V‑Mann warnte Neonazis
Spitzel des Geheimdienstes verriet Polizei-Razzia / Staatsanwalt ermittelt
(MAZ) POTSDAM Ein halbes Jahr nach der Verurteilung des Verfassungsschutz-Spitzels
Toni S. bahnt sich in Brandenburg eine noch größere V‑Mann-Affäre an. Ein
Skinhead im Sold des Geheimdienstes hat nach gemeinsamen Recherchen der MAZ und
des Berliner “Tagesspiegel” eine geplante Polizei-Razzia mit etwa 200
Beamten gegen die rechtsextreme Szene verraten. Zuvor hatte ihn der V‑Mann-Führer
über die Aktion informiert. Auf Geheiß des Generalbundesanwalts ermittelt die
Staatsanwaltschaft Potsdam nun wegen Geheimnisverrats. Das Potsdamer
Innenministerium erklärte gestern: “Zu laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen
nehmen wir keine Stellung.”
Die Panne liegt zwei Jahre zurück und steht im Zusammenhang mit Ermittlungen
gegen die neonazistische Terrorgruppe “Nationale Bewegung”. Die bis heute
nicht bekannten Mitglieder hatten am 8. Januar 2001 mit dem Brandanschlag auf
den jüdischen Friedhof in Potsdam bundesweite Empörung ausgelöst. Bundesanwalt
Kay Nehm hatte die Ermittlungen daraufhin an sich gezogen. Ein Ergebnis
liegt weiterhin nicht vor — möglicherweise wegen der V‑Mann-Panne, wie
Sicherheitskreise argwöhnen.
Im Mittelpunkt der neuen Affäre steht ein junger Skinhead, der dem
brandenburgischen Verfassungsschutz spätestens seit Herbst 2000 Informationen aus der
rechtsextremen Szene lieferte. Anfang Februar 2001 spielte der V‑Mann ein
doppeltes Spiel: Spätestens am 6. Februar setzte er den ehemaligen
Brandenburg-Chef der verbotenen Neonazi-Organisation Blood & Honour, Sven S., über
bevorstehende Polizeimaßnahmen in Kenntnis. Das Landeskriminalamt hörte diese
Telefonate ab.
Die Durchsuchung von 19 Wohnungen wurde danach um zehn Tage vorverlegt und
begann am Nachmittag des 7. Februar. Die hektisch durchgeführte Aktion
erbrachte keine Hinweise auf die “Nationale Bewegung”. Rätselhaft ist das Motiv des
V‑Mann-Führers, den V‑Mann zu informieren. Für eine Warnung bestand kein
Anlass. Die Polizei war instruiert, die Wohnung des V‑Manns nicht zu durchsuchen.
Es drohte somit keine Enttarnung.
Mission “Verrat”
Behörden hielten Panne bei Ermittlungen zu einer Terrorgruppe zwei Jahre lang geheim
POTSDAM Die Nerven lagen blank im Polizeipräsidium Potsdam an jenem
Mittwoch, dem 7. Februar 2001. In der Anspannung soll es sogar laut geworden sein.
Minuten zuvor, heißt es, sei Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin
im Präsidium erschienen. Zwischen der Nachricht, die er überbrachte, und der
Krise, die dann ausbrach, habe es einen Zusammenhang gegeben.
Die Neuigkeit, die im Präsidium um die Mittagsstunde bekannt wurde, war so
schlecht wie selten: Ein junger Skinhead, der als V‑Mann für den
brandenburgischen Verfassungsschutz tätig sei, habe einem bekannten Neonazi eine
geplante
Großrazzia gegen die rechtsextreme Szene verraten.
Es handelte sich nicht um eine x‑beliebige Aktion. Offiziell waren die
Wohnungsdurchsuchungen als Maßnahme zur allgemeinen Gefahrenabwehr deklariert,
“eigentlich richteten sie sich aber gegen Personen, die im Umfeld der
Nationalen Bewegung vermutet wurden”, erklärten Insider gleichlautend gegenüber der
MAZ und dem Tagesspiegel.
