(MAZ, 2.7., Frank Schauka) BRANDENBURG/H. Die etwa 2000 Wahlstimmzettel, die bei dem mutmaßlichen Boss
eines Drogenhändlerrings in Brandenburg/Havel entdeckt wurden, waren gefälscht. Dies ergab nach Informationen der MAZ ein Vergleichstest, den das Landeskriminalamt (LKA) gestern mit Originalwahlzetteln der
Oberbürgermeister-Stichwahl in Brandenburg/Havel von November 2003 durchführte. Damit erhärtet sich der Verdacht einer zumindest versuchten Wahlmanipulation.
Die Fälschungen sollen dem Original täuschend ähnlich sehen. Dieser Sachverhalt zeugt von krimineller Energie und erhöht nach Einschätzung von Beobachtern zusätzlich den Verdacht eines Betrugsversuchs. Ob die Stichwahl der Spitzenkandidaten Dietlind Tiemann (CDU) und Norbert Langerwisch (SPD) tatsächlich manipuliert wurde, ist weiterhin unklar. Dass gefälschte Stimmzettel unbemerkt in den streng geregelten Ablauf einer Wahl geschleust
werden können, gilt unter Fachleuten grundsätzlich als weitgehend ausgeschlossen.
Wahlleiter schließt Manipulation aus
Bis nach der Auszählung würden die Stimmzettel zu jedem Zeitpunkt stets von
mehreren Mitgliedern des Wahlvorstandes bewacht, versicherte der
Kreiswahlleiter der Havelstadt, Jörg Gmirek. Eine Wahlfälschung in einem
Wahlbezirk sei mithin nur vorstellbar, wenn der gesamte aus fünf bis sieben
Personen bestehende Wahlvorstand die Manipulation deckt. Und um einen
entscheidenden Einfluss auf das Stichwahlergebnis von Tiemann und
Langerwisch zu nehmen, hätten die Manipulationen zudem in mehreren der 68
Brandenburger Wahlbezirken vorgenommen werden müssen.
Selbst wenn die aktuellen Ermittlungen des Landeskriminalamtes eine
Wahlfälschung nachweisen könnten, würde dies nicht zu einer Wiederholung der
Oberbürgermeisterwahl in Brandenburg/Havel führen. “Das Ergebnis wird rein
rechtlich nicht betroffen sein, selbst wenn man Manipulationen nachweisen
könnte”, stellte Christian Pahl vom Büro des Landeswahlleisters Peter Kirmße
gestern klar. Die gesetzliche Einspruchsfrist gegen die Wahl sei längst
abgelaufen.
Politische Wellen schlägt der dubiose Fund dennoch. Der innenpolitische
Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, forderte, dass die
Hintergründe des “Vorgangs, der in der Geschichte des Landes einmalig” ist,
“so schnell wie möglich aufgeklärt werden”. Es bestehe “ganz eindeutig der
sehr Besorgnis erregende Verdacht einer Straftat”, so Petke. Immerhin drohe
jedem, der eine Wahl fälsche, eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Alle Beteiligen seien “aufgefordert, bei den Untersuchungen voll zu
kooperieren”.
Drogenboss kein Parteimitglied mehr
Der 41-jährige mutmaßliche Chef des Drogenrings, der seit Mittwochabend in
Untersuchungshaft sitzt, ist nicht nur politisch eine schillernde Person.
Der Bauunternehmer mit einer Vorliebe für Luxuswagen gehört inzwischen
offenbar keiner Partei mehr an.
“Er ist kein Mitglied der SPD”, betonte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus
Ness. Im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters in Brandenburg/Havel
sei der Mann für die SPD “weder als Spender noch in Unterstützungsanzeigen
aufgetaucht”. Ness wies Äußerungen der CDU zurück, der mutmaßliche Dealer
sei “regelmäßig auf SPD-Wahlkampfveranstaltungen in Erscheinung getreten”,
und dies “in einer Form, die viele Beobachter darauf schließen lässt, dass
diese Person die SPD-Wahlveranstaltungen aktiv organisatorisch begleitet und
unterstützt hat”, so der stellvertretende Brandenburger CDU-Kreisvorsitzende
Walter Paaschen. Der “Versuch der CDU, die SPD da hineinzuziehen”, so Ness,
habe “etwas Schmieriges”. Fest steht, dass der dubiose Geschäftsmann bis
August 2001 Mitglied der märkischen CDU war. Der Kreisverband
Potsdam-Mittelmark beendete schließlich die Mitgliedschaft, weil der
Unternehmer seit April 2000 keine Mitgliedsbeiträge mehr entrichtet hatte.
Nach Polizeiangaben gilt der 41-jährige Unternehmer als Kopf einer im
Umkreis der Stadt Brandenburg/Havel agierenden Verbrecherbande, die der
organisierten Kriminalität zugeordnet wird. Es bestehe der Verdacht, dass
die Firmen des 41-Jährigen, der Insolvenz angemeldet hatte, dazu dienten, um
Gelder aus Drogenhandel, Prostitution und eventuell Menschenschmuggel zu
waschen. Die Ermittlungen des Landeskriminalamts gegen die Bande, die
weitere Durchsuchungen einschließen, sind noch nicht beendet.