WITTSTOCK Es waren deutliche Worte. Der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann verurteilte am Donnerstagabend nochmals scharf Rechtsextremismus und Intoleranz: “Der nazistische Terror nimmt zu.” Nach dem Anschlag im Belower Wald sei die Stadt und die ganze Region in Verruf gekommen. “Jetzt reicht es”, sagt er: “Wir dürfen dem braunen Spuk nicht mehr Raum geben und müssen ihn in die Schranken weisen.”
Es gebe auch potenzielle Brandstifter. Es müssten sich damit auch die angesprochen fühlen, sagte er, “die durch ihre äußere Erscheinung” dieser Gruppe zugeordnet werden. Er dankte allen, die nach dem Brandanschlag bei der Kundgebung im Belower Wald dabei waren. Scheidemann kündigte eine Unterschriftenaktion an. Initiator seien die Stadtverordneten und das Aktionsbündnis “Couragiert gegen Rechts”. Titel der Aktion: “Jetzt reicht es!”
Scheidemann und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Bernd Lüdemann unterzeichneten die Liste als erste am Podium. “Das war schon lange überfällig”, so Lüdemann. Dann folgten die Abgeordneten mit ihrer Unterschrift. Sieben fehlten, allerdings entschuldigt. Die Liste soll später in der Stadtverwaltung, beim Aktionsbündnis, der Arbeitsförderung, dem Tourismusbüro im Rathaus und in Wittstocker Geschäften ausgelegt werden.
Die Unterschriftenliste wendet sich “Gegen falsche Toleranz” und plädiert “für ein tolerantes Wittstock”. Es werde nicht mehr akzeptiert, dass Rechtsextreme Wittstock in Verruf bringen. Der Anschlag auf die Mahn- und Gedenkstätte im Belower Wald habe “die faschistischen, antidemokratischen und menschenverachtenden Wurzeln dieser rechten Szene” gezeigt. Und “wir wollen keine Demonstrationen der selbsternannten Anständigen mehr”, heißt es in der Erklärung. Jeder kann seine Unterschrift darunter leisten.
Eine Diskussion unter den Abgeordneten gab es im Anschluss nicht.
Kommentar von Herbert Jeske
Die Diskussion über den Anschlag auf das Museum des Todesmarsches war kurz. Sehr kurz. Es gab nämlich keine. Nachdem Bürgermeister Lutz Scheidemann seinen Standpunkt mit deutlichen Worten kundgetan hatte, gab es Beifall von den Stadtverordneten. Mehr nicht.
Keiner der Volksvertreter hatte am Donnerstagabend im Anschluss an die Rede des Bürgermeisters etwas zu sagen. Sieben Abgeordnete fehlten, wenn auch entschuldigt. Und nur die SPD-Fraktion bezog bereits im Vorfeld öffentlich Stellung. Was selbst in Amerika für Schlagzeilen sorgte, scheint Wittstocker Abgeordnete sprachlos gemacht zu haben. Und das ist offenbar auch eine Woche nach dem Anschlag noch so.
Dabei hätte es viel Diskussionsstoff gegeben: Wie kann sich Wittstock gegen Rechtsradikalismus wehren? Wie kann die Stadt verhindern, weiter in die rechte Ecke gedrückt zu werden? Wie kann der Wiederaufbau des Museums unterstützt werden? Die Liste der offenen Fragen ist lang. Sehr lang.
Am Donnerstagabend haben die Abgeordneten geschwiegen. Sie haben den Bürgermeister, das Aktionsbündnis und die Wittstocker im Stich gelassen.