Fast 1000 Menschen bei Demo “Für ein tolerantes
Wittstock“
Mit Kerzen gegen Gewalt
WITTSTOCK “Es ist nie zu spät, sich aufzumachen”,
sagte die Mutter eines Opfers rechter Gewalt auf der
Bühne im Amtshof in Wittstock: Am Sonnabend hatten
sich knapp 1000 Menschen “aufgemacht”, ein Zeichen
gegen Gewalt und Rechtsradikalismus zu setzen.
Unter dem Motto “Gegen rechts und für ein tolerantes
Wittstock” gab es ab 16 Uhr zunächst ein Friedensgebet
in der St.-Marien-Kirche. Danach zogen die Menschen
durch die Straßen. Einige hielten Kerzen in den
Händen. Angeführt wurde der Tross unter anderem von
Ministerpräsident Manfred Stolpe, Bürgermeister Lutz
Scheidemann, Bischof Wolfgang Huber, Superintendent
Heinz-Joachim Lohmann und Landrat Christian Gilde.
Am Ziel des Marsches, der Bühne im Amtshof, hatte sich
bereits eine Gruppe von Anhängern des
“Aktionsbündnisses der Anständigen” (AGA) eingefunden.
Erst am Vormittag waren etwa 45 AGA-Anhänger durch die
Stadt marschiert. Es kam jedoch zu keinen
Zwischenfällen.
Auf der Bühne wurden verschiedene Reden gehalten, die
aber dennoch alle ein und dieselbe deutliche Botschaft
hatten: Rechte Gewalt darf nicht länger schweigend
hingenommen werden.
Da war die Mutter eines dunkelhäutigen Jungen, der von
Schlägern gejagt wurde. Sie berichtete, wie es zu dem
Vorfall gekommen war und sprach von der “Angst, die
bis heute geblieben” sei. “Wenn wir in der Stadt
unterwegs sind, fragen wir uns: Wer wird uns heute
wohl anpöbeln oder vor uns ausspucken. Mein Sohn sagt,
er habe sich daran gewöhnt, aber ich gewöhne mich
nicht daran.”
Da war der Ministerpräsident, der energisch betonte,
dass die Zeit des Stillhaltens und Schweigens zu Ende
sei. Und mit Blick auf die AGA-Leute und erhobener
Stimme rief er: “Wir werden nicht zulassen, dass sich
Nazi-Verbrechen wiederholen.” Den Teilnehmern des
Marsches legte Stolpe ans Herz: “Ganz Brandenburg
schaut heute auf Wittstock. Helfen Sie mit zu
verhindern, dass diese Stadt nicht den Ruf eines
Nazi-Aufmarschgebietes bekommt, sondern als
einladende, attraktive Stadt bekannt wird.”
Da war Bischof Wolfgang Huber. Er appellierte an die
Menschen, nicht wegzusehen. “Wenn wir die Demokratie
auch morgen haben wollen, müssen wir heute dafür
kämpfen.” Er bezeichnete die Aktion als “wichtiges
Signal”. Und das nicht nur wegen der AGA-Aktion am
Sonnabendvormittag “Am 10. Dezember ist der Tag der
Menschenrechte — und daran knüpfen wir an”, so Huber
Und da war natürlich Bürgermeister Lutz Scheidemann,
der als einziger Redner frei sprach. Er verwies
darauf, dass das chinesische Restaurant im Moosbusch,
der chinesische Imbiss, der “Italiener” oder die
Döner-Geschäfte zu Wittstock gehören und das
gastronomische Angebot in der Stadt bereichern. Auch
er forderte, Courage gegen rechte Gewalt zu zeigen,
anstatt “denen da” das Feld zu überlassen, erklärte er
und zeigte auf die AGA-Anhänger.
Paukenschlag gegen rechte Szene
Schweigemarsch durch Wittstock
WITTSTOCK Rund 1000 Menschen beteiligten sich am
Sonnabend an einem Schweigemarsch durch die
Wittstocker Innenstadt unter dem Motto „Gegen Rechts –
Für ein tolerantes Wittstock“.
Aufgerufen hatte ein Aktionsbündnis „Wittstock gegen
Rechts“, 27 Organisationen sowie Einzelpersonen.
Auch Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und der
Landesbischof der evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, wohnten der
Veranstaltung bei. Nach einem Friedensgottesdienst in
der Wittstocker St. Marienkirche führte Stolpe den
Schweigemarsch durch die Innenstadt an.
Bei seiner Ansprache im Amtshof betonte der
Landesvater, dass es sehr wichtig sei, dass die
Dossestädter gemeinsam aufstehen und sich gegen die
Dummheit der rechten Täter wehren. „Gemeinsam machen
wir das Kreuz gerade“, sagte er am Ende seiner Rede.
