die Affäre um den in Berlin wegen des Vertriebs
rechtsextremistischer Musik-CDs verurteilten V‑Mann Toni S. aufgearbeitet habe,
hätte Wegesin
berichten müssen, dass er “noch ein anderes Problem” habe. Der
Verfassungsschutz, betonte Schulze, habe eine Informationspflicht gegenüber der PKK und
müsse diese über alle brisanten Fälle informieren. Es werde notwendig sein, den
Verfassungsschutz durch das Parlament stärker zu kontrollieren, sagte
Schulze.
Die PDS wirft Schönbohm vor, er habe den Verfassungsschutz nicht im Griff.
“Unsere früher erhobene Forderung nach dem Rücktritt Schönbohm steht noch
immer”, sagte die Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht, die auch der PKK angehört.
Die PDS will vor allem wissen, ob der Minister in den vergangenen zwei Jahren
Kenntnis vom Verrat der Razzia hatte. Schönbohm sagte dem Tagesspiegel, er
habe erst Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz Hinweise erhalten und
sei am Freitag mündlich informiert worden. Intern zeigt man sich in der CDU
besorgt, dass die neue V‑Mann-Affäre den Parteitag am kommenden Wochenende
überschatten könnte. Schönbohm stellt sich dort zur Wiederwahl als
Landesvorsitzender.
V‑Mann-Affäre belastet erneut den Verfassungsschutz
Spitzel soll Razzia der Polizei an Neonazis verraten haben
Eine neue V‑Mann-Affäre bringt Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin unter
Druck: Gut sechs Monate nach der Verurteilung des Verfassungsschutz-Spitzels
Toni S. kommt nun ans Licht, dass ein anderer Spitzel im Februar 2001 eine
Razzia der Polizei an einen Neonazi verraten haben soll. Der Chef der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze (SPD), sagte gestern der
RUNDSCHAU, es werde “jetzt eng für Wegesin”. Man müsse prüfen, ob das Fass
“übergelaufen” sei.
Die PKK ist für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig. Dass zur
Verschwiegenheit verpflichtete vierköpfige Parlamentarier-Gremium wird morgen
zu einer Sondersitzung zusammen kommen. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU),
der sich gestern gegenüber der RUNDSCHAU erstmals zur Affäre äußerte, wollte
von einem Rücktritt Wegesins nichts wissen: “Ich bin dagegen, immer gleich
Köpfe rollen zu lassen. Auch müssten verschiedene Fragen erst geklärt werden. Im
übrigen ist Wegesin ein guter Mann.” Allerdings räumte Schönbohm ein, dass
die neue Affäre “im höchsten Maße ärgerlich” sei, weil sie den
Verfassungsschutz nach dem Wirbel um den V‑Mann Toni S. erneut in die Schlagzeilen
bringe.
Für den PKK-Vorsitzenden Schulze hat die neue Affäre im Vergleich zu der um
Toni S. allerdings eine “ganz andere Qualität”: Nicht wegen des Verrats einer
geplanten Großrazzia gegen die rechtsextreme Szene durch einen V‑Mann des
Verfassungsschutzes, “was bei diesen Leuten nie ausgeschlossen werden kann”, so
Schulze. “Sondern weil der Verfassungsschutz den zwei Jahre zurückliegenden
Vorgang gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission verschwiegen hat.”
Spätestens, als die PKK die Affäre um den in Berlin enttarnten und
inzwischen wegen des Vertriebs rechtsextremistischer Musik-CD‘s verurteilten Cottbuser
V‑Mann Toni S. aufgearbeitet habe, hätte Wegesin informieren müssen, dass er
“noch ein anderes Problem” habe. Denn der Verfassungsschutz, so Schulze,
habe eine Informationspflicht gegenüber der PKK und müsse diese über alle
brisanten Fälle informieren.
Schulze sagte gegenüber der RUNDSCHAU, er
sehe das Vertrauen zum
Verfassungsschutz “stark beschädigt”. Es werde notwendig sein, den Verfassungsschutz
durch das Parlament stärker zu kontrollieren. Da die PKK keinen Kontrolleur für
den Verfassungsschutz abstellen und auch nicht selbst alle Akten durchsehen
könne, verlange er “eine neue Offenheit” des Verfassungsschutzes. Den Fall
selbst wollte Schulze noch nicht bewerten, da er nur Zeitungsberichte kenne und
noch keine Prüfung erfolgt sei. Aber wenn es stimmen sollte, dass ein
V‑Mann-Führer den Spitzel über eine bevorstehende Razzia informiert habe, wäre das
ein Skandal. Auch Innenminister Schönbohm wollte keine Wertung abgeben:
Erstens sei ein Verfahren beim Generalbundesanwalt anhängig, zweitens habe er die
Akten noch nicht studiert, sagte er gestern der RUNDSCHAU. Die PDS wirft
Schönbohm vor, den Verfassungsschut z nicht in Griff zu haben. Sie verlangt
Auskunft darüber, ob er in den vergangenen zwei Jahren Kenntnis von dem Vorgang
hatte und was er unternahm, um solche gravierenden Pannen zu verhindern.
Schönbohm sagte der RUNDSCHAU, er habe Donnerstag am Rande der
Innenministerkonferenz erste Hinweise erhalten und sei Freitag mündlich informiert
worden.
Intern zeigte man sich in der CDU besorgt, weil die neue V‑Mann-Affäre den
Parteitag am kommenden Wochenende überschatten könne. Schönbohm stellt sich
dort zur Wiederwahl als Landesvorsitzender und will eine Bilanz der Arbeit der
CDU-Minister ziehen.