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Westbrandenburg gegen NPD „Wandermahnwache“

Gegen eine so genan­nte „Wan­der­mah­nwache“ des NPD Kreisver­ban­des Hav­el-Nuthe protestierten gestern mehrere dutzend Men­schen in Tel­tow, Werder (Hav­el) und Bran­den­burg an der Havel.

NPD Kundge­bun­gen in drei Städten

In Tel­tow ver­sam­melten sich um 9:30 Uhr unge­fähr 15 bis 20 (Neo)nazis, darunter der Kreisver­bandsvor­sitzende Michel Müller und der stel­lvertre­tende Lan­desvor­sitzende Ron­ny Zasowk, auf dem Ruhls­dor­fer Platz und hiel­ten eine kurze Kundge­bung mit Rede­beitrag ab.
Gestal­ter­isch unter­malt wurde die Ver­samm­lung mit ein­er Lan­des­flagge, ein­er Kreisver­bands­fahne, einem the­ma­tis­chen Ban­ner und Papp­schildern.
Nach dem die (Neo)nazis Auf­stel­lung genom­men hat­ten, begann Ron­ny Zasowk einen Rede­beitrag zu hal­ten. Dage­gen protestierten rund 50 Teilnehmer_innen der Gegen­ver­anstal­tung, darunter das Bünd­nis „Tel­tow ohne Gren­zen“ sowie Vertreter_innen der Linksju­gend [‘Sol­id] und des Antifaschis­tis­chen Net­zw­erks Bran­den­burg an der Hav­el – Prem­nitz – Rathenow laut­stark. Auch Autofahrer_innen sol­i­darisierten sich mit dem Anliegen des Protestes und unter­stützten die par­al­lel laufende Aktion „Hupen gegen Nazis“.

In Werder (Hav­el) kamen um 10:45 Uhr unge­fähr 15 (Neo)nazis zu ein­er Kundge­bung auf dem Plan­ta­gen­platz zusam­men. Außer­dem wurde der gle­iche Rede­beitrag wie in Tel­tow gehal­ten. Zu ein­er Gegen­ver­anstal­tung mobil­isierte das lokale Bürg­er­bünd­nis „Werder (Hav­el) – Ort der Vielfalt, dessen Aufruf ca. 30 Men­schen fol­gten. Auch hier wurde der Rede­beitrag von Ron­ny Zasowk durch Hupen und Zwis­chen­rufe übertönt. Danach pack­te die NPD ihre Sachen und machte sich zum let­zten Ziel ihrer gestri­gen Etappe auf.

In Bran­den­burg an der Hav­el führte die NPD ihre Ver­samm­lung dann ab 12:15 Uhr auf dem Paul Kaiser Reka Platz fort. Hier beteiligten sich 14 (Neo)nazis an der Ver­anstal­tung, 20 Men­schen protestierten dage­gen.
Kurzzeit­ig gelang es einem Protestier­er dabei den Ablauf der NPD Kundge­bung zu stören, in dem er dem Red­ner, Andy Knape aus Magde­burg, Bun­desleit­er des Parteiord­nungs­di­en­stes (!), aus­trick­ste und einen näheren Ein­blick in seinen niedergeschriebe­nen Rede­beitrag nahm. Den Text allerd­ings zur inten­siv­en Prü­fung auf seine strafrechtliche Rel­e­vanz ansich zunehmen gelang dem Protestler jedoch nicht. Stattdessen wurde er von den Veranstaltungsteilnehmer_innen der NPD Mah­nwache ange­grif­f­en. Dabei kam es zu ein­er kurzen Rangelei zwis­chen (Neo)nazis und Protestier­ern, die durch die anwe­senden Polizeikräfte been­det wurde.
Da es die städtis­che „Koor­dinierungsstelle zur Inter­ven­tion bei rel­e­van­ten Aktiv­itäten recht­sex­tremer Grup­pierun­gen“ wieder ein­mal nicht für nötig gehal­ten hat­te sich klar gegen (neo)nazistische Aktio­nen zu posi­tion­ieren und stattdessen nur zur Ignorierung der NPD Mah­nwache aufrief (1.), meldete eine Einzelper­son eine Gegen­ver­anstal­tung als Zeichen des Protestes an. „Ignori­eren heißt schweigen und schweigen zus­tim­men“, so die Protestler_innen. Der­ar­tige Vorschläge der städtis­chen Koor­dinierungsstelle sind inakzept­abel und gle­ichzeit­ig ein Armut­szeug­nis für die drittgrößte Stadt sowie gle­ichzeit­ige Namensge­berin ihres Bun­des­lan­des.
Nach kurz­er Diskus­sion mit der Ein­sat­zlei­t­erin wurde die Gegen­ver­anstal­tung genehmigt. Auch in Bran­den­burg an der Hav­el wur­den nun Trans­par­ente mit der Auf­schrift „Hupen gegen Nazis“ hochge­hal­ten. Obwohl die Brandenburger_innen nicht so hupfreudig wie die Bürger_innen der bei­den anderen Städte waren, gelang es trotz­dem die Rede­beiträge von Andy Knape und Ron­ny Zasowk zu übertö­nen. Auch das Verteilen von Fly­ern ver­lief zu Ungun­sten der NPD, diese wur­den ein­fach wieder einge­sam­melt und der Entsorgung zugeführt.

