(MAZ) POTSDAM Bei der brandenburgischen WASG hängt der Haussegen schief. Drei
Tage
vor der PDS-Delegiertenkonferenz am Sonnabend in Frankfurt (Oder), auf der
die Landesliste für die Bundestagswahl im September beschlossen werden
soll,
ist in der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit offener Streit
über den WASG-Kandidaten Steffen Hultsch ausgebrochen. Der Landesvorstand
der PDS — die Umbenennung in Linkspartei soll erst unmittelbar vor der
morgigen Delegiertenversammlung erfolgen — hatte Hultsch, die Nummer eins
der WASG, auf den aussichtsreichen 6. Platz der Landesliste gesetzt. Gegen
die Platzierung des 61-jährigen Potsdamer Rechtsanwalts opponiert vor allem
der WASG-Kreisverband Oderland-Spree. Hultsch gehört als Pressesprecher dem
geschäftsführenden WASG-Landesvorstand an.
Siegfried Wied, Sprecher der Wahlalternative in Oderland-Spree, beklagt,
dass Hultsch in einem wenig trans-parenten Verfahren zum WASG-Spitzenmann
gekürt worden war. Es habe keine Landesversammlung der 165 Mitglieder
zählenden märkischen WASG gegeben. “Das verstößt gegen innerparteiliche
Gepflogenheiten”, sagte Wied gestern der MAZ.
Die Vorstandsspitze mit WASG-Landeschef Herbert Driebe und Hultsch habe die
Kandidaten der zwölf Kreisverbände “nach Einzelgesprächen” bestimmt. Die
WASG-Basis habe sich von den Bewerbern kein Bild machen können, empört sich
Wied, im Hauptberuf für Ostbrandenburg zuständiger IG-Metall-Sekretär. Das
Prozedere sei deshalb durch die Mehrheit der Kreisververbände auch nicht
abgesegnet worden. Eine Vollversammlung, zu der Wied die WASG-Mitglieder
für
gestern Abend nach Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) eingeladen hatte,
sollte die Debatte noch einmal aufrollen.
Hultsch weist die Vorwürfe zurück. Einige wenige WASG-Mitglieder
behaupteten
jetzt, bei der Kandidatensuche nicht berücksichtigt worden zu sein. “Alle
Kreisverbände haben meiner Bewerbung zugestimmt”, erklärte Hultsch gestern.
Mit Platz sechs auf der Liste der Linkspartei hinter dem
PDS-Bundesvorsitzenden Lothar Bisky, Landtagsfraktionschefin Dagmar
Enkelmann, PDS-Vizelandeschefin Diana Golze, dem parteilosen Bundesrichter
Wolfgang Neskovic und der PDS-Vizechefin Kirsten Tackmann hat Hultsch gute
Chancen, in den Bundestag einzuziehen.
Hultsch-Kritiker Wied wollte von der gestrigen WASG-Krisensitzung abhängig
machen, ob er beim morgigen Listenparteitag der Linkspartei-PDS gegen
seinen
Parteikollegen antritt. Wie es heißt, hat Gewerkschaftsmann Wied in Teilen
der PDS durchaus Rückhalt. Die WASG-Spitze lehnte eine Teilnahme am
Senftenberger Krisengespräch ab. Hultsch sei unumstritten, so Landeschef
Driebe.
Als Beleg, dass das nicht stimme, führt Wied die zusätzlichen
WASG-Kandidaten ins Feld, die sich erst in den vergangenen Tagen gemeldet
haben. Inzwischen wollen sieben WASGler, davon zwei aus Berlin, auf der
Linkspartei-Liste für den Bundestag kandidieren. “Die Desinformationen des
Potsdamer Vorstandes über die Personalauswahl haben dazu geführt, dass sich
immer mehr Leute bewerben”, so Wied. Der 49-jährige gebürtige Duisburger,
der mehr als 20 Jahre in der SPD war, sorgt sich um das Image der
Wahlalternative: “Wenn wir durch Postenkungelei ins Gerede kommen, werden
sich die Leute von uns abwenden.”
Der PDS-Landesvorsitzende Thomas Nord wollte gestern zu den Querelen bei
der
WASG keine Stellung nehmen. Man müsse zunächst das Votum
WASG-Vollversammlung abwarten. Für PDS-Bundeschef Bisky hat der Streit
sogar
etwas Positives. Damit werde deutlich, dass Linkspartei und WASG keine
Listenverbindung seien, wie Kritiker immer wieder unterstellten. PDS-intern
werden die Auseinandersetzungen um Hultsch unterschiedlich bewertet. Die
einen sorgen sich um das Ansehen der PDS, die mit neuem Namen und neuer
Kraft im Bundestag auftrumpfen will, andere sehen den Zwist gelassener und
verweisen darauf, dass die PDS im Linksbündnis Herr im Hause sei und
bestimme, wo es lang gehe.
In Berlin hielt unterdessen der Streit zwischen PDS und WASG auf
Landesebene
an. Nach wie vor gibt es keine Einigung über die Kandidaten für die
aussichtsreichen Listenplätze zur Wahl. Der PDS-Landesvorstand unterstützt
erst auf Platz sieben mit Ralf Kramer einen WASG-Politiker. Platz eins ist
für Gregor Gysi vorgesehen. Die WASG will weiter vorn platziert werden
kündigte an, dass WASG-Mitglieder ab Platz vier kandidieren werden.
Brandenburger WASG vor der Auflösung
Potsdam (MOZ, 28.7.) Der brandenburgische Landesverband der Wahlalternative Arbeit
und soziale Gerechtigkeit (WASG) steht vor einer Zerreißprobe. Hintergrund
ist eine Auseinandersetzung um die Aufstellung der Kandidaten für die
offene
Liste der Linkspartei-PDS, die am Sonnabend auf einem Parteitag in
Frankfurt
(Oder) beschlossen werden soll.
Die ostbrandenburgischen Kreisverbände der WASG wenden sich gegen die
Aufstellung von Steffen Hultsch durch den Landesvorstand. Sie haben für
Donnerstag zu einer Sonder-Vollversammlung der rund 150 Mitglieder nach
Senftenberg eingeladen. Der geschäftsführende Landesvorstand der WASG habe
bei der Aufstellung von Hultsch die innerparteiliche Demokratie verletzt
und
ganze Kreisverbände ausgegrenzt, sagte Siegfried Wied, Sprecher des
Kreisverbandes Oderland-Spree, der MOZ. Er werde selbst am Sonnabend gegen
Hultsch antreten, falls es keine Einigung gebe.
Landesvorsitzender Herbert Driebe erklärte, Hultsch werde vom gesamten
Landesverband getragen. Der Vorstand werde sich nicht am Treffen in
Senftenberg beteiligen.