25. Juni 2018 · Quelle: JWD Camp

Von Cottbus nach Kuhlmühle: Antifa heißt Landarbeit!

Das JWD-Camp ist nach Ostprignitz-Ruppin gezogen. Genauer gesagt in das klitzekleine Kuhlmühle, einen Ortsteil von Wittstock. Höchste Zeit die Beweggründe für die Wahl zu erläutern und einen Überblick darüber zu geben, was es hier an Strukturen gibt.

Das JWD-Camp ist nach Ost­prig­nitz-Rup­pin gezo­gen. Genauer gesagt in das klitzek­leine Kuhlmüh­le, einen Ort­steil von Witt­stock (Dosse). Höch­ste Zeit die Beweg­gründe für die Wahl der Region zu erläutern und einen Überblick darüber zu geben, was es hier an Struk­turen gibt.
Die Suche nach einem passende Gelände
Auf der Suche nach dem passenden Gelände stießen wir auf den Coolmüh­le e.V., der ein größeres Gelände in Kuhlmüh­le bei Witt­stock (Dosse) bewohnt und bespielt. Durch seine Größe und infra­struk­turelle Ausstat­tung bot sich Kuhlmüh­le ein­fach ide­al an, um dort unser Camp auszuricht­en. Vor allem aber haben wir uns in die liebevollen Details, die Naturkulisse um das Gelände und die zuvork­om­mende Art der dort leben­den Men­schen ver­liebt. So ist es zu unserem Entschluss gekom­men, das JWD-Camp 2018 in Kuhlmüh­le auszurichten.
Was geht ab in Kuhlmühle
Kuhlmüh­le liegt etwa 10 km von Witt­stock (Dosse) ent­fer­nt und ist ein altes Örtchen mit ein­er bewegten Geschichte. Unter ver­schiede­nen Schreib­weisen fand es 1430 bzw. 1431 erst­mals Erwäh­nung und war bekan­nt für seine Wasser­müh­le. Dann passierte erst mal nicht viel Nen­nenswertes, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als die Kom­mu­nis­tis­che Partei Deutsch­lands hier auf einem Wald­stück ein Schu­lung­sheim errichtete. 1933 vere­in­nahmte die NSDAP das Heim und machte daraus eine “Führerschule” der Hitler-Jugend, die zu einem Ver­anstal­tung­sort für Zelt­lager der faschis­tis­chen Jugen­dor­gan­i­sa­tion wurde. In der DDR wurde das Are­al als Jugen­der­hol­ung­sheim und später zu einem Teil vom Min­is­teri­um des Innern als Zen­trales Pio­nier­lager Ho Chi Minh genutzt. Ab der Wen­dezeit bis zur Auflö­sung des nahegele­ge­nen Trup­penübungsplatzes Witt­stock im Jahr 2001 diente das Gelände als Sitz für die zuständi­ge Kom­man­datur. [1]

Quelle: MAZ


Heute gehört das 27 Hek­tar große Are­al dem Coolmüh­le e.V., einem Vere­in von ver­schiede­nen Men­schen, die Lust auf Land und indi­vidu­elle Ideen zu dessen Nutzung mit­brin­gen. Selb­st­bes­timmtes Zusam­men­leben und ‑wirtschaften in alter­na­tiv­en Zusam­men­hän­gen sowie die Ent­pri­vatisierung von Besitzver­hält­nis­sen sind dabei wesentliche Eck­punk­te bei der Erschließung und Nutzung des Coolmüh­le-Gelände. Ein Teil des Coolmüh­le-Kos­mos ist der gemein­nützige Vere­in „Zen­trum für soziale und ökol­o­gis­che Nach­haltigkeit“ (ZfN). Das ZfN bietet ver­schieden­ste Sem­i­nare und Ver­anstal­tun­gen zum The­ma Nach­haltigkeits- und Umwelt­bil­dung an. Außer­dem fungiert das ZfN als Ler­nort für nach­haltige Tech­nolo­gie und betreibt seit 2014 das Hand­müh­len­mu­se­um. [2]

Auf dem Gelände des Coolmüh­le e.V. find­en mit­tler­weile ver­schieden­ste Ver­anstal­tun­gen und Fes­ti­vals statt, wie beispiel­sweise der dritte Weltkongress der Hedo­nis­tis­chen Inter­na­tionalen, das Hard­core-Fest Anchor Down, das fem­i­nis­tis­che und anti­ras­sis­tis­che in*vision Fes­ti­val sowie die Zelt­lager ver­schieden­ster Ver­bände wie der Falken und der Linksju­gend Solid.

