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Antifaschismus

?Nauen?/??Brieselang?: ??Flüchtlinge? ??willkommen? oder nicht?

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Impres­sio­nen aus Nauen und Brieselang

Während in der gestri­gen Briese­langer Gemeindevertreter_innenversammlung Uneinigkeit hin­sichtlich der Flüchtling­sun­ter­bringung herrschte und „besorgte“ Anwohner_innen Stim­mung gegen eine geplante Notun­terkun­ft im Ort macht­en, nutzte die Nauen­er Zivilge­sellschaft den „Kinosom­mer“ der Ini­tia­tive „Schön­er Leben ohne Nazis“ im 10km ent­fer­n­ten Leonar­do Da Vin­ci Cam­pus in Nauen, um sich im Rah­men ein­er Diskus­sion zu präsen­tieren und Anre­gun­gen sowie Mitstreiter_innen für eine Willkom­men­skul­tur in der Stadt zu gewinnen.

Willkom­men in Nauen?

Da auch nach dem ver­heeren­den Bran­dan­schlag auf die als Notun­terkun­ft gedachte Sporthalle in Nauen an ein­er Unter­bringung von Flüchtlin­gen in der havel­ländis­chen Kle­in­stadt fest­ge­hal­ten wird, scheint ein zivilge­sellschaftlich­er Organ­i­sa­tion­skreis, der die vor Krieg und Ver­fol­gung geflüchteten Men­schen ehre­namtlich betreut, hil­ft Vorurteile abzubauen und so zu ein­er gelun­genen Inte­gra­tion beiträgt, drin­gend notwendig zu sein.
In Nauen bietet bere­its die Ini­tia­tive „Nauen für Men­schlichkeit“ Ansätze für eine eventuelle Willkom­men­skul­tur in der Stadt. Doch noch weit­ere Men­schen sollen in die ehre­namtliche Arbeit mitein­be­zo­gen werden.
Eine gute Gele­gen­heit, um ins Gespräch zu kom­men, bot deshalb gestern der Leonar­do da Vin­ci Cam­pus in Nauen. Die Pri­vatschule ver­anstal­tete gemein­sam mit der Ini­tia­tive „Schön­er Leben ohne Nazis“ eine Filmvor­führung mit Diskus­sion. In dem präsen­tierten Film „Can´t be silent“ ging es um Flüchtlinge, die zunächst ohn­mächtig und desil­lu­sion­iert ihr Leben in deutschen Asylbewerber__innenheimen fris­teten, später aber von einem Musik­er ent­deckt wur­den und durch die Mitwirkung in dessen Band „Strom und Wass­er feat. The Refugees“ zu neuem Lebens­mut zurückfanden.
Ermuti­gen und nicht aus­gren­zen kön­nte auch das Mot­to ein­er Willkom­mensini­tia­tive im Ort sein, deren Grün­dung bzw. Erweiterung und let­z­tendlich auch Dauer­haftigkeit Hin­ter­grund ein­er der Filmvor­führung voran gestell­ten Diskus­sion war. Vor unge­fähr 100 Schüler_innen der bei­den Nauen­er Gym­nasien wurde in diesem Rah­men, zwis­chen Vertreter_innen der Zivilge­sellschaft, dem Bürg­er­meis­ter sowie einem Staatssekretär des Bran­den­burg­er Bil­dungsmin­is­teri­ums, lock­er debat­tiert. Fest mit in die Debat­te einge­plant waren übri­gens auch Flüchtlinge aus der geplanten Notun­terkun­ft. Dies wurde jedoch durch den heimtück­ischen Bran­dan­schlag vereitelt.
Der Anschlag war auch gle­ichzeit­ig der Ein­stieg in die Debat­te. Bürg­er­meis­ter Detlef Fleis­chmann verurteilte aber­mals den Anschlag als Ver­brechen und bekräftigte, dass er auch weit­er­hin für die Unter­bringung von Flüchtlin­gen in der Stadt ein­trete. Dieser Entschluss wurde auch von Dr. Irene Petro­vic-Wettstädt, Lei­t­erin des Leonar­do da Vin­ci Cam­pus geteilt, die sich sofort bere­it erk­lärte Flüchtlinge auf dem Gelände ihrer Schule unterzubrin­gen. Tat­säch­lich sollen im Okto­ber oder Novem­ber 2015 geflüchtete Men­schen nach Nauen kom­men. Sie sollen bis zur Fer­tig­stel­lung ein­er geeigneten, fes­ten Unterkun­ft allerd­ings in ein­er tem­porären Traglufthalle unterge­bracht werden.
Doch wie dann weit­er? Auch darüber wur­den sich gestern Gedanken gemacht. Staatssekretär Dr. Thomas Dresch­er bekräftigte beispiel­sweise, dass für Bil­dungszwecke dur­chaus genug Geld bere­it­ste­he, alleine das Per­son­al fehle. So wandte er sich auch per­spek­tivisch an die Schüler und riet ihnen sich für ein Lehramtsstudi­um zu entschei­den, da hier ein Fachkräfte­man­gel herrsche. Auch kön­nten aus­re­ichend aus­ge­bildete Flüchtlinge bei Inter­esse bere­its jet­zt zur Betreu­ung einzel­ner Schulkurse herange­zo­gen wer­den, so Drescher.
Neben der schulis­chen Inte­gra­tion scheint jedoch auch eine Eingliederung der geflüchteten Men­schen in das alltägliche Leben der Stadt Nauen unbe­d­ingt notwendig. Dies­bezüglich wurde in der Diskus­sion auch das Prob­lem des weit ver­bre­it­eten All­t­agsras­sis­mus angeschnit­ten. Hier gäbe es einen erhe­blichen Nach­holebe­darf, sich zu ein­er weltof­fe­nen Stadt zu entwick­eln. Aber die Ansätze zur Über­win­dung von Ras­sis­mus und Vorurteilen seien da und Konzepte eben­so. Aus Falkensee berichtete beispiel­sweise die Ini­tia­tive „Jugend für Asyl“ von ihren Aktiv­itäten zur Unter­stützung von Flüchtlin­gen. Darüber hin­aus warb die „Human­is­tis­che Flüchtling­shil­fe“ für Part­ner­schaften zwis­chen kün­fti­gen Neu-Nauen­ern und Alt-Nauern.
Allerd­ings hat Nauen anscheinend nach wie vor ein Prob­lem mit seinem Ruf, der mitunter auch dazu beiträgt, das viele junge und weltof­fene Men­schen eher nach Berlin als vor Ort zu bleiben. Hier gilt es offen­bar noch einiges zu investieren. Denn, wie ein Flüchtling aus dem Pub­likum richtig resümierte: „es ist an den Nauern, selb­st ihr Bild zu ändern“.
Damit endete die Diskus­sion und ging in den lock­eren Teil über. Dabei wur­den zunächst drei Liegestüh­le der Ini­tia­tive „Schön­er leben ohne Nazis“ für ins­ge­samt 330,00 € ver­steigert. Der Erlös soll der Flüchtling­shil­fe zu Gute kom­men. Anschließend fol­gte dann der Film­beitrag und eine kurze Livedar­bi­etung durch Hip Hop Acts.

