TAGESSPIEGEL
Neuruppin. Sie ist 17, schmächtig und hat ihre schwarzen Haare auf die Mode der Skinhead-Girls getrimmt: Zwei lange Fransen vorne links und rechts, der Rest ist kurz.
Nicole B. war mit Marco S. befreundet, einem der drei Angeklagten im Potzlow-Prozess, und sagt am Freitag im Landgericht Neuruppin nur widerwillig aus. Sie sei mit Marcos jüngerem Bruder Marcel in Potzlow zu der Stelle gegangen, wo die Leiche des erschlagenen Marinus Schöberl in einer Jauchegrube lag. „Marcel hat mit dem Fuß auf den Boden getrampelt. Ich hab dann wohl auf dem Oberkörper gestanden und was Hartes gefühlt.“ Richterin Ria Becher fragt, was die Zeugin gesehen hat. Nicole B.: „Einen Fuß. Und die Hose.“ Marcel habe zur Tat gesagt, „war ’n geiles Gefühl“. Becher will wissen, wie sich Nicole B. gefühlt hat. Jetzt kommt die Antwort rasch: „Wie vorher auch.“
Am dritten Tag im Prozess zum Mord an dem 16-jährigen Marinus bleibt das Klima kalt und dumpf. Weitere Zeugen geben zu, dass sie vor der Festnahme von Marco und Marcel S. sowie Sebastian F. von dem Verbrechen erfahren haben, das sich in der Nacht zum 13. Juli 2002 abgespielt hat. Ein massiger Skinhead sagt, Marcel habe im Oktober erzählt, „dass sie so einen Assi umgebracht haben“. Bei dem Gespräch habe Marcel „lustig, locker“ gewirkt. Der Zeuge sagt, er habe nichts geglaubt; erst beim Enschlafen „kam’s doch“. Mehr passierte nicht. Marcel S. wurde erst im November festgenommen – als er abermals mit der Tat geprahlt hatte.
Die männlichen Zeugen kommen offenbar straflos davon, obwohl sie den Mord nicht anzeigten. Nicole B. sitzt schon ein, aber wegen einer anderen Tat. Sie hat, einen Monat nach dem Mord, gemeinsam mit Marco S. in Prenzlau einen Afrikaner attackiert. Die Haftzeit könnte sich für das Skin-Girl sogar verlängern: Die Staatsanwaltschaft will ein Verfahren wegen des Verdachts der Falschaussage einleiten. Denn B. streitet am Freitag Angaben ab, die sie früher bei der Polizei unterschrieben hat. Eine weiteres Delikt kommt überraschend nicht zur Sprache: B. hat im Januar einem Zeugen aus dem Potzlow-Verfahren Reizgas ins Gesicht gesprüht.
Freitagnachmittag werden Zeugen gehört, die wahrscheinlich stundenlang Marinus’ Torturen miterlebt haben – und nicht eingriffen. Eine Frau und ein Mann, die Gesichter von hartem Alkoholkonsum gezeichnet, haben in einer Wohnung mit den drei Angeklagten und dem Opfer getrunken. Als die Skins Marinus schlugen, ihm Schnaps bis zum Erbrechen einflößten und einer auf ihn urinierte, stellten sich die Zeugen taub. Aus Angst, wie Monika S. weinend der Polizei gestanden hat. Doch vor Gericht wird sie patzig, „ick hab’ Bier getrunken, det kann mir keener verbietn“. Von den Tätlichkeiten will sie nichts mitbekommen haben. Genauso wie der damalige Mittrinker Burkhard V. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt – und will je acht Monate Haft auf Bewährung.
BERLINER MORGENPOST
Mord an Marinus war lange bekannt, doch die Mauer des Schweigens hielt
Neuruppin — Im uckermärkischen Potzlow haben offensichtlich mehrere
Einwohner früh vom Tod des 16-jährigen Schülers Marinus gewusst, ohne
die Polizei zu
verständigen. Das ergaben gestern Zeugenaussagen in dem Mordprozess vor
dem
Landgericht Neuruppin. Einer der mutmaßlichen Mörder habe mit der Tat
angegeben, hieß es. Einige Bekannte führte er sogar zum Versteck der
Leiche. “Er hat
mir erzählt, dass er einen Penner umgebracht hat, und mit dem Mord
herumgeprahlt”, sagte ein 19-jähriger Lehrling.
Ein anderer Auszubildender ergänzte: “Er hat das Ganze schön gefunden.
Es
war nicht so, als ob es ihm Leid getan hätte.” Wie eine Reihe weiterer
Zeugen
gingen die beiden aber nicht zur Polizei. Erst vier Monate nach dem
Verbrechen
hatten die Beamten erfahren, was mit dem vermissten Marinus geschehen
war.