Heim­liche Vorbereitung

Die Anmel­dung zur NPD Ver­anstal­tung wurde übri­gens erst am Fre­itag durch die Presse in der Öffentlichkeit bekan­nt (2.). Offen­bar wollte die (neo)nazistische Partei das Über­raschungsmo­ment aus­nutzen und so dann ungestört Pro­pa­gan­da ver­bre­it­en.
In der jüng­sten Zeit, so am 17. Mai und am 8. Juni in Rathenow sowie am 2. Juni in Nauen und Neu­rup­pin, hat­te die NPD und Unterstützer_innen aus den „Freien Kräften“ in West­bran­den­burg bere­its ähn­liche Aktio­nen durchge­führt. Diese richteten sich vorge­blich gegen die Europäis­che Währung­sein­heit und die Europäis­che Union.
Am gestri­gen Fre­itag wollte die west­bran­den­bur­gis­che Sek­tion der Partei nun unter dem Mot­to: „Das Geheim­nis der Frei­heit ist der Mut“ an einen Aufruhr in der ehe­ma­li­gen DDR erinnern.

The­matik 17. Juni

Am 17. Juni 1953 kam es, begin­nend mit der Arbeit­snieder­legung auf Baustellen in Ost-Berlin, zu lan­desweit­en Protesten gegen die Poli­tik der dama­li­gen Regierung der Deutschen Demokratis­chen Repub­lik sowie zur Infragestel­lung ihrer Legit­im­ität im All­ge­meinen. In eini­gen Orten, wie beispiel­sweise im „Carl v. Ossi­et­zky-Werk“ für Bauele­mente der Nachrich­t­en­tech­nik in Tel­tow erar­beit­eten die Protestierer_innen dabei konkrete poli­tis­che Forderun­gen die in Res­o­lu­tions­form an die Staats­macht entsendet wur­den. In anderen Orten, wie Bran­den­burg an der Hav­el, regierte hinge­gen der blanke Mob: Behör­den und Ämter wur­den gestürmt und ver­wüstet, das Stadthaus geplün­dert, Beamte ange­grif­f­en und ein Richter fast gelyncht. (3.)

Nur im 25km nördlich gele­ge­nen Rathenow agierte die tobende Menge noch bru­taler. Hier wurde der Werkschut­zleit­er Wil­helm Hage­dorn zusam­mengeschla­gen und in der Hav­el ertränkt. Ihm wurde eine Prahlerei in ein­er Gast­wirtschaft zum Ver­häng­nis, bei der er behauptete „300 „Faschis­ten“ und „Agen­ten“ ent­larvt und wegge­bracht“ zu haben. (4.)
Wenig später wurde in vie­len Land­kreisen der DDR der Aus­nah­mezu­s­tand ver­hängt und sow­jetis­ches Mil­itär sowie kasernierte Volk­spolizei zur Sicherung der damals gel­tenden Recht­sor­d­nung einge­set­zt. (5.)

In der alten Bun­desre­pub­lik galt der als „Volk­sauf­s­tand“ tit­ulierte Aufruhr von 1953 bis zum Beitritt der DDR zum Gel­tungs­bere­ich des Grundge­set­zes als „Tag der deutschen Ein­heit“. Heute knüpft die NPD offen­bar an die Würdi­gung dieses Ereigniss­es an, ver­sucht es im Sinne der Partei umzudeuten und daraus eine völkisch motivierte Insur­rek­tion zu entwick­eln. Der Ruf zum Auf­s­tand, der sich hin­ter dem Mot­to: „Das Geheim­nis der Frei­heit ist der Mut“ ver­birgt und in der gezeigten Ban­ner­auf­schrift: „17. Juni 1953 – 2012 einen neuen Auf­s­tand wagen!“ noch eine Steigerung erfährt, ist daher nicht als Ver­bal­radikalis­mus zu werten, son­dern als ernst gemeinte Anstachelung zur Über­win­dung von Staat und Verfassung.

Der Protest, welch­er der NPD aber wieder am Fre­itag in Tel­tow, Werder (Hav­el) und Bran­den­burg an der Hav­el ent­ge­gen­schlug, zeigte allerd­ings, dass (neo)nazistische Auf­s­tandsvi­sio­nen zurzeit keine reale Basis haben.

Quellen:

(1.) http://www.pnn.de/pm/656107/
(2.) Wie (1.)
(3.) http://www.17juni53.de/karte/potsdam/augenzeuge.html
(4.) http://www.17juni53.de/tote/hagedorn.html
(5.) http://de.wikipedia.org/wiki/Volksaufstand_in_der_DDR

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