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Wir sind alle Salah!” — 400 Menschen gegen Rassismus in EW

400 Men­schen gegen Ras­sis­mus in Eberswalde

400 Men­schen haben heute in Eber­swalde gegen das ungerechte Asyl­sys­tem und den struk­turellen Ras­sis­mus in Deutsch­land demon­stri­ert. Der 21.03. ist der inter­na­tionale Tag gegen Ras­sis­mus – trau­riger Anlass an diesem Tag war der Tod von Salah Tayyar aus dem Tschad. Nach acht Jahren in Deutsch­land war er ohne sichere Aufen­thaltsper­spek­tive und hat keinen anderen Ausweg mehr gese­hen und sich am 11.03. das Leben genommen. 

Ange­hörige und Freund*innen, Aktivist*innen der Gruppe „Barn­im für alle” und ander­er Geflüchteten-Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin hiel­ten teils kämpferische, teils nach­den­kliche Reden auf dem Bahn­hofsvor­platz. Im Anschluss kamen 200 Men­schen vor das Haus im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel in Eber­swalde, in dem Salah gewohnt hat­ten, um an ihn zu erinnern.

Yahia Mohammed, ein Cousin des Ver­stor­be­nen, lebt in Berlin und will die Kundge­bung am Bahn­hof eröff­nen. Aber die Gefüh­le lassen das nicht zu. Nach weni­gen Worten ver­sagt ihm die Stimme – angesichts des Todes von Salah, und der anteil­nehmenden Menge fehlen ihm die Worte, er gibt an den näch­sten Red­ner weiter.

Mustafa Hus­sein ist nicht nur trau­rig, son­dern auch richtig wütend. „Wir erleben hier in Eber­swalde soviel Ras­sis­mus: in der Aus­län­der­be­hörde, beim Sozialamt, bei den Ämtern und auf der Straße – jeden Tag!”. Er ist poli­tis­ch­er Aktivist aus dem Sudan und selb­st wie Salah und viele andere Anwe­sende im Klagev­er­fahren gegen die Ablehnung seines Asy­lantrags. Wie so viele andere ken­nt er nur zu gut den Druck, die Ungewis­sheit und die tägliche Angst wegen der unklaren Per­spek­tive. Für ihn und die anderen geflüchteten Aktivist*innen ist klar, dass dieser Druck, diese Angst Salah in den Suizid getrieben haben. „Wir sind alle Salah!” ist deshalb das Mot­to der Kam­pagne. Auf einem Plakat zer­stört eine Faust eine soge­nan­nte „Dul­dung” – die Art von Ausweis, den viele Geflüchtete bekom­men und mit dem sie kaum Rechte haben. „Stop Dul­dung! Stop mak­ing fear!” ste­ht darauf. 

Noch wüten­der und ent­täuschter ist Ahmed Rahama, eben­falls aus dem Sudan. Er sagt in sein­er Rede:„Fuck Asyl­sys­tem! Die Lage ist für mich ein­fach eskaliert. Ich habe keine Hoff­nung mehr in Deutsch­land zu leben. Fuck Aus­län­der­be­hörde! Fuck struk­tureller Ras­sis­mus in Deutschland!”. 

Fiona Kisoso aus Kenia begin­nt ihre Rede mit ruhi­gen Worten: „Nor­maler­weise habe ich viel Pow­er, wenn ich eine Rede halte. Dies­mal fehlt mir die Energie, es hat mich zu trau­rig gemacht. Ich brauche die Energie von euch!” Sie ani­miert die Menge zu Sprechchören und plöt­zlich scheint doch sehr viel Energie von ihr selb­st zu kom­men. Sie sagt: „Wir wollen nur Chan­cen­gle­ich­heit. Wir wollen eine Chance, uns zu inte­gri­eren, zu arbeit­en, zur Schule zu gehen, ohne von den Behör­den schikaniert und gestresst zu werden.” 

Aziza Al Shar­wi fragt: „Wieviele Salahs brauchen wir, um die ungerecht­en Geset­ze zu ändern?”

Viele schwarze Aktivist*innen haben etwas zu sagen, der Tod von Salah berührt viele, einige sind aus Pots­dam, Berlin oder Brandenburg/Havel angereist. Danach begeben sich immer noch gut 200 Men­schen zum Haus des Ver­stor­be­nen in einem sech­stöck­i­gen Plat­ten­bau im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel, am Stad­trand von Eber­swalde. Auf­grund der Coro­na-Beschränkun­gen hat­te die Polizei keine Demon­stra­tion erlaubt, nur „orts­feste” Kundgebungen.

Vor dem Haus in der Sen­ften­berg­er Str. 4 bit­tet der Cousin des Toten zunächst die anwe­senden mus­lim­is­chen Gläu­bi­gen nach vorn zum Gebet. Nach einem darauf fol­gen­den Moment der Stille geht Salah Bechir, ein Fre­und von Salah Tayyar, ans Mikro­fon, um aus dessen Leben zu erzählen. „Salah hat­te einen Traum, mit dem er nach Deutsch­land kam. Sein Traum war es für seine Fam­i­lie sor­gen zu kön­nen. Er hat­te zwei Kinder und eine Frau im Tschad, die er seit vie­len Jahren nicht sehen kon­nte. Er floh vor dem Mil­itärge­fäng­nis aus dem Tschad nach Libyen. Libyen musste er wegen des Krieges ver­lassen.” Er beschreibt ihn: „Salah war ein stiller, beschei­den­er Men­sch. Dabei war er fre­undlich und immer sehr hilfsbereit.”

Eric von Wel­come Unit­ed, der aus Brandenburg/ Hav­el angereist ist, erk­lärt: „Wir alle kom­men mit Träu­men hier­her. Unser Traum ist es, ein nor­males Leben in diesem Land zu führen. Unser Traum ist in Frei­heit zu leben.”

Die Gruppe „Barn­im für alle” kündigte zum Abschluss eine weit­ere Kundge­bung an einem Dien­stag in den näch­sten Wochen vor der Barn­imer Aus­län­der­be­hörde an.

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