Zwei 18 und 24 Jahre alte Brüder haben mittlerweile in schriftlichen
Geständnissen eingeräumt, Marinus stundenlang gequält und dann getötet
zu haben. Der
dritte Angeklagte gab nur zu, das Opfer geschlagen zu haben. Die
Angeklagten
verscharrten den Schüler in einer Jauchegrube auf einem ehemaligen
Stallgelände.
“Die Knochen haben rausgeguckt”, berichtete eine 15-Jährige aus Potzlow
gestern unter Tränen auf der Zeugenbank. Als sie seinerzeit hörte, dass
die
Brüder ihren Kumpel Marinus getötet haben sollen, habe sie das zunächst
nicht
geglaubt. “Aus Neugierde sind wir dann zum Versteck der Leiche
gefahren.” Einer
ihrer Begleiter habe dort gebuddelt — und nach dem grausigen Fund die
Polizei
angerufen. Mehrere Wochen zuvor hatte einer der Angeklagten selbst
einige
Bekannte zu der Jauchegrube geführt. “Er hat auf den Boden gestampft,
ich habe
auf dem Oberkörper gestanden”, gab eine 17-Jährige damals bei der
Polizei zu
Protokoll. Vor Gericht wollte sie die Aussage gestern jedoch nicht
bestätigen.
Noch immer, fast ein Jahr nach dem Verbrechen, treffen die Ermittler
vor
allem auf eines: Schweigen. Kaugummi kauend verweigert die 17-Jährige
der
Richterin immer wieder die Antwort. “Ich berufe mich auf meine
bisherigen Aussagen,
alles weitere über meinen Anwalt”, meint kurz darauf eine andere Zeugin
barsch.
Zunächst war sie ebenso wie drei andere geladene Zeugen gar nicht am
Gericht
erschienen. “Wir haben drei Tage versucht, ein Taxi zu bekommen”,
entschuldigt sich ihr Lebensgefährte. Zuletzt holte die Polizei die
Zeugen ab und
chauffierte sie im Streifenwagen zum Gericht. Der Prozess wird am
Montag mit
weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.
BERLINER ZEITUNG
Das lange Schweigen der Mitwisser
Zeugen belasten die Angeklagten im Potzlow-Mordprozess — einige wussten von der Tat
NEURUPPIN. Die Uckermärker gelten als schweigsame Menschen. Einige der
Zeugen im Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des 16-jährigen Marinus
Schöberl
scheinen dieses Klischee zu bedienen. Zwölf Zeugen waren am Freitag ins
Landgericht Neuruppin geladen. Die meisten von ihnen sind Freunde,
Saufkumpane oder
Schulkameraden der Angeklagten — Marcel Sch. (zur Tatzeit 17 Jahre
alt),
sein Bruder Marco (damals 23) und ihr Kumpel Sebastian F. (17). Ihnen
wird
vorgeworfen, Marinus stundenlang misshandelt zu haben, weil er
Hiphopper-Kleidung
trug — und weil er ein “Jude” gewesen sei. Schließlich sollen sie ihn
auf
bestialische Art erschlagen und in einer ehemaligen Jauchegrube
verscharrt
haben. Fast alle Zeugen haben es gewusst oder zumindest geahnt, dass
Marinus die
Nacht zum 13. Juli 2002 nicht überlebt hat. Zum Teil haben sie schon
Monate
bevor die Leiche des Jungen im November vergangenen Jahres entdeckt
wurde, von
der Bluttat gewusst und geschwiegen.
Marcel Sch., der Hauptangeklagte, hat einigen sogar von der Tat
erzählt. “Er
hat erzählt, dass er einen Assi umgebracht hat”, sagte der 18-jährige
Heiko
G., der mit Marcel eine Ausbildung absolvierte. “Er hat es lustig
erzählt,
war locker. Ich habe gedacht, der spinnt.” Später sei er sich sicher
gewesen,
dass es stimmt. Aber er habe es für sich behalten.
Nicole B., die ehemalige Freundin des Bruders von Marcel, verweigerte
anfangs die Aussage. “Ich will die Leute nicht noch tiefer reinreiten”,
sagte die
17-Jährige, die gerade eine Haftstrafe wegen eines gemeinsam mit Marco
Sch.
ver&uum
l;bten Überfalls auf einen Afrikaner absitzt. Dann spricht sie doch.
“Marcel
hat gesagt, dass er einen Stein genommen hat und auf den Kopp gekloppt
hat.”
Doch sie streitet eine Aussage ab, die sie bei der Polizei gemacht hat.