Maßnahmen gegen die “Nationale Bewegung” hatten damals Priorität.
Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte die Ermittlungen gegen die unbekannte Gruppe nach
dem Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam
übernommen. Bis zu dem Zeitpunkt hatte die “Nationale Bewegung” 13 Gewalt- und
Propaganda-Taten verübt — darunter Brandanschläge auf Imbisswagen und Dönerbuden
von Ausländern in Brandenburg.
Der spektakuläre Anschlag auf den jüdischen Friedhof wurde dennoch als
besonderes Fanal gewertet. Innenminister Jörg Schönbohm sowie sein Staatssekretär
Eike Lancelle (beide CDU) waren Stunden nach dem Anschlag am 8. Januar 2001
zur Trauerhalle geeilt und hatten ihre Erschütterung über die ruchlose Tat
bekundet. Schönbohm sagte, der Anschlag sei “nicht nur gegen deutsche Juden
gerichtet, er ist gerichtet gegen das Land Brandenburg, seine Menschen und alle
Konfessionen”. Er sei “finster entschlossen”, mit allen Konsequenzen gegen die
Täter vorzugehen.
Dass eine Polizeiaktion, die die Ermittlungen gegen die “Nationale Bewegung”
unterstützen sollte, von einem V‑Mann des Verfassungsschutzes verraten
werden könnte, ahnte damals wohl niemand.
Spitzel wurde mit Codewort gewarnt
Doch offenbar genau dies ist nach gemeinsamen Recherchen von MAZ und
Tagesspiegel geschehen: Der V‑Mann-Führer — die Kontaktperson des V‑Manns auf Seiten
des Verfassungsschutzes — hatte den jungen Skinhead mit einem Codewort auf
eine bevorstehende Polizeiaktion hingewiesen. Beim Geheimdienst sei das so
üblich, hieß es in vergleichbaren Fällen immer wieder. Ansonsten drohe einem
V‑Mann stets die Enttarnung.
Der junge V‑Mann, der in den Monaten zuvor wertvolle Hinweise auf
Skinhead-Konzerte geliefert haben soll, behielt sein brisantes Wissen jedoch nicht für
sich. Mehrfach habe er sein Geheimnis Sven S. aus Borkwalde
(Potsdam-Mittelmark) mitgeteilt. Vermutlich gab es neben Telefonaten auch
persönliche Treffen
zwischen beiden. Sven S. war für Brandenburg der Sektionschef der militanten
Neonazi-Organisation Blood & Honour, die Innenminister Otto Schily (SPD) am
14. September 2000 als kriminelle Vereinigung bundesweit verboten hatte.
Fest steht, dass der V‑Mann den Top-Neonazi S. spätestens in einem Telefonat
am 6. Februar informierte. Das Landeskriminalamt hörte mit. Der genaue
Wortlaut der Warnung ist jedoch strittig. Es gibt zwei Versionen: Nach Ansicht von
Sicherheitsexperten, die die Rolle des Verfassungsschutzes wohlwollender
darstellen, hat der V‑Mann folgendes gesagt: “Ich weiß von der Polizei, dass am
17.2. Durchsuchungen gegen Rechte laufen sollen.” Angeblich, so die
geheimdienstfreundliche Variante weiter, habe der V‑Mann diesen Termin nicht von
seinem V‑Mann-Führer genannt bekommen, sondern zufällig in einem Kneipengespräch
aufgeschnappt, das zwei Polizisten in der Gaststätte “Pipi Langstrumpf” in
Borkwalde führten. Einem Beamten sei der Samstag, 17. Februar, als Termin für
die Razzia per Handy übermittelt worden. Daraufhin habe sich der Polizist
lautstark empört, dass er schon wieder kein arbeitsfreies Wochenende habe. Der in
der Gaststätte zufällig anwesende V‑Mann habe diese Information mit dem
Hinweis seines V‑Mann-Führers kombiniert und gefolgert, dass am 17. Februar die
geplante Großrazzia anlaufen solle.
