WITTSTOCK Das Wittstocker Aktionsbündnis „Couragiert gegen Rechts“ mobilisierte am Sonnabend rund hundert Menschen, die mit einem symbolischen Kehraus zeigen wollten, dass die Bürger der Dossestadt rechte Veranstaltungen nicht mehr hinnehmen wollen.
Zuvor hatten nach Polizeiangaben rund 200 Neonazis eine Demonstration unter dem Titel „Rudolf Hess – damals wie heute kapitalistische Kriegstreiber stoppen“ abgehalten, bei der sie des Todestages des Hitler-Stellvertreters gedachten. Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) freute sich, dass sich viele Menschen an der Gegenaktion beteiligten. „das Macht Mut. Wittstock gehört immer noch den demokratischen Kräften“, sagte er.
Stadtverordnete sollten Gesicht zeigen
Wittstocker mobilisierten 100 Menschen gegen rechte Demo / Rechtsradikale gedachten Hitlerstellvertreter
WITTSTOCK Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) war am Sonnabend überrascht, dass sich knapp 100 Menschen an der Aktion des Bündnisses „Couragiert gegen Rechts“ gegen die rechtsradikale Demonstration des Bundes Nationaler Sozialisten anschlossen.
„bei der Andacht in der Kirche war ich schon recht enttäuscht, das nur so wenige da waren. Als ich dann aber raus kam, war das schon eine große Freude“, sagte er mit Blick auf die vielen Leute, die sich vor dem Gotteshaus und später auf dem Marktplatz versammelt hatten. Bisher sei es immer sehr schwierig gewesen, genügend Menschen zu mobilisieren, die auf die Straße gehen und zeigen, dass sie solche rechtsradikalen Veranstaltungen in Wittstock nicht wollen.
Eine richtige Gegendemonstration ist der Stadt, in der rund 14 000 Menschen leben und die im vergangenen Jahr allein acht rechte Veranstaltungen über sich ergehen lassen musste, bisher noch nicht gelungen. Der symbolische Kehraus am Sonnabend unter dem Motto „Wir kehren den brauen Müll aus der Stadt“, bei dem die Wittstocker mit Besen den Marktplatz fegten, auf dem kurz zuvor die Neonazis ihre Kundgebung abgehalten hatten, sieht Scheidemann als Erfolg. „Das macht Mut“, sagte er. Für die Zukunft wünscht er sich, dass immer Gegenveranstaltungen organisiert werden. Im Stadtzentrum wurde laut getrommelt, Musik gespielt, jongliert und gemeinsam getanzt. „Den Jugendlichen ist zu danken, die die Transparente gemalt und aufgehängt haben“, so Scheidemann. Doch würde er sich freuen, wenn künftig mehr Bürger Gesicht zeigen. „Vor allem aus den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung.“
Wittstocker, Kyritzer, Perleberger und Neuruppiner, darunter auch einige Kommunalpolitiker der verschiedenen großen Partein, machten ihrem Ärger über den Hess-Gedenkmarsch, den der Landwirt Mario Schulz vom Bund Nationaler Sozialisten angemeldet hatte, Luft. Knapp 200 Rechtsradikale – vom Kleinkind bis zum Rentner – hatten sich am Vormmittag am Bahnhof der Dossestadt versammelt. Ihr Zug führte über das Neubauviertel durch die Altstadt auf den Marktplatz, der von Plakaten und Transparenten des Aktionsbündnisses gesäumt wurde. Auf denen war unter anderem zu lesen: „Wittstock ist schön statt Hess-lich“ oder „Nazibande Wittstocks Schande“.
Bei zwei Kundgebungen, die von der Bevölkerung wenig beachtet wurden, hielten die Rechtsradikalen ihre Lobreden auf den Hitler-Stellvertreter und propagierten ihre Ideologie. Man müsse „Opfer auf dem Altar des deutschen Volkes bringen“ und „die Zukunft die deutschen Volkes liegt in unseren Händen“. Unmissverständlich beendeten sie ihre Reden mit dem Slogan „Heil Euch, Heil Deutschland“. Auf dem Marktplatz versuchten zwischenzeitlich zwei Frauen die rechte Kundgebung mit Rufen durch ein Megaphon zu stören, was jedoch von der Polizei unterbunden wurde.
