WITTSTOCK Es gibt zum Teil Schwierigkeiten, zum Teil läuft es bestens mit den Schülern. Das Problem ist komplex. Vor allem guter Sprachunterricht ist wichtig für Aussiedlerkinder — doch ebenso die Integration in die neue Heimat. Am Donnerstagnachmittag diskutierten Wittstocker Schulleiter im Gymnasium mit dem brandenburgischen Bildungsminister Steffen Reiche. Sie zeichneten ein differenziertes Bild der Integration an ihren Schulen, Reiche sicherte Rückendeckung zu.
Tenor: Die kleinen Aussiedlerkinder haben die wenigsten Probleme. Doch je älter die Schüler sind und je höher der Anteil an Aussiedlerkindern an einer Schule ist, desto schwieriger wird die Integration.
So hat die Leiterin der Diesterweg-Grundschule beste Erfahrungen gemacht. Sehr lernwillig sind die Kleinen. Drei bis vier je Jahrgang besuchen die Schule. Sie schließen schnell Freundschaften. Und nach recht kurzer Zeit können sie sogar besser Deutsch sprechen als ihre Eltern.
Die Waldring-Schule dagegen ist Einzugsgebiet für Aussiedlerkinder. Rund 30 bis 40 gehen gehen hier zum Unterricht. Doch ein Anteil von bis zu 40 Prozent in einer Klasse, sei zu hoch: “Das ist nicht mehr handlebar”, so der Minister: “Das müssen wir ändern”, sicherte er der Schulleiterin zu. Die Argumente des Vertreters des Staatlichen Schulamtes ließ er nicht gelten: Dass Schuleinzugsgebiete festgelegt seien, Eltern der Aussiedlerkinder auf die nächst gelegene Schule bestehen und der Kreis zusätzliche Kosten für den Schultransport scheut. “Hier haben wir ein lösbares Problem, dort ein unlösbares”, konterte der Minister. Der Wittstocker Bürgermeister und der Landrat müssten sich darum kümmern, dass die Schule entlastet wird.
Auch beim Thema “Schulsozialarbeit” gebe es jetzt neue Möglichkeiten. Das 610-Stellen-Programm sei erweitert worden. War der Anteil für Schulsozialarbeiter früher auf 50 Prozent beschränkt, gebe es diese Beschränkung nicht mehr. Die Landkreise könnten jetzt frei entscheiden.
Bei älteren Aussiedlerkindern wachsen die Probleme. So werden 14- bis 15-Jährige von ihren Eltern einfach in die neue Heimat mitgenommen. Die Folge sei eine Verweigerungshaltung, wusste der Minister.
Volkmar Zirke, Leiter des Wittstocker Gymnasiums, konnte das bestätigen. So seien derzeit Gastschüler aus Neuseeland, Äthiopien, USA und Vietnam an der Schule. “Nach einem Jahr sprechen sie so gut Deutsch, dass sie von anderen nicht mehr zu unterscheiden sind”, so Zirke. Bei jungen Aussiedlern sei das oft nicht so.
Ein Schüler habe sich sogar geweigert, Deutsch zu sprechen, hieß es in der Runde. Sabine Steinbach, Leiterin der Polthier-Gesamtschule, kennt die Probleme der älteren Aussiedlerkinder. Sie übergab dem Minister auch ein dreiseitiges Papier zu Aktionen an der Schule: von Podiumsdiskussionen “Gegen Ausländerfeindlichkeit” bis zur Kriegsgräberfürsorge in Frankreich, bei der Polthier-Schüler mitmachen. Mit Temperament berichtete sie in der Runde auch, wie sie in “gefährlichen Situationen” als Streitschlichterin tätig war.
Reiche wies darauf hin, dass auch die Integration außerhalb der Schule eine große Rolle spiele: “Eltern könnten beispielsweise ihre Kinder dazu motivieren, ein Aussiedlerkind mal nach Hause zu bringen.” Wichtig sei, dass die Kinder Freunschaften schließen, um Deutsch zu lernen. “Es muss Situationen geben, wo sie Fehler machen können”, so Reiche. In Gruppen unter sich würden sie sofort wieder in die Muttersprache zurückfallen.
Reiche wies abschließend auf zwei Angebote hin. Eine Theatergruppe, die in Schulen das Stück “Die Judenbank” aufführt, könne auch von Wittstocker Schulen angefordert werden. In dem Stück geht es um einen Senior, dessen altgestammte Sitzgelenheit von den Nazis zur “Judendbank” gemacht wird. Der Senior legte sich darauf hin mit den Nazis an. Er werde sich weiterhin auf die Bank setzen und notfalls zum Judentum übertreten. Er wurde nach Auschwitz deportiert.
In Bad Freinewalde gibt es ein Projekt: “Die bunten Schafe”. An Grundschulen soll damit der Einfluß von “braunen Schafen” verhindert werden. Bunte Schafe sind ältere Schüle, die sich um jüngere kümmern.