“Das glaubt doch kein Polizeischüler”
Die Skeptiker des Verfassungsschutzes hingegen verbannen diese Geschichte
ins Reich der Märchen:
“Das glaubt doch kein Polizeischüler.” Sie gehen davon aus, dass es sich
allein um eine Panne des Verfassungsschutzes handelt.
Über das Ausmaß der Panne und das Motiv der Indiskretion kann bisher nur
spekuliert werden. Die verfassungsschutzfreundliche Version lautet so: Der
Geheimnisverrat habe sich auf die Ermittlungen gegen die “Nationale Bewegung”
nicht nachteilig ausgewirkt. Offensichtlich habe die Razzia vom 7. Februar
bewirkt, dass die Gruppe anschließend nie wieder in Erscheinung trat — vermutlich,
weil sie verunsichert war.
Die verfassungsschutzkritischste Variante lautet so: Ein V‑Mann des
Geheimdienstes — vermutlich nicht identisch mit dem V‑Mann, der die Razzia verriet -
habe Kontakte zur “Nationalen Bewegung” gehalten oder sei möglicherweise
sogar ein Mitglied der Gruppe gewesen. Nachdem der Generalbundesanwalt die
Ermittlungen übernommen hatte und die Fahndung mit erhöhtem Druck forciert worden
war
, habe der Geheimdienst nur eine Chance gesehen, ohne Imageschaden und ohne
Enttarnung des mutmaßlichen V‑Manns in der “Nationalen Bewegung” aus der
Angelegenheit auszusteigen: Dies sei der Verrat der Razzia gewesen — vom
V‑Mann-Führer angestoßen, vom V‑Mann in Gesprächen mit Sven S. ausgeführt.
Es ist zumindest rätselhaft, warum der V‑Mann-Führer seinen V‑Mann über die
Razzia in Kenntnis setzte, obwohl feststand, dass die Wohnung dieses V‑Manns
nicht durchsucht werden sollte.
Die Realität am 7. Februar verlief indes so: Nach dem Krisengespräch wurden
in einer Hauruckaktion 200 Polizisten zur Durchsuchung von 19 Wohnungen in
Potsdam und Umgebung beordert. Bei den hartgesottenen Neonazis wurde jedoch
nichts Spektakuläres gefunden, lediglich Baseballschläger, Nazi-Musik-CDs und
Fahnen. Hinweise auf die “Nationale Bewegung” fanden sich nicht.
Etwa zwei Jahre gelang es den Sicherheitsbehörden in Brandenburg, die Panne
vom Februar 2001 geheimzuhalten. Als Generalbundesanwalt Kay Nehm von den
Recherchen der Märkischen Allgemeinen und des Tagesspiegels erfuhr, entsandte er
in der vergangenen Woche einen Extremismus-Experten seiner Behörde nach
Potsdam. Danach leitete die Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren
wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt ein.
V‑Mann warnte Neonazis vor Razzia
Verfassungsschutz-Spitzel vereitelte den Erfolg der Aktion. Behörden hielten den Vorgang zwei Jahre lang geheim
(Tagesspiegel) Potsdam. Ein halbes Jahr nach der Verurteilung des
Verfassungsschutz-Spitzels Toni S. bahnt sich in Brandenburg eine noch größere
V‑Mann-Affäre an. Nach
gemeinsamen Recherchen des Tagesspiegels und der in Potsdam erscheinenden
“Märkischen Allgemeinen Zeitung” erfuhr im Februar 2001 ein rechtsextremer
V‑Mann des Verfassungsschutzes von einer geplanten Polizei-Razzia und verriet sie
an einen einschlägig bekannten Neonazi. Der Spitzel hat möglicherweise
enormen Schaden angerichtet: Die Polizei hoffte, bei der Razzia auch Hinweise auf
Mitglieder der Terrorgruppe “Nationale Bewegung” zu finden, die in Potsdam und
Umgebung Brandanschläge und andere Delikte verübt hat. Als die “Nationale
Bewegung” Anfang Januar 2001 an der Trauerhalle des Potsdamer Jüdischen
Friedhofs zündelte, zog Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen an sich – bis
heute ohne Erfolg.