Wie Mitinitiator Superintendent Heinz-Joachim Lohmann
sagte, war diese Aktion ein Paukenschlag, welcher der
Wittstocker rechten Szene zeigen sollte, dass sie
nicht allein in der Stadt ist. Eine weitere große
Veranstaltung solle es in nächster Zeit jedoch nicht
geben. Ziel des noch jungen Aktionsbündnisses ist es,
2002 ein Jugendarbeitskonzept auf allen Ebenen
durchzusetzen, um die rechtsradikale Szene in
Wittstock zu knacken, so Lohmann.
„Licht für dunkle Köpfe“
1000 Menschen demonstrierten für ein Wittstock ohne
Gewalt
WITTSTOCK Trotz frostiger Temperaturen beteiligten
sich am Sonnabendnachmittag viele Menschen am
Schweigemarsch „Gegen Rechts – für ein tolerantes
Wittstock“ initiiert vom örtlichen Aktionsbündnis
gegen Gewalt.
Vorausgegangen waren in den vergangene Jahren häufige
Übergriffe auf vermeintliche Ausländer oder anders
Denkende sowie Aufmärsche rechter Vereinigungen in der
Dossestadt. Auch am Sonnabend Vormittag marschierten
rund 45 Rechte durch Wittstock. Wie die
Pressesprecherin der Polizei, Beatrix Kühn, sagte,
fand die Demonstration unter den Bürgern keine
Beachtung.
Doch am Nachmittag, zum Friedensgebet in der
Marienkirche, waren rund 700 Menschen, darunter
Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und der
Landesbischof der evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg Wolfgang Huber, gekommen.
Wie Dieter Hildebrecht, Leiter der baptischen
Gemeinde, in seiner Predigt sagte, wurden einst die
Abendveranstaltungen von der Kirche gut besucht. „Das
hat sich geändert. Viel ältere Mitbürger trauen sich am Abend nicht mehr auf die Straße, weil sie vor dem militant aussehenden und umherpöbelnden Jugendlichen Angst haben“, sagte er. Er betonte, dass es eine so breite Aktion gegen rechte Gewalt schon lange nicht
mehr in Wittstock gab. „Bringen wir beim Schweigemarsch Licht in die dunklen Köpfe“, schloss er
seine Predigt. Nach einer Fürbitte, unter anderem
sprach Landrat Christian Gilde (SPD), begaben sich die
Gottesdienstbesucher mit rund 300 weiteren
Aktionsteilnehmern auf den Schweigemarsch durch die
Wittstocker Innenstadt.
Den Kundgebungsort – Amtshof – erreichte der Tross,
angeführt von Manfred Stolpe, nach zirka 40 Minuten.
Dort hatte sich bereits eine Gruppe von etwa 30
Rechten versammelt, welche versuchten die
Veranstaltung zu stören. Das schafften sie mit ihren
Zwischen rufen jedoch nicht. Der erste Redebeitrag kam
von der Mutter Gisela Guskowsky-Bork. Sie berichtete,
welchen täglichen Schikanen ihre dunkelhäutigen Kinder
und sie in Wittstock ausgesetzt sind. „Vor unseren
Füßen wird auf die Straße gespuckt“, sagte sie. Ihr
Sohn Manuel, der in Wittstock schon oft Opfer rechter
Attacken wurde, gehe nie ohne sein Fahrrad in die
Stadt, falls er wieder einmal schnell fliehen müsste.
Andächtig hörten die Wittstocker die Klagen der
besorgten Mutter. Nach ihr ergriff der Landesvater das
Wort. Stolpe lobte die Wittstocker, die an diesem
Abend Gesicht zeigten und für mehr Toleranz auf die
Straße gingen. Nie dürfte vergessen werden, was im
Dritten Reich geschah und in welches Unglück
Deutschland und Europa damals gestürzt wurden. „Aber
das wollen diese jungen Rechtsradikalen wieder“, sagte
Stolpe und deutete auf die glatzköpfigen Jugendlichen,
die am Rande der Veranstaltung standen. Landesbischof
Huber appellierte an die Wittstocker, nicht zu
resignieren und in unermüdlicher Alltagstapferkeit
sich dem Rechtsextremismus in den Weg zu stellen.
Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) stellte die
Frage, wie sich rechte Jugendliche als anständig
bezeichnen können, wenn sie bereits mit einem
Baseballschläger im Kofferraum zu Demonstrationen
fahren oder das Inventar des Wittstocker Jugendclubs
Ha
vanna zertrümmern.