Ein Gespräch mit Birgit Kühr
* Birgit Kühr ist Organisatorin der Montagsdemonstrationen in Angermünde
F: Im Herbst des vergangenen Jahres waren die Zeitungen voll mit Berichten über Montagsdemos, seither hört man nicht viel. Sie haben für Samstag die Montagsdemonstranten aus Brandenburg zur ersten gemeinsamen Demo nach Jüterbog eingeladen. Meinen Sie, so die Proteste wiederbeleben zu können?
Bis jetzt haben wir 28 Zusagen von Initiativen aus verschiedenen Städten – aus Brandenburg, aber auch aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. Wir wollen unsere Proteste gegen die Hartz-IV-Gesetze wieder in das öffentliche Bewußtsein bringen, wir wollen die Zusammenarbeit der Initiativen weiter verbessern.
F: Die Teilnehmer kommen aber aus Ostdeutschland. Wollten Sie Westdeutsche nicht dabei haben?
Wir haben selbstverständlich viele Verbindungen zu Initiativen in Westdeutschland. Z. B. stehen wir Angermünder in engem Kontakt zur Dortmunder Montagsdemo. Wir wissen auch, daß allein in Nordrhein-Westfalen in 45 Städten immer noch regelmäßig Demos stattfinden – auch wenn die Presse sie verschweigt.
Natürlich haben wir die Westdeutschen auch eingeladen, wir freuen uns über jeden, der kommt. Das Problem ist die Entfernung: Viele, die von den Hartz-IV-Gesetzen betroffen sind, können das Fahrgeld nicht aufbringen.
F: Der letzte große Protest gegen »Hartz IV« war die »Aktion Agenturschluß«, bei der am Tage des Inkrafttretens der Hartz-IV-Gesetze viele Arbeitsagenturen von Demonstranten blockiert wurden. Seitdem scheinen die Proteste eingeschlafen zu sein. Erwarten Sie, mit Ihrer Demonstration der Bewegung neuen Schwung verschaffen zu können?
Wir wollen vor allen Dingen Aufmerksamkeit erregen. Unsere Mitbürger sollen sehen, daß wir immer noch da sind. Neuen Schwung brauchen wir natürlich auch – und dafür haben wir eine gute Grundlage geschaffen: Wir haben Initiativen aus 35 Städten vernetzt, wir tauschen Informationen aus, wir stimmen unsere Aktionen ab. Auch wenn die Proteste gegen den Sozialabbau in den Schlagzeilen kaum noch vorkommen – unsere Zusammenarbeit ist wesentlich besser geworden. Das ist ein guter Ausgangspunkt für eine neue Protestwelle. Wir werden die Menschen weiter wachrütteln!
F: Viele Teilnehmer der Montagsdemonstrationen haben resigniert, weil sie meinten, daß die Proteste wirkungslos verpuffen. Aber wäre die Zusammenarbeit von WASG und PDS ohne den Druck der Initiativen und auch der Montagsdemonstranten überhaupt möglich gewesen?
Ich glaube nicht. Ich bin ziemlich sicher, daß sich das neue Linksbündnis auch deswegen gebildet hat, weil viele gemerkt haben, daß die Bürger eine Alternative brauchen, der man wirklich vertrauen kann. Die Menschen haben gemerkt, daß man zusammenstehen muß, wenn man etwas erreichen will – es haben sich ja auch viele andere Zusammenschlüsse gebildet. In Angermünde z.B. haben wir ein »Bürgerbündnis gegen Sozialabbau« gegründet, das zur Kommunalwahl antreten will. Das wäre nie passiert, wenn es die Protestwelle nicht gegeben hätte.
F: Was erwarten die Montagsdemonstranten von der neuen Linkspartei?
Daß sie ihr Wort hält und für mehr soziale Gerechtigkeit einsteht; daß sie unsere Forderungen ernst nimmt; daß sie uns unterstützt. Wir haben hohe Erwartungen an die Linkspartei, und ich hoffe, daß wenigstens sie uns nicht enttäuscht.
F: Das »Worthalten« ist nicht gerade eine Charaktereigenschaft von Politikern. Auch die PDS hat mehr Erwartungen geweckt, als sie erfüllt hat. Wie gehen Sie jetzt an das Phänomen »Linkspartei« heran? Euphorisch oder mit vorsichtiger Distanz?
Wir werden sicher weiter auf die Straße gehen, wobei wir erst einmal abwarten, wie sich die Linkspartei entwickelt. Auf jeden Fall hoffen wir, daß PDS und WASG gut zusammenarbeiten und daß sie kompetente Politiker an die Spitze stellen, die unsere Interessen vertreten. Wir werden jedenfalls außerhalb des Parlaments den Druck auf die Politik aufrecht erhalten, auch auf die Linkspartei. Eines will ich aber klarstellen: Wir Montagsdemonstranten sind überparteilich, wir werden für niemanden Wahlkampf machen.
* Samstag, 2. Juli, 14 – 18 Uhr, Marktplatz Jüterbog