Nicht willkom­men in Brieselang?

Während in Nauen also erste Ansätze für eine offene Stadt und erste Pro­jek­tvorstel­lun­gen für die Flüchtlingsar­beit konzip­iert sind, scheint die Diskus­sion in Briese­lang noch weit davon ent­fer­nt. Hier hat­te die Gemeinde eben­falls gestern zu ein­er öffentlichen Sitzung der Briese­langer Abge­ord­neten ein­ge­laden. Dabei sollte über die Ein­rich­tung ein­er Notun­terkun­ft in ein­er Schul­sporthalle debat­tiert wer­den. Auch die Einwohner_innen der Gemeinde waren ein­ge­laden, sich in der Bürger_innenfragerunde zum Stand des Pro­jek­tes zu erkundigen.
Doch schon in den ersten Minuten zeigte sich, dass Briese­lang, doch nicht so offen ist, wie es gerne vorgibt zu sein. Als erstes ließ Bürg­er­meis­ter Wil­helm Garn (CDU) die Presse­frei­heit ein­schränken, in dem er das Anfer­ti­gen von Auf­nah­men der expliz­it öffentlichen Sitzung unter­sagen ließ. Dies ist zwar nach § 36 (3), BbgKVerf zuläs­sig, aber nur wenn dies durch die Geschäft­sor­d­nung der Gemeinde geregelt ist oder dazu alle Abge­ord­neten befragt wur­den. Eine solche Abstim­mung fand gestern jedoch nicht statt. Eben­so wenig find­et sich in der aktuellen Geschäft­sor­d­nung der Gemeinde eine Unter­sa­gung von Bild- und Ton­mitschnit­ten. Die Ein­schränkung der Presse­frei­heit war somit willkürlich.
Doch dies war nur der kleine Auf­takt ein­er für die Gemeinde blam­ablen Ver­anstal­tung. Denn anstatt gle­ich über die notwendi­gen Schritte für die Organ­isierung des Lebens der kün­fti­gen Gemein­demit­glieder zu berat­en, bekriegten sich die Abge­ord­neten zunächst gegen­seit­ig. Ralf Reimann von der „Ini­tia­tive für Bürg­er­in­ter­esse und Bürg­er­in­beteili­gung“ (IBB) stellte näm­lich in den ersten Minuten die gestrige Sitzung ansich in Frage, da die Dringlichkeit mit der diese begrün­det wurde, durch die Ablehnung der besagten Schul­sporthalle als Notun­terkun­ft, durch den Land­kreis, nicht mit mehr gewährleis­tet war. Der Bürg­er­meis­ter und mehrere anderen Frak­tio­nen woll­ten jedoch weit­er­hin an der Sitzung fes­thal­ten, da bere­its ein anderes Grund­stück für eine tem­poräre Gemein­schaft­sun­terkun­ft in Frage käme und die Gemeinde auf jeden Fall Flüchtlinge aufnehme wolle. Der Abge­ord­nete Reimann wurde schließlich über­stimmt. Allerd­ings gab dieser sich nicht so ein­fach geschla­gen und unter­stellte dem Bürg­er­meis­ter, der an diesem Abend immer wieder seine Bere­itschaft zur Flüchtlingsauf­nahme sig­nal­isierte, nicht wirk­lich ein ern­sthaftes Ange­bot zur Unter­bringung der Flüchtlinge abgegeben zu haben. Die von der Gemeinde ins Spiel gebrachte Schul­sporthalle sei, gemäß Reimann, dessen Frak­tion übri­gens nicht unbe­d­ingt für die Auf­nahme von Flüchtlin­gen ste­ht, bere­its mit dem Wis­sen ihrer Uneig­nung ange­boten wor­den. Das Ange­bot ein­er Notun­terkun­ft also eine reine Pro­pa­gan­da-Aktion? Der Bürg­er­meis­ter ver­wahrte sich zwar dage­gen, kon­nte aber die Vor­würfe auch nicht wirk­lich entkräften. Sein­er Ansicht nach, bezog sich die bekan­nte Uneig­nung lediglich auf den Sport­fuß­bo­den, der durch geeignete Maß­nah­men hätte