Kajrat Batesov


Nazis jibt’s hier viele…
Ost­prig­nitz-Rup­pin gilt neben Cot­tbus als Schw­er­punkt neon­azis­tis­ch­er und ras­sis­tis­ch­er Gewalt in Bran­den­burg [3]. Trau­riger Höhep­unkt der Neon­azige­walt in der Region ist der Mord an dem Spä­taussiedler Kajrat Batesov. Er wurde von ein­er Gruppe ras­sis­tis­ch­er Ein­heimis­ch­er bei einem Dis­cobe­such 2002 zunächst bru­tal zusam­mengeschla­gen und dann mit einem 17 kg schw­eren Stein erschla­gen. [4]
Dass die Gewalt in der Region sehr lange auf einem hohen Niveau bleiben kon­nte, ist dem Umstand geschuldet, dass sich hier seit Jahren eine gewalt­bere­ite Kam­er­ad­schaftsszene bre­it gemacht hat. Vor allem die Stadt Witt­stock (Dosse) spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Hier ist das aggres­sivste Neon­azik­lien­tel im Nord­west­en Bran­den­burgs behei­matet. Immer wieder kommt es zu ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en sowie Angrif­f­en auf ver­meintlich alter­na­tive Jugendliche. Auch die ver­botene Neon­azi­gruppe „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“ hat­te hier einen Stützpunkt. Im Zuge der Ver­botsver­fü­gung im März 2016 wur­den in Witt­stock Woh­nun­gen von drei Aktivis­ten durch­sucht, darunter Sandy „Lui“ Lud­wig. Lud­wig gilt als ein­er der Köpfe der Witt­stock­er Neon­aziszene und betreibt den Tat­too-Laden „Five Ele­ments“ in der Innen­stadt. Weit­ere Vere­ini­gun­gen, wie die „Nationalen Sozial­is­ten Wittstock/Dosse“ oder die „Freien Kräfte Ost“, blieben die einzi­gen Ver­suche ein­er neon­azis­tis­chen Organ­isierung in der Stadt. Auf­grund von Inhaftierun­gen liegen die Pro­jek­te derzeit jedoch ver­mut­lich brach. [5]

Die Freien Kräfte in Witt­stock (Dosse).


Die Witt­stock­er Neon­aziszene ist gut ver­net­zt mit den Kam­er­ad­schaften in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und im Nord­west­en Bran­den­burgs, im speziellen mit den Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland. Die Freien Kräfte Neu­rup­pin wiederum sind eng verzweigt mit der NPD. Ihr führen­der Kopf, Dave Trick, sitzt eben­falls für die NPD als Stadtverord­neter in Neu­rup­pin. Enge Verbindun­gen hat­ten die Freien Kräfte Neu­rup­pin zum NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der, der für den Brand an ein­er Turn­halle in Nauen, die als Asy­lun­terkun­ft dienen sollte, im Früh­jahr 2017 verurteilt wurde. [6] Bekan­nt gewor­den sind die Freien Kräfte Neu­rup­pin durch ihren Aktion­is­mus in der Region, der 2015 mit der erfol­gre­ichen Block­ade der Demon­stra­tion zum „Tag der Deutschen Zukun­ft“ in Neu­rup­pin sein Ende fand. [7] Heute machen sich die Freien Kräfte Neu­rup­pin vor allem über kleinere Aktio­nen und Kundge­bun­gen außer­halb von Neu­rup­pin bemerkbar.

Freie Kräfte Neu­rup­pin bei ein­er Kundge­bung in Nauen 2018.


