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124 Euro für einmal Zivilcourage

NEURUPPIN. Der Bußgeldbescheid, den Karsten Lehmann erhielt, belief sich auf 124,23 Euro. Zu zahlen, weil sich der 40-Jährige im März 2007 den Neon­azis bei ihrem alljährlichen Marsch durch Halbe (Dahme-Spree­wald) in den Weg gestellt und geweigert hat­te, den Platz zu räu­men. Karsten Lehmann will das Geld nicht zahlen. Er sagt, er habe lediglich Zivil­courage gezeigt. So, wie es immer wieder von der Poli­tik gefordert werde und wie es im Novem­ber 2005 geschehen sei, als Poli­tik­er zu ein­er Block­ade des Nazi-Auf­marsches in Halbe aufgerufen hatten.

Das Amts­gericht in Zehdenick sollte gestern über den Bußgeldbescheid für Karsten Lehmann und sechs ander­er Män­nern und Frauen entschei­den. Sie gehören zu jenen etwa 50 Protestlern, die am 3. März die 200 Neon­azis nicht durch­lassen woll­ten — trotz eines Platzver­weis­es durch die Polizei. Damit ver­stießen sie gegen das Ver­samm­lungsrecht. Rund 30 von ihnen haben gegen den darauf fol­gen­den Bußgeldbescheid Ein­spruch ein­gelegt, der nun gerichtlich gek­lärt wer­den muss.

Peter Lign­er war gestern nach Zehdenick gekom­men, um seine Sol­i­dar­ität zu zeigen. Lign­er ist Frak­tionsvor­sitzen­der der Linken im Kreistag von Ober­hav­el. Auch er gehörte zu jenen, die sich in Halbe wegen der Nazis nicht “ein­fach von der Straße” fegen lassen woll­ten. Bei der anschließen­den Räu­mung des Platzes durch die Polizei stürzte der 59-Jährige und brach sich das linke Handgelenk.

Auch Lign­er bekam einen Straf­be­fehl, der seinen Angaben zufolge “weit höher liegt, als bei den jun­gen Leuten, um die es jet­zt bei Gericht geht”. Lign­er soll der Drahtzieher der Drän­gelei gewe­sen sein. “Das ist aber Quatsch”, sagt er. Lign­er weigert sich eben­falls, den Straf­be­fehl zu befol­gen. Für ihn gibt es noch keinen Ter­min bei Gericht.

Auch gegen Irmela Men­sah-Schramm wur­den 124 Euro Bußgeld ver­hängt. Die 61-Jährige ist bekan­nt dafür, dass sie in Berlin und Bran­den­burg rechte Parolen ent­fer­nt. In Halbe trat sie, wie sie sagt, aus Sol­i­dar­ität zu den von der Polizei eingekessel­ten Demon­stran­ten. Sie zeigt Ausze­ich­nun­gen, die sie mit den Jahren für ihr Engage­ment gegen Rechts erhal­ten hat: Die Urkunde “Aktiv für Demokratie und Tol­er­anz 2005” etwa, oder jene anlässlich der Ver­lei­hung der Bun­desver­di­en­stmedaille — die sie längst zurück gegeben hat. “Es ist ein Skan­dal, dass man für Zivil­courage aus­geze­ich­net und dann bestraft wird”, sagt sie.

Gestern wurde nur das Bußgeld­ver­fahren gegen eine 17-Jährige ver­han­delt. Es wurde wegen ihres jugendlichen Alters eingestellt. Die Gym­nasi­astin aus Berlin hat­te im März erst­mals in Halbe gegen die Recht­en demon­stri­ert. Am Ende sollte sie 50 Euro Strafe zahlen. Das Ver­fahren gegen die anderen sechs Bußgeld­ver­weiger­er wurde auf den 5. Novem­ber ver­schoben. An diesem Tag sollen sie und weit­ere acht Protestler gemein­sam vor Gericht ste­hen. Ihre Anwältin Car­o­la Handw­erg kann die Ver­fahren nicht nachvol­lziehen: “Im Jahr 2005 hat sich Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm an die Spitze des Protestes gestellt und nach der erfol­gre­ichen Block­ade des Neon­azi-Auf­marsches allen Demokrat­en gedankt”, sagt sie. Die Staat­san­waltschaft habe damals keine Ermit­tlun­gen aufgenom­men. “Und nun, nur weil Poli­tik­er nicht mehr vorne dabei sind, soll das alles nicht mehr gelten?”

Baaske für Verfahrenseinstellung

SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske, der zu den Protesten gegen die Recht­sex­trem­is­ten aufgerufen hat­te, sagt, er habe am 3. März selb­st bis 18 Uhr in Halbe gegen den Nazi-Auf­marsch demon­stri­ert. Es habe jedoch eine Absprache mit der Polizei gegeben, die Straße ab 16 Uhr zu räu­men. Nicht alle hät­ten sich daran gehal­ten. “Über die Ein­stel­lung der Ver­fahren hat auss­chließlich die Jus­tiz zu entschei­den — ich würde sie begrüßen”, sagt Baaske. Allerd­ing, so merkt Baaske aber auch an, sei die Sit­u­a­tion 2005 in Halbe eine völ­lig andere gewe­sen als im Jahr 2007. “Damals gab es keine Chance, die Straße zu räu­men, weil sie von 2 000 Men­schen block­iert wurde.”

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