Die Razzia sollte die rechte Szene massiv verunsichern. Doch dann bekamen
Polizei und Verfassungsschutz selbst ein Problem. Es war der 6. Februar 2001,
ein V‑Mann des Verfassungsschutzes griff zum Telefonhörer. Am anderen Ende der
Leitung saß Sven S., eine bekannte Größe im Skinhead-Milieu. Sven S. erfuhr
interessante Neuigkeiten: Am 17. Februar werde die Potsdamer Polizei
zuschlagen. Mit einer größeren Durchsuchung. Was der V‑Mann nicht wusste: Das
Landeskriminalamt hörte seinen Gesprächspartner ab. Prompt informierten die Experten
des LKA das Polizeipräsidium Potsdam, die geplante Razzia sei verraten
worden. Am 7. Februar rauchten im Präsidium die Köpfe: Soll die Durchsuchung
abgesagt werden? Kann man sie vorziehen? Sind ad hoc überhaupt genügend Beamte und
Fahrzeuge vorhanden? Die Entscheidung fiel am Nachmittag. Mit allen
verfügbaren Streifenwagen schwärmten 200 Beamte in Potsdam und der südlichen Umgebung
aus. Doch in den Wohnungen der 19 Zielpersonen, allesamt hartgesottene
Neonazis, fand sich, wie nach dem Verrat des V‑Manns befürchtet, nur
szenetypischer Kleinkram – ein paar Hass-CDs, zwei Computer, Fahnen, Baseballschläger.
Mehr als zwei Jahre lang haben Innenministerium und Sicherheitsbehörden die
V‑Mann-Affäre vor der Öffentlichkeit verborgen. Andeutungen waren erst zu
hören, nachdem im November 2002 das Berliner Landgericht den vom Brandenburger
Verfassungsschutz geführten V‑Mann Toni S. zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt hatte.
In Brandenburger Sicherheitskreisen ist strittig, wer den Verrat der Razzia
zu verantworten hat. Verfassungsschutz, LKA und Polizeipräsidium Potsdam
äußern sich offiziell nicht. Bei Sicherheitsexperten gibt es zwei Fraktionen, die
unterschiedliche Versionen anbieten. Die Verteidiger des Verfassungsschutzes
sagen, der V‑Mann habe den Hinweis auf die Razzia von der Polizei erhalten.
In einer Kneipe in Borkwalde soll ein Polizist so laut über die Durchsuchung
geredet haben, dass der zufällig anwesende V‑Mann alles hörte. Der Spitzel
soll auch in dem Telefonat mit dem Neonazis Sven S. geäußert haben, er wisse
von der Polizei, was bevorstehe.
Die Fürsprecher der Polizei bezeichnen diese Geschichte als Märchen. Sie
verweisen auf den für den Spitzel zuständigen V‑Mann-Führer des
Verfassungsschutzes. Der Beamte hatte Anfang 2001 seinen V‑Mann vor Maßnahmen der
Polizei
gewarnt. Aber ohne konkrete Angaben, entgegnen die Verteidiger des
Verfassungsschutzes. Dies habe der V‑Mann-Führer in einer dienstlichen Erklärung
beteuert.
Als Generalbundesanwalt Kay Nehm von den Recherchen des Tagesspiegels und
der “Märkischen Allgemeinen Zeitung” erfuhr, schickte er vergangene Woche einen
Vertreter nach Potsdam. Anschließend leitete dort die Staatsanwaltschaft ein
Ermittlungsverfahren ein: wegen des Verdachts, vor der Razzia vom Februar
2001 seien Dienstgeheimnisse ausgeplaudert worden. Die Staatsanwaltschaft
benötigt jedoch für ihre Ermittlungen eine Ermächtigung des Innenministeriums.