Im Zuge der ras­sis­tis­chen Mobil­isierung gegen Asy­lun­terkün­fte fan­den auch in Witt­stock Demon­stra­tio­nen im dreis­tel­ligem Teil­nehmenden­bere­ich statt. Getra­gen wur­den die Demon­stra­tio­nen weitest­ge­hend von der neon­azis­tis­chen Kle­in­st­partei „Der III. Weg“, die vor allem im Früh­jahr 2015 ihre Aktiv­itäten auf Witt­stock konzen­tri­erte. Bei diesen Demon­stra­tio­nen trat unter anderen Maik Eminger, der Zwill­ings­brud­er des im NSU-Prozess angeklagten André Eminger, als Red­ner auf. Zu ein­er Stützpunk­t­grün­dung des elitären Partei kam es hier jedoch nie. [8]

Der “III. Weg” bei ein­er asylfeindlichen Demon­stra­tion in Witt­stock (Dosse) im März 2015. Vor dem Trans­par­ent links Maik Eminger, daneben Sandy Ludwig.


Zur Bun­destagswahl erre­ichte die AfD in Ost­prig­nitz-Rup­pin 18,7 % der Wähler*innenstimmen und lag damit knapp unter dem Bran­den­burg­er Durch­schnitt von 20,2 %. Der Kreisver­band der AfD Ost­prig­nitz-Rup­pin ist auf Face­book aktiv und scheint dabei keine Berührungsäng­ste mit der gewalt­täti­gen Iden­titäre Bewe­gung zu haben: Der AfD-Kreisver­band teilt Beiträge der Iden­titären Bewe­gung, wie beispiel­sweise Videos zur antifem­i­nis­tis­chen und ras­sis­tis­chen Kam­pagne „#120Dezibel“. [9] Einen Anschluss an die Straßen­mo­bil­isierung kon­nte der Kreisver­band in der Region allerd­ings nicht find­en. Selb­st eine Ver­anstal­tung mit dem völkisch-ras­sis­tis­chen AfD-Funk­tionär Bernd Höcke in Neu­rup­pin im August 2017 wurde von großen und laut­en Gegen­protesten begleit­et. [10]
…Zeck­en aber och!
Doch neben Nazis, gibt es in der Ost­prig­nitz auch wider­ständi­ge Zen­tren. Als wichtig­stes wäre dabei das Jugend- und Wohn­pro­jekt JWP Mit­ten­Drin in Neu­rup­pin zu nen­nen. Das JWP Mit­ten­Drin ist ein antifaschis­tis­ches Haus­pro­jekt und wurde 1993 beset­zt. 2013 kaufte der Vere­in mit Hil­fe des Miethäuser­syn­dikats den alten Bahn­hof-West und sicherte damit langfristig das Pro­jekt. [11] Bis heute find­en im JWP Mit­ten­Drin poli­tis­che und kul­turelle Ver­anstal­tun­gen statt und das Haus gilt als wichtiger Anlauf­punkt für alter­na­tive Jugendliche in der Region. Andere Anlauf­punk­te sind der von der Sozial­is­tis­chen Jugend (den Falken) getra­gene Jugend­club „Pavil­lion“ in Rheins­berg und die DGB-Jugend­bil­dungsstätte Fleck­en Zechlin.

Das neue JWP MittenDrin.


All diese Pro­jek­te zeigen deut­lich, dass es ein antifaschis­tis­ches und linksradikales Poten­tial in der Region gibt. Mit dem JWD-Camp wollen wir einen weit­eren Anlauf­punkt schaf­fen für die Aktivist*innen in der Region und sie mit anderen Grup­pen und Men­schen aus Bran­den­burg und darüber hin­aus zusam­men bringen.
Nach­weise:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kuhlm%C3%BChle
[2] https://coolmuehle.org/ & https://zentrumfuernachhaltigkeit.de/
[3] https://www.opferperspektive.de/aktuelles/anzahl-rechter-gewalttaten-in-brandenburg-ungebrochen-hoch
[4] https://www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/victims-kajrat-batesov.php
[5] https://www.antifa-berlin.info/sites/d efault/files/dateien/artikel/fb_2018.pdf S. 73
[6] http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1157911/, http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1129222/
[7] http://neuruppin.no-tddz.org/2015/06/06/tddz-2015-blockaden-zwingen-nazis-in-neuruppin-zum-aufgaben/
[8] https://www.antifa-berlin.info/sites/default/files/dateien/artikel/fb_2018.pdf S. 73
[9] htxxx://www.facebook.com/afd.ostprignitz.ruppin/videos/2114742108542789
[10] https://presseservicern.wordpress.com/2017/08/25/neuruppin-proteste-gegen-afd-kundgebung-mit-bjoern-hoecke/
[11] https://www.syndikat.org/de/projekte/jwp_mittendrin/

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