Neben Polizei und Journalisten beobachten auch das Mobile Beratungsteam sowie die Opferperspektive den Aufzug der Rechtsradikalen. Die wiederum filmten oder fotografierten alle Personen, die ihnen nicht bekannt waren oder nicht in ihr rechtes Weltbild passen.
Beide Veranstaltungen verliefen störungsfrei. Es waren 105 Beamte der Polizei aus Brandenburg im Einsatz.
MAZ
Mit Besen gegen braunen Müll
Aufzug und Gegenaktionen blieben ohne nennenswerte Zwischenfälle
WITTSTOCK Der Polizei bericht zu der „öffentlichen versammlung und Kundgebung“ ließt sich nüchtern und – wie es nun mal bei Beamten so ist – völlig emotionslos: „Am 14.08.2004 fanden in der Zeit von 10 bis 15 Uhr zwei zuvor angemeldete Versammlungen unterschiedlicher Organisationen statt.“ Dann folgen ein paar Angaben zur Veranstaltung des „Bundes Nationaler Sozialisten Brandenburg“ und das rund 200 Leute mitmarschierten. Einen Versuch gab es, diese Veranstaltung zu behindern, so die Polizeisprecherin des Schutzbereiches in ihrer Pressemitteilung: Mit einem Megaphon hatten zwei Frauen versucht die Kundgebung auf dem Marktplatz zu stören, was die Polizei unterbinden konnte.
Die zweite Versammlung des Wittstocker Aktionsbündnisses „Couragiert gegen Rechts“ begann gegen 14 Uhr an der St. Marienkirche und endete auf dem Marktplatz gegen 15 Uhr mit einem „symbolischen Kehraus“. Im Einsatz waren zirka 105 Beamte der Polizei aus dem Land Brandenburg. Soweit die Nachrichten der Polizei.
Doch hinter diesem nüchternen Bericht steckte viel mehr. Zum Beispiel Plakate des Aktionsbündnisses mit dem Aufdruck „Nazibande – Wittstocks Schande“ oder der Kehrwagen der Stadt mit der Aufschrift „Wir kehren den braunen Müll aus der Stadt“.
Schon am Morgen hatten Mitstreiter des Aktionsbündnisses „Couragiert gegen Rechts“ Transparente und Plakate in der Stadt verteilt, so dass die „Rechten“ unmissverständlich lesen konnten, dass ihre Anwesenheit in Wittstock unerwünscht war. Das Unbehagen der ungebetenen Gäste gegen diese Plakate war deutlich erkennbar. Obwohl sich die „Rechten“ laut Polizeiangaben an die ihnen erteilten Auflagen hielten, und es zu keiner Auseinandersetzung oder Ausschreitung kam, waren einige der Plakate des Aktionsbündnisses nach dem Aufzug ramponiert.
Die Gegenaktion „Kehraus“ begann mit einer Andacht in der St. Marienkirche. Dort gedachten die Demonstranten der Opfer rechter Gewalt. Im Anschluss begaben sich die Teilnehmer – die Polizeiangaben schwanken zwischen 100 und 160 – über die St. Marienstraße zum Marktplatz. Demonstrativ und heftig schwenkten Wittstockers Bürgermeister Lutz Scheidemann, Mitarbeiter der der Stadtverwaltung, Kirchenmitglieder, Einwohner der Stadt und viele Jugendliche die Mitgebrachten Besen übers Pflaster, denn „Wittstock soll wieder sauber werden“, so Scheidemann.
Insbesondere Jugendliche hatten sich für die Gegendemonstration engagiert und wurden deshalb im Anschluss an das „Kehraus“ von Scheidemann ausdrücklich gelobt. „Die Klubs haben diese Aktion in der Freizeit organisiert“, betonte der Bürgermeister und bedauerte zu gleich, dass dies bei der Ansprache am Megaphon vielleicht nicht so deutlich herübergekommen ist.
Auch andere Politiker verschiedener Couleur waren am Sonnabend mit dem Besen auf dem Marktplatz, beispielsweise die beiden Direktkandidaten für die Landtagswahl in der Ostprignitz (Wahlkreis 2), Robert Gemmel (SPD) und Wolfgang Gehrcke (PDS).