“Militante Gruppe” gilt als Drahtzieher des Brandanschlages auf Ministerium — Drohbriefe mit Munition an Politiker
Potsdam — Nach dem Brandanschlag auf Fahrzeuge des Umweltministeriums in
Potsdam, zu dem sich die “Militante Gruppe” (MG) bekannte, rücken die
Linksterroristen nun verstärkt ins Visier der Staats- und
Verfassungsschützer. Bei dem Anschlag waren in der Nacht zum 29. April
diesen Jahres drei Pkw ausgebrannt, sieben Fensterscheiben im Erdgeschoß
sowie Teile der Fassade des Ministeriums zerstört worden. Beamte vom
Staatsschutz (2. Kommissariat) in Potsdam übernahmen den Fall.
Die “Militante Gruppe” wird nach Auskunft der Bundesanwaltschaft momentan
für 20 Anschläge verantwortlich gemacht, vier davon in Brandenburg. Ziele
waren Daimler-Chrysler-Niederlassungen, Fahrzeuge der Bundeswehr, der
Telekom und eines Entsorgungsunternehmens, das Deutsche Institut für
Wirtschaft in Berlin sowie mehrere Arbeitsagenturen und Finanzämter in
Berlin. Erstmals trat die MG mit der Versendung von Drohbriefen an den
Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, Otto Graf
Lambsdorff, und an die Repräsentanten der “Stiftungsinitiative der Deutschen
Wirtschaft”, Wolfgang Gibowski und Manfred Gentz, im Juni 2001 in
Erscheinung. Den mit den Worten “Auch Kugeln markieren einen Schlußstrich”
überschriebenen Drohbriefen wurde jeweils eine Kleinkaliberpatrone
beigefügt. Als Begründung für die Versendung der Schreiben führte die MG an,
daß die geplante Entschädigungssumme nicht ausreichend sei. Die
Bundesanwaltschaft ermittelt seit 2001 gegen die MG wegen Bildung einer
terroristischen Vereinigung. Auch im Fall des jüngsten Brandanschlages hat
Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen an sich gezogen.
Der Verfassungsschutz in Berlin trägt seit 2001 umfangreich Material über
die MG zusammen, weil dort ihre logistische Basis vermutet wird. Die
Unterlagen, die der Berliner Morgenpost vorliegen, beginnen mit
Aufzeichnungen über das erste “Debattenpapier” der MG, welches im November
2001 in der linksradikalen Szenezeitschrift “Interim” veröffentlicht wurde.
Wörtlich heißt es in der Analyse der Verfassungsschützer: “Zu Beginn gab es
in der Debatte Positionierungen, die sich auch für gezielte Liquidierungen
von Personen aussprachen, was jedoch mehrheitlich auf Widerspruch in der
Szene traf.” Trotzdem versuchte die MG, ihre Militanzdebatte bis heute
aufrechtzuerhalten und durch ihre Anschläge zu untermauern. In einem
Bekennerschreiben heißt es: “Wir setzen mit unserem Brandanschlag (…)
unsere militante Linie gegen Institutionen der sozialen Verelendung und
Deklassierung fort. Sozialtechnokratie angreifen — Klassenkampf
organisieren!”
Neben Brandanschlägen wurden Patronenverschickungen bei der MG gängige
Praxis. Der Berliner Sozialstadtrat Frank Balzer (CDU) erhielt einen
Drohbrief mit Munition. Man bezwecke damit “den sozialtechnokratischen
Akteuren (…) in geballter Form (zu) präsentieren, was es heißt,
existentielle Ängste zu haben.”
Die Verfassungsschützer gehen davon aus, daß die MG damit gescheitert ist,
sich mit anderen militanten Gruppen zu vernetzen.
“Diese Entwicklung geht aber nicht einher mit einem prinzipiellen Abrücken
von Militanz”, heißt es in den Unterlagen.