Dort
hatte sie Marcel zitiert, der gesagt haben soll: Wäre es nicht der
gewesen,
wäre es ein anderer gewesen. Das Opfer habe diese Klamotten getragen
und sei
ein “Scheißjude” gewesen. Sie stritt auch ihre ursprüngliche Aussage
ab,
derzufolge Marcel gesagt hat: “Der Jude hat es auch nicht anders
verdient.” Sie
bestätigte aber, dass Marcel sie zur Leiche in der Jauchengrube geführt
habe.
Dass ein Fuß aus der Grube geragt habe. Dass sie selbst auf dem
vergrabenen
Körper stand. Dass etwas Hartes unter ihren Füßen gewesen sei und
Marcel gesagt
habe: “Das ist ja nur der Scheißschädel.”
Ein Motiv für die Tat hatten die Angeklagten in ihren schriftlichen
Erklärungen nicht genannt. Sie seien betrunken gewesen, und die Tat
habe keinen
rechtsextremistischen Hintergrund gehabt. Die meisten Zeugen sagten am
Dienstag,
dass Marcel und Sebastian vor der Tat kaum auffällig gewesen seien.
“Mit denen
war es immer lustig”, sagte Heiko G. Immer wieder bemühten die Zeugen
das
Wort “normal”: Marcel sei normal gewesen, wenn er getrunken hatte,
nicht
aggressiv. Er habe auch ganz normal von der Tat erzählt, nicht etwa
geprahlt oder
Reue gezeigt, sagt Nicole B. “Er hat normale Musik gehört”, sagt Sven
S., im
Internat Techno, bei den Eltern Nazirock. Er habe auch eine
Reichskriegsfahne
gehabt. Alles scheinbar ganz normal. Ansonsten schwiegen die Befragten.
Anders der Zeuge Norman S. Seine Aussage bestätigt die Anklage. Die
geht
davon aus, dass Marinus sterben musste, weil er anders war als die
Täter. S.
sagt, dass Marcel und Sebastian ihn und andere Schüler jahrelang
drangsaliert
hätten. “Er hat auch andere geschlagen wegen des Aussehens”, sagte er.
Weil sie
die falschen Hosen trugen, schwach waren oder dick. “Er nannte mich
fette
Sau”, sagte der 19-Jährige. Andere soll Marcel als “schwule Hippies”
beschimpft
haben. Die Richterin fragte: “Auch als Juden.” Der Zeuge sagte: “Na
klar.”
Bei einem Streit habe Marcel ihn dann bedroht und damit geprahlt, dass
er
bereits einen “Penner” getötet habe. Marinus habe halt die falsche
Haarfarbe und
die falsche Kleidung getragen. “Er hat auch geprahlt, dass er rechts
ist und
hat den Hitler-Gruß gezeigt”, sagte er. Die Lehrer seien nicht dagegen
eingeschritten.
MAZ
“Mit dem Mord herumgeprahlt”
Potzow-Prozess: Angeklagte belastet
NEURUPPIN — Einer der mutmaßlichen Mörder des 16-jährigen Schülers
Marinus
aus Potzlow hat laut Zeugen mit der Tat angegeben. Außerdem soll er
mehrfach
Bekannte zum Versteck der Leiche geführt und den seinerzeit vermissten
Jungen
verhöhnt haben. “Er hat mir erzählt, dass er einen Penner umgebracht
hat und
mit dem Mord herumgeprahlt”, sagte ein 19-Jähriger Lehrling gestern vor
dem
Landgericht Neuruppin. Ein anderer Lehrling ergänzte: “Er hat das Ganze
schön
gefunden. Es war nicht so, als ob es ihm Leid getan hätte.”
Beide Zeugen gingen dennoch damals nicht zur Polizei. Sie hatten
zusammen
mit dem 18-Jährigen, der zusammen mit seinem 24 Jahre alten Bruder auf
der
Anklagebank sitzt, eine Ausbildung absolviert. Die Brüder hatten zu
Wochenbeginn
in schriftlichen Geständnissen eingeräumt, Marinus stundenlang gequält
und
getötet zu haben. Der dritte Angeklagte gab nur zu, das Opfer
geschlagen zu
haben.
Die Leiche wurde erst vier Monate nach der Tat gefunden. Eine ehemalige
Freundin des älteren Angeklagten berichtete, der kleine Bruder habe ihr
und zwei
weiteren Bekannten wenige Wochen nach der Tat gezeigt, wo die Leiche
liegt.
Sie habe Fuß und Hosen von Marinus gesehen, sagte die 17-Jährige. Bei
der
Polizei berichtete die Zeugin, sie habe auf der Stelle des vergrabenen
Oberkörpers gestanden und der kleinere Bruder habe auf den Boden
gestampft. Weil die
Zeugin einem Teil ihrer Aussagen bei der Polizei vor Gericht
widersprach,
leitete die Staatsanwaltschaft gegen sie ein Verfahren wegen
Falschaussage ein.
