von Michael Maurer — 23.02.2005 21:20
Ca. 100 Menschen aus Jüterbog und Umgebung versammelten sich am 21.02.2005 um 19:00 Uhr zum 29. mal in Folge auf dem Marktplatz der beschaulichen südbrandenburgischen Kleinstadt Jüterbog. Die eisige Kälte wurde mittels Glühwein und Tee vertrieben. Unser Anton begrüßte wieder den virtuell anwesenden Bundeskanzler. “Herr Bundeskanzler, wir sind wieder da.”
Zum Auftakt sangen die Frauen und Männer wieder das Spottlied “Gerhard Schröder, Gerhard Schöder schläfst Du noch?”, nach der Melodie des Bruder Jakob.
Steffen Marsch dankte allen fleissigen Flugblattverteilern welche für den “Tag der Rechenschaft” in Luckenwalde 2000 Flugblätter verteilt hatten, er dankte auch allen Geschäftsleuten welche sich bereit erklärt hatten in ihren Schaufenstern den Aufruf aushingen. Danach ging er auf Zeitungsmeldungen, welche Selbsttötungen von verzweifelten Harz-Opfern berichtet hatten, ein, und vermutete hohe Dunkelziffern von Schicksalen welche niemals an die Öffentlichkeit gelangen.
Die meisten Redebeiträge beschäftigten sich mit den Ereignissen vom vergangenen Montag vor dem Luckenwalder Kreistag und dem darauf folgenden Medienecho. Insbesondere mit dem Leserbrief “unseres” Superintendenten Fichtmüller welcher den Montagsdemonstranten unter anderem “Stimmungsmache”, “Teilung der Gesellschaft fortzuschreiben”, “verbales Niveau welches Dialog verbaut” vorwarf und so nebenbei noch mit einem Seitenhieb auf die PDS, garniert war. Dieser Leserbrief erregte die Gemüter der Montagsdemonstranten sehr und der Tenor der Beiträge war nicht sehr freundlich.
Michael Maurer eröffnete seinen Redebeitrag mit einem Zitat von Jean Paul Marat, um seine Meinung zu den Ereignissen vor dem Kreistag noch einmal zu unterstreichen:
“Um sich die Freiheit zu erhalten, hat eine Nation nur ihre Wachsamkeit, Kühnheit und ihren Mut. Was aber hat der Fürst alles an Mitteln, um die Unterdrückung voranzutreiben? Er hat geradezu die Qual der Wahl.
Das Volk ist nun einmal dafür geschaffen, von Kabinetten und Ministern zum Narren gehalten zu werden. Hat es aber tatsächlich Vorwürfe und Mahnungen formuliert und vorgetragen, so antwortet der Fürst, er sei „immer bereit, Beschwerden seiner Untertanen anzuhören und ihm liege nichts mehr am Herzen als das Glück seines Volkes.“ Und mit diesen schönen Sprüchen werden sie nach Hause geschickt. Und wenn es gar nicht anders geht, dann wird der gute alte Brauch geübt, alles zu versprechen und nichts zu halten.”
J.P.Marat, 1774 “Die Ketten der Sklaverei”
Unser Fürst (Landrat) wollte mit uns in einen solchen “Dialog” treten. Dies ist ihm nicht gelungen. Er besser daran getan uns zu sagen wo und wann denn diese ominösen Arbeitsplätze endlich geschaffen werden, welche uns sein Parteifreund Schröder seit Jahren schon verspricht.
Aber außer Streichungen, Kürzungen, Einsparungen, Schließungen und schönen Worten, hat uns unser Landrat nichts zu bieten. Und das er sich “für die Belange der Bürger einsetzen will” ist keine große Tat, sondern seine gottverdammte Pflicht.
Es ist schon schlimm genug wenn die Lebensumstände der großen Mehrheit der Menschen davon abhängig ist, dass eine kleine Minderheit von Kapitalbesitzern ihnen Arbeit gibt um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Man nennt diese Menschen auch „Lohnabhängige“, wobei man diese Abhängigkeit seitens des Kapitals eher etwas verschämt zugeben muss. Da bezeichnet man sie doch lieber als “freie Menschen”, denn Kapitalismus wird gerne mit Freiheit gleichgesetzt. Und die Freiheit kommt im derzeitigen Wirtschaftsgeschehen immer mehr zum tragen, freuen wir uns also ob unserer Freiheit, denn immer mehr Menschen werden „frei-„ gestellt, während das Kapital sich die Freiheit nimmt in ferne Länder zu verschwinden. Warum das Kapital dies tut begründet man gerne mit unseren Ansprüchen, die sind nämlich zu hoch. Sie seien in jeder Beziehung zu hoch, seien es Löhne, seien es krankheitsbedingte Ansprüche, seien es Rentenansprüche oder seien es die Ansprüche derer, deren Arbeitskraft vom Kapital nicht mehr benötigt wird.
Wir leben also „über unsere Verhältnisse“ und nun ist „Gürtel enger schnallen“ und „Sparen“ angesagt. Die Leistungen des Staates für alle Bürger werden quer durch die Gesellschaft nach unten geschraubt. Ausgenommen natürlich die Bürger deren riesige Vermögen, sich allein durch ihre bloße Existenz, wie von selbst vermehren müssen.
Denn das Wachstum dieser Vermögen ist nur dann möglich, wenn der Rest der Gesellschaft verzichtet.
Die deutsche Gewerkschaftsführung bemüht sich ihre Kooperation mit Kapital und Politik nachzuweisen und kämpft verzweifelt als Sozialpartner anerkannt zu werden. Diese defensive Strategie verhindert jedoch weder den Sozialabbau noch den Niedergang der Gewerkschaftsbewegung selbst.
Die Vollarbeitsgesellschaft mit dem Leitbild des Normalarbeitnehmers ist eine trügerische Hoffnung längst vergangener Zeiten.
Es geht um mehr als Löhne und Arbeitsbedingungen – es geht um Lebensbedingungen.
Die “Gewerkschaft von oben“ ist in dieser Hinsicht an ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag gescheitert, zu eifrig strickte sie selbst mit an der Aufrechterhaltung der Illusion, den Kapitalismus mit einer “Prise Sozialismus“ auf Dauer human gestalten zu können.
Die derzeitige Kapitaloffensive instrumentalisiert den Bürger, sich, nach Stammtischmanier, an der Verächtlichmachung der Gewerkschaftsbewegung und all denen die sich dieser Offensive entgegenstellen, zu beteiligen.
Außer den Montagsdemonstranten scheint keiner der Bürger zu merken, dass sie fleissig ihr eigenes Grab schaufeln.
In diesem Sinne: Wir werden nicht aufgeben!
Solidarische Grüße
an alle die noch demonstrieren.
Ganz besondere Grüße an die Montagsdemonstranten in Angermünde, Schwedt, Eberswalde, Senftenberg, Königs-Wusterhausen, Lutherstadt Wittenberg, Jessen, Torgau, Gera, Nordhausen, und Sondershausen
Michael Maurer
Homepage:: http://www.montagsdemo-jueterbog.de