Die Stadt Brandenburg an der Havel hat ein Problem. Sie entwickelt sich immer mehr zu einem Aktionsraum für (neo)nazistische Organisationen und Vereinigungen. Die NPD, der „Bund für Gotterkenntnis“ und auch Sympathisant_innen des in der örtlichen JVA inhaftierten Holocaustleugners Horst Mahler hatten diesbezüglich bereits ihre Fähnchen in der Stadt gesetzt. Jetzt zogen die so genannten „Freie Kräfte“, parteiungebundene (Neo)nazis, mit vielfachen Propagandaaktionen nach.
Aufkleber und Parolen
Hunderte Aufkleber einschlägiger „freier“ Strukturen wurden so bereits unmittelbar nach dem Campusfest der Fachhochschule Brandenburg, am 27. Mai 2011, von Antifaschist_innen festgestellt und entfernt. Das parteiungebundene (neo)nazistische Milieu selbst hatte sich zuvor in größerer Personenzahl bei den Feierlichkeiten präsentiert und die Festwiese als Ausgangspunkt für die Klebeaktionen genutzt.
Vor wenigen Tagen wurden nun zahlreiche (neo)nazistische Parolen als Farbanschläge an Fassaden von Schulen, SB-Warenhäusern und Imbissständen im gesamten Stadtgebiet festgestellt, die wiederum eindeutig die Urheberschaft „Freier Kräfte“ vermuten und eine qualitative Steigerung der Propagandaaktionen in Richtung Illegalität erkennen lässt.
Neben der Vereinigung „NS BRB“ zeigten sich dabei vor allem die sogenannten „Freien Kräfte Ost“ (FKO) für die mit schwarzer Farbe gesprühten Slogans verantwortlich.
„Freie Kräfte Ost“
Die FKO sind eine relativ junge Vereinigung, die sich vor allem in Wittstock/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) und Brandenburg an der Havel verortet sieht. (1.) Deren Internetpräsenz wird allerdings hauptsächlich von Aktivisten_innen des 2006 nach einer polizeilichen Razzia aufgelösten „Sturm Oranienburg“ gepflegt. (2.)
Auf ihrer Webside versuchen die „Freien Kräfte Ost“ mit typischen (neo)nazistischen Argumentationsmustern, die vor allem auf übertriebenen Ängsten vor Kriminalität, Drogenkonsum, Überfremdung, Islamisierung aufbauen, ein verzerrtes Bild der Brandenburger Wirklichkeit darzustellen, aus der daraus erhofften Empörung politisches Kapital zu schlagen und den „nationalen Sozialismus“ als Gegenentwurf, als vermeintlichem „Ausweg“ , zu präsentieren. (3.)
Wie dieser „nationale Sozialismus“ (NS) genau aussehen soll, untermauern die FKO öffentlich jedoch nicht. Der Kontext ihrer Publikationen im Internet weißt jedoch daraufhin an welche Ideologie angeknüpft werden soll.
„Das Deutsche Reich existiert fort“
Unter der Überschrift „das Deutsche Reich existiert fort“, bejubeln die „Freien Kräfte Ost“ beispielsweise auf ihrer Webside ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1973 zur staatsrechtlichen Kontinuität sowie völkerrechtlichen Identität der Bundesrepublik mit dem Begriff „Deutsches Reich“ bzw. „Deutschland“. (4.)(5.)
Der „vermeintliche“ Fortbestand des (dritten) Reiches mit all seinen rassistischen und antisemitischen Unrechtsgesetzen wird von den FKO, die damit offenbar die Legitimität (neo)nazistischer Aktivitäten begründen wollen, allerdings falsch interpretiert.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes behandelt nämlich nicht die politisch-historische Perspektive, demnach der nationalsozialistische Staat 1945 eindeutig „institutionell zusammengebrochen“ (6.) ist, sondern manifestiert die juristische Dimension und damit beispielweise die Verantwortung der Bundesrepublik, in Vertretung des „Deutsches Reiches“ bzw. „Deutschlands“, für die Verbrechen der Nazidiktatur auf staatsrechtlicher Ebene. Die finanzielle Entschädigung für die Opfer des NS Terrors hätte andernfalls nämlich keine Rechtsgrundlage.
Handlungsbedarf in Brandenburg an der Havel
Trotz mangelnden politischen und sozialen Sachverstand, Irrationalismus in Idee und Ausdruck sowie einer vor allem aggressiven völkischen, rassistischen und antisemitischen Ideologie, stoßen (Neo)nazis in Brandenburg an der Havel jedoch im Vergleich zu anderen Städten in der Mark auf wenig Ablehnung. Ein Problembewusstsein hierfür will sich in der breiten Bürgerschaft, trotz dringendem Handlungsbedarf, nicht herausbilden. Im Gegenteil (neo)nazistische Aktivitäten werden verschwiegen oder ohnmächtig ignoriert. Mitunter ist auch eine Zustimmung für bestimmte Positionen oder gewisser Symbolik erkennbar.
All dies beflügelt jedoch die organisierten (Neo)nazis ihr Engagement in der Stadt zu forcieren.
Noch werden nur Aufkleber und Parolen verbreitet, wann wird damit begonnen die aggressive Ideologie durch Hass und Gewalt zu beleben?
Wir appellieren deshalb an alle Brandenburger_innen, endlich ein Problembewusstsein zu entwickeln, sich den Herausforderungen des (Neo)nazismus zu stellen und ihm bereits im Anfangsstadium souverän zu begegnen.
Quellen:
1.) Freie Kräfte Ost, hxxp://logr.org/toni87
2.) Antifa Gruppe Oranienburg: „Neonazi im Knast oder auch nicht ist eigentlich egal“
http://antifagruppeoranienburg.blogsport.de/2011/05/31/neonazi-im-knast-oder-auch-nicht-ist-eigentlich-egal/
3.) Freie Kräfte Ost, „Flugblatt“, hxxp://logr.org/toni87/files/2011/05/neuesflugblattc0c43d21jpg.jpg
4.) Freie Kräfte Ost: „Das Deutsche Reich existiert fort“, hxxp://logr.org/toni87/?page_id=156
5.) http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Reich
6.) wie vor