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Geschichte & Gedenken

Wie die SPSG lernte die Bombe zu lieben“

Beim Ein­treten in die Ausstel­lung „Pots­damer Kon­ferenz 1945 – Die Neuord­nung der Welt“ sind wir zunächst erle­ichtert. Gestal­ter­isch erin­nert im Inneren des Schloss­es Cecilien­hof wenig an den Tota­laus­fall des Ausstel­lungsplakates, das die ver­meintlichen vier Pro­tag­o­nis­ten der Ausstel­lung zeigt – Tru­man, Churchill, Stal­in und die Atom­bombe. Zum 75. Jahrestag „eines der bedeu­tend­sten his­torischen Ereignisse des 20. Jahrhun­derts“ ver­spricht die  Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten Besucher_innen sehr viel: „am authen­tis­chen Ort“ würde man sie auf eine „mul­ti­me­di­ale Zeitreise schick­en“; mul­ti­per­spek­tivisch seien die Ereignisse dargestellt, und vor allem „sach­lich und ideologiefrei“. 
Eine Zeitreise ins Jahr 1945? Was soll da schon schief gehen… Dass die Kurator_innen sich beson­dere Mühe gegeben haben, das Ver­sprechen der Ide­olo­giefrei­heit umzuset­zen, wird in der Ausstel­lung sehr schnell deut­lich – auf die Darstel­lung ide­ol­o­gis­ch­er und poli­tis­ch­er Moti­va­tio­nen haben sie weitest­ge­hend verzichtet. So wird die Vorgeschichte der Kon­ferenz – Faschis­mus, Shoah, Kriegsver­brechen – zu Beginn des Rundgangs zunächst mit ein paar groß­for­mati­gen Bildern angedeutet. Zu sehen sind Trüm­mer­land­schaften, ein Über­leben­der in KZ-Häftlingsklei­dung, ein weinen­des Kind und Men­schen, die anscheinend schon 1945 den Tag der Befreiung feiern und einen Sol­dat­en hochleben lassen. Erk­lärun­gen dazu gibt es keine, außer, dass diese Bilder vom Ende des „grauenhafte[n], vernichtende[n] Krieges“ stammen. 
Über die Ursachen des Krieges wer­den wir erst im vierten Raum informiert: der Audio­gu­ide erzählt uns, dass der Beginn des Zweit­en Weltkrieges in Europa zwar auf den 1. Sep­tem­ber 1939 „datiert“ würde, „tat­säch­lich hat der Krieg bere­its zwei Jahre früher [in Japan] begonnen“. Unter dem Vor­wand ein­er inter­na­tionalen Per­spek­tive wird der Aspekt der Kriegss­chuld zu ein­er bloßen Datierungs­frage. Kriegsver­brechen und Ver­brechen gegen die Men­schlichkeit wer­den hüb­sch ver­packt als Pik­togramme auf einem großen Zeit­strahl dargestellt. Es wird darauf ver­traut, dass die Besucher_innen schon irgend­wie wüssten, wie das mit diesem Krieg war. Na, ihr wisst schon, Hitler und so, müssen wir das wirk­lich nochmal sagen? 
In den Räu­men, in denen die Kon­ferenz einst stat­tfand, wer­den wir über die Ver­hand­lun­gen informiert. Das Span­nend­ste daran ist aber, wie so oft, das, was nicht gezeigt wird: Nazis. Großzügig umschif­f­en die Ausstel­lung­s­texte bere­its in ihrer Wort­wahl die Ver­ant­wor­tung der deutschen Bevölkerung. Deutsche trifft man in der Ausstel­lung vor allem als Opfer von Zer­störung, Verge­wal­ti­gung und Vertrei­bung. An dieser Stelle erleben wir das erste Mal die angekündigte Mul­ti­per­spek­tiv­ität: auch aus pol­nis­ch­er Per­spek­tive wird die „Umsied­lungspoli­tik“ geschildert. Unter dem Topos des Heimatver­lustes sind Deutsche und Polen hier vere­int. Während wir aus­führlich die Geschichte ein­er deutschen Fam­i­lie nachempfind­en kön­nen, deren Vater „heimwehkrank“ in der Fremde stirbt, sind die Schick­sale von 10 Mil­lio­nen dis­placed per­sons hinge­gen nur eine Rand­no­tiz wert. 
Nach ein­er kurzen Ver­schnauf­pause, bei der Besucher_innen auf den Stühlen der „großen Drei“ Platz nehmen und sich mith­il­fe von aug­ment­ed real­i­ty für ein Foto zwis­chen Churchill und Stal­in set­zen kön­nen, geht es zum End­spurt der Ausstel­lung. Es ist nur noch ein schwarz­er Kor­ri­dor bis wir das Ende der Ausstel­lung erre­ichen. Das Licht am Ende des Tun­nels ist schon zu sehen und der Flucht­punkt der Ausstel­lung klar erkennbar – die Grün­dung der Vere­in­ten Natio­nen. Die meis­ten Besucher_innen um uns herum durch­schre­it­en schnell die let­zten Sta­tio­nen dor­thin, denn während den Opfern von Vertrei­bung ein großer Raum gewid­met ist, wer­den die Grenzziehun­gen und Kon­flik­te im Nahen Osten, die Irankrise, der Krieg im Paz­i­fik und der chi­ne­sis­che Bürg­erkrieg auf knapp 15 Metern abge­han­delt. Ohne historisches Vor­wis­sen sind die Zitate an den Wän­den kaum ver­ständlich und die Enge bedrück­end. Einen Zwis­chen­stopp leg­en die meis­ten Besucher_innen aber dann doch noch ein: durch eine aufwendi­ge Medi­enin­stal­la­tion ist der Abwurf der Atom­bombe zu beobacht­en. Mit san­fter Musik unter­malt fliegt die Kam­era über Hiroshi­ma. Langsam segelt die Bombe durch die Wolken, danach: Krachen, Blitze, Zuck­en und am Ende Stille. Im Zehn-Minu­ten­takt kön­nen die Besucher_innen so „Ver­nich­tung und Leid“ nach­fühlen. Ahja. Aber auch hier: keine Täter, nur Opfer. An den schwarzen Wän­den ste­hen sich so die Zitate eines japanis­chen Jun­gens, der den Bombe­nan­griff über­lebte und über die Ver­bren­nun­gen sein­er Haut berichtet, und das des Co-Piloten des Bomben­fliegers gegenüber – „Oh my god, what have we done!“ Es hätte also nicht mehr die Skulp­tur „Der Frieden“ gebraucht, um die Mes­sage der Ausstel­lung zu ver­ste­hen: Krieg ist ganz doll doof, egal von wem er ange­fan­gen wurde. 
Die SPSG bedi­ent sich damit erin­nerungspoli­tisch eines min­destens weichge­spül­ten, wenn nicht augen­wis­cherischen Narrativs. 
Ein weit­er­er blind­er Fleck der Ausstel­lung ist pro­to­typ­isch für da Wirken der SPSG:  Die Rolle der preußis­chen Herrscher­fam­i­lie beim Auf­stieg des Faschis­mus bleibt vol­lkom­men uner­wäh­nt, genau­so wie die aus der Pots­damer Kon­ferenz resul­tierende Auflö­sung Preußens. Stattdessen ver­ab­schiedet uns der Audio­gu­ide mit der Auf­forderung, doch auch noch die anderen Schlöss­er, beispiel­sweise die bemerkenswerte, frühk­las­sizis­tis­che Ausstel­lung im nahegele­ge­nen Mar­mor­palais, anzuschauen. Na dann… 

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