Dieses sagt nur: “Zu laufenden Ermittlungen nehmen wir keine Stellung.”
Die Straftaten der “Nationalen Bewegung” — Eine Chronik
Tagesspiegel
10. Januar 2000: Ein Potsdamer Kommunalpolitiker erhält einen Drohbrief
einer “Bewegung für eine neue deutsche Nation”.
30. Januar 2000: Am Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler
findet die Polizei an der Autobahn 115 nahe der Berliner Landesgrenze eine
Holztafel mit einem aufgesprühten Hakenkreuz.
23. Februar 2000: Auf dem jüdischen Friedhof in Potsdam wird zwischen zwei
Grabsteinen ein Holzkreuz mit der Aufschrift “Die Nationale Bewegung gedenkt
dem durch jüdische Kommunisten ermordeten SA-Helden Horst Wessel zum 70.
Todestag 23. 02. 30″ abgelegt. Einen Tag später bezichtigt sich ein Anrufer der
“Nationalen Bewegung” gegenüber “Radio 1” der Tat.
22. März 2000: An einer Potsdamer Eisenbahnbrücke wird eine rote Fahne mit
Hakenkreuz und dem Datum “21.03.33” angebracht. In einem Bekennerbrief feiert
die “Nationale Bewegung” Adolf Hitler.
29. März 2000: Der schon im Januar belästigte Potsdamer Kommunalpolitiker
erhält ein weiteres Drohschreiben.
21. April 2000: An einem Werbegerüst in Potsdam hängt eine Fahne mit
Hakenkreuz. Am Sockel des Gerüsts liegt ein Bekennerbrief mit Bezug zu Hitlers
Geburtstag.
8. Mai 2000: Am Jahrestag der Kapitulation der Wehrmacht wird in Stahnsdorf
ein russisches Ehrenmal mit einem Hakenkreuz aus Spanholz beklebt. Außerdem
legt die “Nationale Bewegung” ein Bezichtigungsschreiben ab.
13. Juni 2000: In Kleinmachnow wird ein türkischer Imbiss angezündet.
Menschen kommen nicht zu Schaden.
30. August bis 6. September 2000: Auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof in
Mahlow werden Hakenkreuze und Worte wie “Mörder” geschmiert. Die Polizei findet
ein Bekennerschreiben der “Nationalen Bewegung”.
20. September 2000: An der Potsdamer “Villa Grenzenlos” werden NS-Symbole
und die Parole “Juden raus” gesprüht. Über einer Infotafel hängt ein
Transparent mit der Aufschrift “Potsdam ohne keine Juden”. Auf einem Fensterbrett liegt
ein Bekennerbrief.
21. September 2000: In Stahnsdorf brennt ein türkischer Imbisswagen. In der
Nähe des Tatorts liegt eine Geldkassette mit einem Bekennerschreiben.
13. November
2000: In Potsdam geht beim Chefredakteur der “Märkischen
Allgemeinen Zeitung” ein Brief mit Drohungen gegen die Jüdische Gemeinde im Land
Brandenburg ein. Einen Tag später erhält die Jüdische Gemeinde ein gleich
lautendes Schreiben.
28. Dezember 2000: In Trebbin wird ein türkischer Imbiss angezündet. In
einer Stahlblechkassette im Brandschutt finden sich Reste eines Bekennerbriefs.
8. Januar 2001: Brandanschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in
Potsdam. Die Tür der Halle wird teilweise zerstört, das Gebäude durch Ruß
beschädigt. In der Nähe liegt eine Plastiktüte mit einem Bekennerschreiben.
15. Januar 2001: Das Potsdamer Wohnheim für jüdische Zuwanderer erhält ein
Päckchen mit verdorbenem Fleisch und einem Bekennerschreiben voller
Hassparolen.
