(MAZ, 28.9.) RATHENOW Gestern [ am Montag, dem 27.09.2004] wurde der Prozess gegen die
Asylbewerber Mohamed Mahmoud und Abdel Amine im Rathenower Amtsgericht
fortgeführt. Die beiden Flüchtlinge wurden von der Arbeiterwohlfahrt (Awo)
Havelland wegen übler Nachrede, Verleumdung und Urkundenfälschung angezeigt
(MAZ berichtete). Sie waren Urheber eines öffentlichen Briefes, in dem
Missstände im Asylbewerberheim im Birkenweg 2 in Rathenow ans Licht gebracht
werden sollten. Nach Aussagen des Angeklagten Amine haben die Heimbewohner
mehrmals versucht, mit der Leitung ins Gespräch zu kommen. Doch diese habe
sich nie auf die Probleme eingelassen. Angaben von Mohamed Mahmoud zufolge,
hatte die Heimleiterin Bärbel Pagel ihm einmal auf seine Suche nach einem
Gespräch geantwortet, dass er als erwachsener Mensch in der Lage sein müsse,
seine Probleme selber zu lösen.
Einer der Hauptanklagepunkte ist der Vorwurf der Asylbewerber, die
Heimleitung würde unbefugt die Zimmer aufschließen und betreten. Zahlreiche
Zeugenvernehmungen in den letzten zwei Prozesstagen haben diesen Vorwurf
jedoch bestätigt. “Daran dürfte keiner mehr zweifeln”, so Regine Götz. Auch
gestern wurde der Vorwurf zum einen durch eine Heimbewohnerin und zum
anderen durch einen Sozialarbeiter bestätigt. In den drei Monaten, in denen
er im Birkenweg 2 arbeitete, hatte er das “angespannte Verhältnis zwischen
Bewohnern und Heimleitung”, so der Zeuge, nicht übersehen können. Seine
Bemühungen, die Asylbewerber in die Gesellschaft zu integrieren, hatte sich
die Heimleitung in den Weg gestellt. Den anderen Hauptanklagepunkt, der
Vorwurf, die Heimleitung würde Briefe der Bewohner öffnen, konnte er auch
bestätigen: In dem Postfach im Büro habe er geöffnete Briefe liegen sehen.
Eigentlich sollte Richter Roland Legier schon gestern, am dritten
Verhandlungstag, sein Urteil fällen. Doch die Staatsanwaltschaft und die
Verteidiger konnten sich nicht einigen.
Die Anwälte der Angeklagten beantragten Freispruch.
Mehrfache Beschwerden durch Bewohner und deren Zeugenaussagen hätten
ergeben, dass die Vorwürfe “eine oft geübte Praxis im Asylbewerberheim in
Rathenow” seien. Um die Beweislage zu bestärken, stellten sie weitere
Anträge auf Zeugenvernehmungen. Der Staatsanwalt meinte darauf, er wolle das
“nicht sperren”. Doch er fügte hinzu: “Selbst wenn es zu einem Freispruch
kommt, ist der Prozess nicht die Bühne für solche Probleme.” Dabei übersah
er, dass die Asylbewerber angeklagt sind. “Wir haben alle Bemühungen
unternommen”, so der Anwalt Ulrich von Klinggräff, “dass diese Bühne gar
nicht erst betreten werden muss”.
Die Anträge auf Vernehmung weiterer Zeugen wurde bewilligt. Auch überlegt
Ligier, ob er die Heimleiterin Pagel ein weiteres Mal und dann auch die
Sozialarbeiterinnen des Heimes vernehmen wird. Pagel hatte sich in der
ersten Vernehmung teilweise selbst widersprochen. Ihre Aussagen sollen nun
noch einmal überprüft werden.
Die Zeugenvernehmung und die Verkündung des Urteils setzte Richter Ligier
auf den 18.Oktober um neun Uhr an.