allerd­ings geschützt wer­den kön­nen. Abgelehnt wurde die Halle vom Land­kreis jedoch u.a. wegen ein­er man­gel­nden Lüf­tung und man­gel­nden Brand­schutzes. Eine Bla­m­age für Briese­lang, wie ein Bürg­er dazu tre­f­fend bemerk­te. Er war während der anschließen­den Bürger_fragestunde übri­gens auch der einzige Men­sch aus dem Pub­likum, der sich ohne erkennbare Vor­be­halte für die Auf­nahme von Flüchtlin­gen aussprach. Die Willkom­mens-AG, die sich in Briese­lang gebildet haben soll, war bis auf die sich dazu beken­nen­den Abge­ord­neten jedoch nicht vertreten oder meldete sich nicht zu Wort. Stattdessen herrschte eine über­wiegende Ablehnung im Saal, zwar nicht gegen Flüchtlinge im All­ge­meinen, wie gerne betont wurde, jedoch gegen deren etwaige „Masse­nun­ter­bringung“. Der Land­kreis Havel­land plant näm­lich zurzeit, man­gels Möglichkeit­en eines fer­ti­gen Gebäudes die Notun­ter­bringung von 300 geflüchteten Men­schen in ein­er tem­porären, 2.000m² großen Traglufthalle. So gut wie alle Bürger_innen, die in der Fragerunde zu Wort kamen sprachen sich gegen diese Lösung aus. Ein Jurist dro­hte sog­ar mit ein­er Anwohner_inneninitiative und Kla­gen dage­gen. Ihm applaudierten Dreivier­tel des Pub­likums. Vehe­ment wurde zudem statt der „Masse­nun­ter­bringung“ eine Bele­gung in kleineren Ein­heit­en gefordert. Eine an sich vertret­bare Lösung, wenn, wie Falkensee Zeit und entsprechende Ressourcen zur Ver­fü­gung ste­hen. Doch in Anbe­tra­cht der derzeit­i­gen Sit­u­a­tion, in der schnell entsch­ieden und schnell gehan­delt wer­den muss, abso­lut real­itäts­fern. Eine Unter­bringung in ein­er Halle sei zudem immer noch bess­er, als eine Über­nach­tung auf dem freien Feld, so Michael Koch (CDU), gegenüber den besorgten Anwohner_innen. Deren Sor­gen schienen sich aber tat­säch­lich weniger um die human­itäre Hil­fe für Flüchtlinge zu drehen, als denn um ihr eigenes Wohl. Eine Frau brachte es schließlich wieder auf den Punkt. Sie habe Angst vor den Flüchtlin­gen, vor ange­blich zu erwartenden Kon­flik­ten und tod­brin­gen­den Krankheit­en. Ein ander­er sah seine Ruhe durch etwaige „Emis­sions­be­las­tung“ (Lärm) gefährdet. Und über­haupt wurde sich viel selb­st­be­mitlei­det. Auch in den Rei­hen der Abge­ord­neten, welche die Ver­ant­wor­tung für die Errich­tung der Masse­nun­terkun­ft dem Land­kreis zuschoben. Doch auch hier protestierte die IBB. Dies­mal ergriff die Abge­ord­nete Michaela Bel­ter das Wort. Sie rief die Entscheidungsträger_innen dazu auf, beim Land­kreis oder anderen über­ge­ord­neten Stellen grund­sät­zlich gegen die Unter­bringung zu stim­men. Die meis­ten Flüchtlinge in der Bun­desre­pub­lik hät­ten, so die Mei­n­ung von Frau Bel­ter, ohne­hin kein Bleiberecht. Dem brauchte Frank Kit­tler, einziger NPD Abge­ord­neter in der Runde, nicht mehr viel hinzufü­gen. Er bekräftigte, dass er bere­its die Entschei­dung für die Ein­rich­tung ein­er Notun­terkun­ft in der Schul­sporthalle für beden­klich hielt und ern­tete dafür Applaus. Kein gutes Omen für ein weltof­fenes Brieselang.

Fotos: hier
 

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