30. Januar 2001: Bei der brandenburgischen Ausländerbeauftragten geht ein
Drohschreiben ein, in dem die “Nationale Bewegung” einen Anschlag auf eine
Veranstaltung im Potsdamer Hans-Otto-Theater ankündigt. Am Abend des 30. Januar
liest dort der deutsch-türkische Schauspieler Serdar Somuncu aus Hitlers “Mein
Kampf”. Die Polizei sichert die Veranstaltung, der Anschlag bleibt aus.
Neue V‑Mann-Affäre in Potsdam?
Spitzel warnte Neonazi vor Durchsuchungsaktion
(Berliner Zeitung) POTSDAM. Offenbar gibt es eine neue V‑Mann-Affäre in Brandenburg: Wie erst
jetzt bekannt wurde, soll ein V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes
einen einschlägig bekannten Neonazi telefonisch vor einer polizeilichen
Durchsuchungsaktion gewarnt haben. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt dem
Vernehmen nach wegen Geheimnisverrats — denn es ist noch nicht geklärt, ob
der V‑Mann die Informationen möglicherweise gezielt von der Polizei oder gar
vom Verfassungsschutz bekommen hat. Die telefonische Warnung des V‑Mannes, der
für den Verfassungsschutz das rechtsradikale Milieu auskundschaften sollte,
datiert bereits aus dem Februar 2001. Damals sollten Polizeiaktionen gegen
die rechtsterroristische “Nationale Bewegung” durchgeführt werden. Die
Gruppierung hatte sich unter anderem zu dem Brandanschlag auf die Trauerhalle des
Jüdischen Friedhofes in Potsdam zu Jahresbeginn 2001 bekannt.
Aus Verfassungsschutz-Kreisen hieß es, der V‑Mann habe in einer Kneipe in
Borkwalde, die unter dem Namen “Pippi Langstrumpf” firmiert haben soll,
zufällig von der geplanten Durchsuchungsaktion erfahren, da Polizisten am Nebentisch
so laut gesprochen hätten.
Erst im November 2002 hatte das Berliner Landgericht den vom Potsdamer
Verfassungsschutz geführten V‑Mann Toni S. zu einer Bewährungsstrafe verurteilt,
weil dieser rechtsextreme Hass-Musik in großem Stil vertrieben hat. Gegen
seinen V‑Mann-Führer läuft noch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
Cottbus wegen Strafvereitelung. Die Affäre hatte eine bundesweite Debatte
ausgelöst, inwieweit staatliche Spitzel Straftaten begehen dürfen.
Zeitungen: Erneut Verfassungsschutzaffäre in Brandenburg
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). In Brandenburg gibt es erneut eine
Verfassungsschutzaffäre. Ein rechtsextremer Spitzel des Brandenburger
Verfassungsschutzes habe im
Februar 2001 eine Razzia der Polizei an einen Neonazi verraten, berichten der
Berliner «Tagesspiegel» und die Potsdamer «Märkische Allgemeine» am Samstag.
Das Gespräch sei von Beamten des Landeskriminalamtes mitgeschnitten worden,
hieß es in den Blättern. Die Polizei habe daraufhin die Durchsuchungsaktion
um zehn Tage vorgezogen. Dennoch seien nur szenetypische Utensilien wie Fahnen
und Baseballschläger gefunden worden.
Die Polizei hatte dagegen nach Recherchen der beiden Blätter gehofft, dort
auch Hinweise auf die Terrorgruppe «Nationale Bewegung» zu finden, die seit
Januar 2000 zahlreiche Straftaten bis hin zu Brandanschlägen unter anderem auf
die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam begangen haben soll. Die
Ermittlungen von Generalbundesanwalt Kay Nehm seien bislang erfolglos
geblieben.
Als Nehm von den Recherchen der beiden Blätter erfahren habe, habe er einen
Vertreter nach Potsdam entsandt. Die dortige Staatsanwaltschaft habe
daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen
im Februar 2001 eingeleitet.