Nach Angaben der Ankläger führte der kleine Bruder zwei Mal Bekannte zu
der
Jauchegrube, in der Marinus vergraben worden war.
Vier geladene Zeugen aus Potzlow erschienen gestern nicht vor Gericht.
Deshalb wurde die Verhandlung zunächst für eineinhalb Stunden
ausgesetzt.
Die Angeklagten und Marinus hatten in der Tatnacht gemeinsam getrunken.
Dann
verschafften sie sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung eines Paares. Vor
dessen
Augen wurde Marinus misshandelt. Gegen einige der Zeugen, die gestern
vor
Gericht aussagen sollten, wird wegen unterlassener Hilfeleistung
ermittelt.
Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.
TAZ
Zeugen verschwiegen Marinus-Mord
Potzlower verständigten Polizei nicht, obwohl sie vom Tod des Schülers wussten
NEURUPPIN Im uckermärkischen Potzlow haben offensichtlich mehrere
Einwohner früh vom Tod des 16-jährigen Schülers Marinus gewusst, ohne
die Polizei
zu verständigen. Das ergaben am Freitag Zeugenaussagen in dem
Mordprozess vor
dem Landgericht Neuruppin. Einer der mutmaßlichen Mörder habe mit der
Tat
angegeben, hieß es. Einige Bekannte führte er sogar zum Versteck der
Leiche.
“Er hat mir erzählt, dass er einen Penner umgebracht hat, und mit dem
Mord
herumgeprahlt”, sagte ein 19-jähriger Lehrling.
Ein anderer Azubi ergänzte: “Er hat das Ganze schön gefunden. Es war
nicht
so, als ob es ihm Leid getan hätte.” Wie eine Reihe weiterer Zeugen
gingen die
beiden aber nicht zur Polizei. Erst vier Monate nach dem Verbrechen
hatten
die Beamten erfahren, was mit dem vermissten Marinus geschehen war.
Zwei 18- und 24-jährige Brüder haben mittlerweile in schriftlichen
Geständnissen eingeräumt, Marinus stundenlang gequält und dann -
ähnlich wie in einer
Szene des Films “American History X” — getötet zu haben. Der dritte
Angeklagte gab nur zu, das Opfer geschlagen zu haben. Die Angeklagten
verscharrten den
Schüler in einer Jauchegrube auf einem ehemaligen Stallgelände. Der
Prozess
wird am Montag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.
LAUSITZER RUNDSCHAU
Schweigen nach dem Mord an Marinus
Zeugen der grausamen Tat gingen nicht zur Polizei
Im uckermärkischen Potzlow haben offensichtlich mehrere Einwohner früh
vom
Tod des 16-jährigen Schülers Marinus gewusst, ohne die Polizei zu
verständigen. Das ergaben gestern Zeugenaussagen in dem Mordprozess vor
dem Landgericht
Neuruppin.
Einer der mutmaßlichen Mörder habe mit der Tat angegeben, hieß es.
Einige
Bekannte führte er sogar zum Versteck der Leiche. “Er hat mir erzählt,
dass er
einen Penner umgebracht hat und mit dem Mord herumgeprahlt”, sagte ein
19-jähriger Lehrling.
Ein anderer Auszubildender ergänzte: “Er hat das Ganze schön gefunden.
Es
war nicht so, als ob es ihm Leid getan hätte.” Wie eine Reihe weiterer
Zeugen
gingen die beiden aber nicht zur Polizei. Erst vier Monate nach dem
Verbrechen
hatten die Beamten erfahren, was mit dem vermissten Marinus tatsächlich
geschehen war.
Zwei 18 und 24 Jahre alte Brüder haben mittlerweile in schriftlichen
Geständnissen eingeräumt, Marinus stundenlang gequält und dann getötet
zu haben (die
RUNDSCHAU berichtete). Die Angeklagten verscharrten den Sch&u
uml;ler in
einer
Jauchegrube auf einem ehemaligen Stallgelände.
“Die Knochen haben rausgeguckt”, berichtete eine 15-Jährige aus Potzlow
gestern unter Tränen auf der Zeugenbank. Als sie seinerzeit hörte, dass
die
Brüder ihren Kumpel Marinus getötet haben sollen, habe sie das zunächst
nicht
geglaubt. “Aus Neugierde sind wir dann zum Versteck der Leiche
gefahren.” Einer
ihrer Begleiter habe dort gebuddelt – und nach dem grausigen Fund die
Polizei
angerufen.
Der Prozess wird am Montag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.