Potsdam — Am Freitag den 8. Juli versammelten sich gegen 16 Uhr ca. 30 Jugendliche im Stadtteil Waldstadt, um gegen die örtliche Neonaziszene zu protestieren. Anlass dafür waren diverse Aktionen seitens der Neonazis gegenüber vermeintlich linken oder alternativen Jugendlichen. Die Antifaschist_innen trafen sich vor dem Waldstadt-Center, hielten Transparente, appellierten per Megafon und verteilten dort Flugblätter an Passant_innen und Anwohner_innen. Darin informierten sie einerseits über die aktuelle Situation, das Naziproblem im Stadtteil und die damit verbundenen Gewalt- und Propagandadelikte. Andererseits riefen sie zu Solidarität mit den Betroffenen und aktivem Handeln gegen Neonazis auf.
Gipfel der Neonaziaktivitäten sind hierbei die mindestens 10 „versuchten als auch direkten Angriffe“[1] im vergangenen halben Jahr. Noch nicht mit eingerechnet sind dabei die verschiedenen Versuche der Neonazis, vor Ort Wohnende und in ihr Feindbild Fallende, Jugendliche einzuschüchtern. So wurden in mehreren Fällen neonazistische Parolen an Wohnhäuser gesprüht, um die dort Wohnenden zu bedrohen. Dies berichtete vor kurzem das „Antifaschistische Pressearchiv Potsdam“ in einer Veröffentlichung vom 01.07.11.
Der zuletzt bekannt gewordene Übergriff geschah am Abend des 17.06.11. Hier wurde eine Person, die gerade dabei war im Wohngebiet am Stern einen Naziaufkleber zu entfernen, von einer kleinen Gruppe zuerst angepöbelt und anschließend angegriffen. Davor kam es in der Nacht auf den 22.05.11 zu zwei Angriffen auf vermeintlich Linke. Ersterer spielte sich in einem Nachtbus im Schlaatz ab. Hierbei bekam eine Person, von einem Neonazi, einen Schlag ins Gesicht. Außerdem zerstörten die Angreifenden noch eine Scheibe des Busses. Kurze Zeit später kam es in der Nähe noch zu einem versuchten Angriff einer 15-köpfigen Gruppe Vermummter auf drei Personen. Dabei riefen die teilweise bewaffneten Angreifenden: “Da sind sie die scheiß Zecken!”.
Auch wenn es bei diesem konkreten Fall nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es die „Freie Kräfte Potsdam“ waren, so sind sie doch für einen Großteil der Aktivitäten verantwortlich zu machen. Zu dieser Neonazigruppierung gehört seit kurzem auch der ehemalige NPD-Stadtverordnete Marcel Guse.
Das antifaschistische Projekt — antifa_united — wird auch in Zukunft mit öffentlichen Aktionen dem gegenwärtigen Neonaziproblem in Potsdam entgegenwirken.
antifa_united, 08.07.2011
- Kontakt zu antifa_united: united‑a@gmx.de
- weitere Artikel zum Thema:
22.03.2011 — http://apap.blogsport.eu/2011/04/16/6_uebergriffe_in_kurzer_zeit/
08.04.2011 — http://aalp.blogsport.de/2011/04/08/propagandaaktionen-schlaege-und-flaschenwuerfe/
24.06.2011 — http://aalp.blogsport.de/2011/06/26/weiterhin-nazigewalt-in-potsdam/
30.06.2011 — http://aalp.blogsport.de/2011/06/30/solidaritaet-mit-allen-betroffenen-neonazistischer-gewalt/
01.07.2011 — http://apap.blogsport.eu/2011/07/01/chronik-neonazistischer-aktivitaten-in-potsdam-und-umgebung-fur-den-zeitraum-januar-bis-juni-2011/
- hier noch der Inhalt des verteilten Infoflyer:
In den letzten Wochen und Monaten kam es in Potsdam, insbesondere im Stadtteil Waldstadt, zu einer Reihe von Propagandaaktionen und versuchten sowie direkten Übergriffen von Neonazis. Das Ziel hierbei waren meist vermeintlich antifaschistische oder linke Jugendliche. So kam es seit Beginn des Jahres allein zu mindestens 10 solcher Übergriffe, wie das „Antifaschistische Pressearchiv Potsdam“ in der “Chronik neonazistischer Aktivitäten in Potsdam und Umgebung für den Zeitraum Januar bis Juni 2011” berichtete. Darin wird geschildert wie in mehreren Fällen Jugendliche — vorrangig im Stadtteil Waldstadt — bedroht, verfolgt und angegriffen wurden. Der letzte Übergriff geschah am Abend des 17.06.11. Hier wurde eine Person, die gerade dabei war im Wohngebiet am Stern einen Naziaufkleber zu entfernen, von einer kleinen Gruppe zuerst angepöbelt und anschließend angegriffen.
Weiterhin werden alternative Jugendliche auch immer wieder gezielt bedroht indem sie zum Beispiel verfolgt oder ihnen einschüchternde Parolen an ihre Wohnblöcke gesprüht werden. Dies geschah zuletzt Anfang April. Wenige Tage später, am 03.04.11, entdeckten Antifaschist_innen mindestens 60 neonazistische Sprüherein in der Waldstadt. Darunter befanden sich neben Parolen gegen “die Antifa” auch einige antisemitische Schmierereien und der Spruch “2011 Summer of Hate Reloaded”. Damit spielen die Nazis auf den Sommer im Jahr 2005 an, bei dem es zu einer Welle heftiger Nazigewalt kam, der von ihnen mit diesem Slogan gefeiert wurde.
Bereits im September letzten Jahres versuchten Antifaschist_innen ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Mit einer Demonstration brachten sie ihre Befürchtung einer erstarkenden Neonaziszene zum Ausdruck und informierten über die lokalen Strukturen der Neonazis. Schon da schienen wenige Potsdamer_innen diese Warnungen ernst zu nehmen. Hierzu tragen leider auch immer wieder, durch eine verharmlosende und relativierende Berichterstattung, die Stadt, die Polizei, der Verfassungsschutz sowie Teile der Lokalpresse bei.
Die Potsdamer Neonaziszene kann seit mehreren Jahren als gut organisiert beschrieben werden. Mit den sogenannten „Freien Kräften Potsdam“ (FKP) verfügt die Szene über eine Gruppierung, die seit ca. sechs Jahren in Potsdam aktiv und vor allem auf den Straßen präsent ist. Ihren Ursprung und Schwerpunkt der ersten Jahre hatten die „FKP“ hier in der Waldstadt. Auch Brandenburgweit sind sie gut in die organisierte Naziszene eingebunden. Die Potsdamer Neonazis verfügen darüber hinaus noch über die stärkste RechtsRock-Szene im Bundesland. Dies sind die Grundlagen für die derzeitige Situation in der Waldstadt und sind auch der Ausgangspunkt für zukünftige menschenverachtende Gewalt- und Propagandaexzesse.
Wir werden nicht tatenlos zuzusehen und werden es nicht zulassen, dass die Waldstadt und weitere Stadtteile Potsdams zu Gegenden werden, in denen Menschen, die nicht in das nazistische Weltbild passen, sich nicht mehr frei bewegen können! Deshalb fordern wir auch Sie auf: Mischen Sie sich ein, melden Sie rechte Propaganda oder entfernen Sie diese selbstständig. Schreiten Sie ein oder holen Sie Hilfe, wenn Sie mitbekommen wie Neonazis ihre Mitmenschen anpöbeln, einschüchtern oder sogar angreifen. Egal was – Sie können immer etwas tun!