Wir wollten uns gestern, am Samstag, dem 13. Juli 2002 mit einigen Menschen am Cottbuser Messe- und Tagungszentrum (CMT) einfinden, um gegen den unter dem Motto “Recht auf Heimat” stattfindenden 5. Ostdeutschen Kulturtag des Bundes der Vertriebenen (BdV) zu protestieren.
Die auf dieser Veranstaltung artikulierte deutsch-völkische Verbohrtheit und das völlig einseitige, die deutschen Verbrechen der Nazizeit bagatellisierende Weltbild der Vertriebenen und ihre bis heute fehlende Abgrenzung zu Antisemiten und Rechtsextremisten, wollten wir nicht unwidersprochen hinnehmen.
Doch die Polizei stoppte die zehn Personen auf dem Weg zum Messezentrum in Höhe des Strombades. Nachdem die Beamten Personalkontrollen durchgeführt hatten, welche keine verdachtserhärtenden Indizien ergaben, wurde den betreffenden Personen trotzdem das Demonstrieren versagt und ein Platzverbot für den Spreeauenpark und das Messezentrum erteilt. Wir vermuten, daß die Stadt mit einem protestfreien Ablauf ihr Image polieren wollte, wobei sie die Grundrechte stark einschränkte. Denn ein öffentlicher politischer Protest war uns so nicht mehr möglich. Wir kritisieren das Verhalten der Polizei und verurteilen das Vorgehen.
Wie sehr die Forderungen des BdV in der deutschen Gesellschaft mittlerweile mehrheitsfähig sind, zeigt nicht nur, dass dieses Treffen mit der Bereitstellung des CMT in der Stadt Cottbus wohlwollend aufgenommen wird, sondern auch den Umgang mit den Berufsvertriebenen im derzeitigen Bundestagswahlkampf. Diese können sich, das zeigt auch die Rednerliste dieser Veranstaltung, einer breiten Front an Zustimmung (von CDU über SPD bis Grüne) sicher sein, wenn sie unverhohlen die Abschaffung der Benes-Dekrete und der damit verbunden Entschädigung für die Sudetendeutschen fordern. Über die Tatsache, dass der 2. Weltkrieg von deutschem Boden ausging und die Sudetendeutschen, welche in einer großen Mehrheit Hitler unterstützten, somit also die Naziokkupation in der Tschechoslowakischen Republik vorbereiteten, wird genauso geschwiegen, wie über die deutschen Verbrechen der Germanisierungs- und Vernichtungspolitik während des Krieges, der Repression gegenüber der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten, der millionenfachen Verschleppung von Zwangsarbeitern und Ermordung von Juden, Sinti und Roma.
Analoges gilt für den Umgang mit den polnischen Bierut- Dekreten.
Die bewusst betriebene Entsorgung dieses Teils der deutschen Geschichte ist nötig bei Konstituierung eines Nationalmythos, der vom Leiden der Deutschen ausgeht und Täter zu Opfern macht.
Wir protestieren gegen eine Verharmlosung von Naziverbrechen, gegen Revanchismus und Geschichtsrevisionismus, gegen eine Normalisierung deutscher Geschichte.
Verein für ein multikulturelles Europa e.V.
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