(Interview: Jana Frielinghaus ) jW sprach mit Gerd-Rüdiger Hoffmann, Kreisvorsitzender der PDS Oberspreewald-Lausitz
F: In Senftenberg findet am kommenden Montag die zweite Demonstration gegen »Hartz IV« statt. Wie ist die soziale Lage im früheren Braunkohlenrevier Senftenberg?
Den neuen Arbeitslosenzahlen zufolge sind im Kreis Obespreewald-Lausitz 27,2 Prozent der Menschen arbeitslos. Damit sind wir derzeit der Kreis mit der höchsten Erwerbslosigkeit im Land Brandenburg.
Die Politiker reden seit 1990 vom Strukturwandel. Der hat hier aber nie stattgefunden, sondern immer nur ein Abbau. 1999 wurde der Bergbau im Landkreis völlig eingestellt. Und jetzt hat der Energiekonzern Vattenfall Europe auch noch seine in Senftenberg ansässige Verwaltungszentrale nach Cottbus verlegt. Seit Jahren wird vom »Entleerungsraum Lausitz« gesprochen. Wir sind hier an dem Punkt angekommen, wo nicht nur Wohnungen leerstehen, weil immer mehr junge Leute weggehen. Mittlerweile ziehen ihnen sogar Eltern und Großeltern hinterher, weil sie hier keine Perspektive mehr sehen.
Solche Vorgänge steigern natürlich die Ängste vor einen völligen Sterben der Region. Daß die Bundesregierung mit »Hartz IV« die Lage vieler Leute noch verschärft, hat nun zum spontanen Protest geführt. Wir schätzen, daß rund 1500 Leute an der Demonstration teilgenommen haben.
F: Von wem ging die Initiative zu den Protesten aus?
Die Initiatoren dieser Demonstration sind zwei Senftenberger ATTAC-Mitglieder, Rainer Roth und Frank Lauterbach. Zu ihrer Überraschung kamen bereits zu der Versammlung, mit der die Aktion vorbereitet werden sollte, rund 150 Leute.
F: Wie soll es jetzt weitergehen, und welche Rolle will die PDS spielen?
Am Mittwoch abend haben sowohl das Aktionskomitee als auch der PDS-Kreisvorstand getagt. Die Initiatoren haben zunächst festgelegt, daß die nächste Demonstration am Montag um 19 Uhr stattfinden wird. Wir rechnen damit, daß dazu nicht nur Leute aus der näheren Umgebung von Senftenberg kommen, sondern auch aus anderen Orten. Außerdem sind unter anderem in Spremberg, Finsterwalde, Lauchhammer und Ortrand Aktionen geplant.
Aber natürlich lassen sich die Probleme nicht allein mit Demonstrationen klären, und da haben wir im PDS-Kreisvorstand es als unseren Auftrag angesehen, beispielsweise die Verbindung zu parlamentarischen Strukturen herzustellen und mit konkreter Hilfe auf die Veränderungen durch »Hartz IV« vorzubereiten.
Die PDS will Verfassungsklage gegen »Hartz IV« erheben, was natürlich gründlich vorbereitet werden muß. Daran beteiligen wir uns. Der Vorsitzende des Sozialausschusses im brandenburgischen Landtag, der Senftenberger PDS-Abgeordnete Wolfgang Thiel, wird zudem noch im August eine Sondersitzung des Ausschusses in Sachen »Hartz IV« einberufen. Schließlich laden wir zu Veranstaltungen ein, denn wir wollen Solidarität organisieren und dafür sorgen, daß die Leute mit diesem schwierigen Problem umgehen lernen.
F: In Magdeburg haben sich am Montag auch Neonazis unter die Menschen gemischt, die gegen Hartz IV demonstrierten. Wie groß ist in Ihrer Region die Gefahr, daß die Rechten durch den Sozialabbau an Terrain gewinnen?
Die Gefahr besteht immer. Aber auf unserer ersten Demonstration haben Neonazis keine Rolle gespielt. Ich habe den Eindruck, daß die Initiatoren darauf vorbereitet sind, sich von solchen rechten Versuchen der Vereinnahmung sozialer Proteste mit aller Deutlichkeit zu distanzieren. Ein wenig vertraue ich da aber auch auf die Weisheit des Volkes. Man sollte die Leute nicht unterschätzen.
Eine Diskussion zwischen Gerd-Rüdiger Hoffmann und der Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) über den »Spagat« zwischen Regieren auf Länderebene und Opponieren vor Ort findet am 15. September um 18 Uhr im Senftenberger Café Lisa, Bahnhofsstraße 28, statt